Konservativ – weder rückständig noch rechts!

Konservativ – weder rückständig noch rechts!
Konservative wollen das Gute bewahren – und das ist dringend nötig. (Foto: Pixabay)

Ein Plädoyer für die Rückbesinnung auf traditionelle Werte und Normen

Es ist besorgniserregend, wie der Begriff „konservativ“ von den linksgrünen Meinungsmachern inzwischen in die rechte Ecke geschoben wurde. Wer heute eine konservative Meinung vertritt, wird ohne Umschweife ganz weit rechts verortet, gilt als rückständig und „alt“. Dabei weist schon die Bedeutung des Wortes klar darauf hin, was wirklich mit konservativ gemeint es. Das Wort stammt vom Lateinischen „conservare“ und das heißt schlicht und ergreifend „bewahren“.

Nur das Gute zählt

Konservative wollen also bewahren – und zwar das Gute! Kein Mensch käme je auf die Idee, Schlechtes, Sinn- und Nutzloses bewahren zu wollen. Das Gute umfasst dabei sämtliche Lebensbereiche, vom häuslichen Umfeld bis Umwelt, von Wirtschaft bis Soziales, von traditionellen Werten bis Spiritualität. Es geht den konservativen Kräften in erster Linie darum, all das, was sich im Laufe der Geschichte als gut und nützlich erwiesen hat, zu bewahren.

Konservativ eingestellte Menschen tendieren dazu, traditionellen sozialen Normen den Vorzug einzuräumen vor schnellen Veränderungen. Sie setzen auf Stabilität und Kontinuität in Zeiten des Wandels und der Unsicherheit. In einer Welt, in der viele Menschen das Gefühl haben, dass im Zuge einer zunehmenden Globalisierung alles außer Kontrolle gerät, trägt eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte und Normen dazu bei, die Bedeutung von Freiheit, Familie, Gemeinschaft, nationaler Identität und individueller Verantwortung nicht aus den Augen zu verlieren.

Da hilft nur Lebenserfahrung

Um zu beurteilen, was gut und nützlich ist, bedarf es naturgemäß einer gewissen Lebenserfahrung und die bekommt jeder Mensch nur mit den Jahren. Einzig die Zeit lehrt, was funktioniert und was nicht, was sich zu bewahren lohnt und was schlicht „wegkann“, um es einmal salopp auszudrücken. Das ist der Grund, warum viele Konservative Ältere sind. Einfach, weil sie einen umfassenderen Blick auf das Leben haben. Sie können eher absehen, was passieren wird, wenn für das Zusammenleben wesentliche Elemente verloren gehen.

Beispiel Mangel an Respekt

Als Beispiel sei der allseits mit großer Verwunderung beklagte Mangel an Respekt genannt. Respekt gegenüber dem Einzelnen, der Gesellschaft und dem Leben ganz allgemein. Die Ursachen für fehlenden Respekt mögen vielfältig sein. Sie haben aber ganz sicher auch mit dem Niedergang von Anstand und Moral zu tun. Nicht zuletzt, weil Anstand und Moral durch identitätspolitische Irrwege, Cancel Culture und Gendergaga schlicht über Bord geworfen werden.

Konservativ modern

Halten Konservative dagegen, gelten sie als rückständig. Und das in jedem denkbaren Zusammenhang. Statt einer ehrlichen Bestandsaufnahme und, wenn nötig, einer Kurskorrektur werden diejenigen ausgegrenzt, die den Zeigefinger heben und sagen: Sowas kommt von sowas! Dabei ist der auf totale Freiheit und Individualität gerichtete Wertewandel längst an seine Grenzen gestoßen und in der Mehrheitsgesellschaft wächst das Verlangen nach Beständigkeit und Halt. Moderner Konservatismus steht auf einem festen Fundament aus traditionellen Werten und Normen, ist aber offen für Veränderungen, wenn diese Werte und Normen der Lebenswirklichkeit nicht mehr gerecht werden. Das ist weder rückständig noch rechts – es ist vernünftig und dringend nötig!

Was hat die Emanzipation wirklich gebracht?

Was hat die Emanzipation wirklich gebracht?
Frau heute: Festgezurrt zwischen Haushalt, Familie und Beruf. (Foto: Piyapong Saydaung auf Pixabay)

Zum Internationalen Frauentag

Frauen dürfen wählen und selbst politische Ämter ausfüllen, sie dürfen arbeiten gehen ohne Erlaubnis ihrer Ehemänner oder Väter, auch wenn sie noch immer deutlich weniger verdienen als ihre männliche Kollgen. Sie haben ein Recht auf Bildung und gesellschaftliche Teilhabe. Alles Errungenschaften der Emanzipation. Aber was hat ihnen die Emanzipation wirklich gebracht? Rein rechtlich sind sie – zumindest in der westlichen Welt – den Männern gleichgestellt. Sie sind frei zu tun und zu lassen, was sie möchten. Aber eben nur, solange das in den Alltag als Hausfrau, Mutter, Ehe- und Karrierefrau passt. Und das tut es nur selten.

Der Zwang zur Erwerbstätigkeit

Fast Dreiviertel der Mütter in unserem Land sind berufstätig, 66 Prozent in Teilzeit – Altersarmut inklusive. Nur die wenigsten Frauen arbeiten, weil sie es wirklich wollen oder es gar gerne tun. Sie müssen arbeiten, das Geld wird für die Haushaltskasse und den ein oder anderen kleinen Luxus gebraucht. Ein Vollzeitgehalt reicht heute nur noch selten für ein ganz normales Leben mit Kindern aus, von Alleinerziehenden ganz zu schweigen. Wie diese Frauen den Spagat zwischen Familie und Beruf bewältigen, ist zwar immer mal wieder Thema hitziger Diskussionen. Die Politik verspricht in regelmäßigen Abständen mehr Betreuungsangebote und Arbeitgeber mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Es tut sich aber wenig. Noch immer gibt es nicht genug Kita-Plätze, noch immer ist die Ganztagsbetreuung lückenhaft und nicht selten ein teurer Spaß.

Haus- und Familienarbeit ist Frauensache

Außerdem hilft es Frau nur wenig, wenn die Kinder während der Erwerbstätigkeit gut betreut sind, die Familienarbeit nach Feierabend aber doch fast ausschließlich bei ihnen hängen bleibt. Die Corona-Pandemie hat es überdeutlich gemacht: Der Löwenanteil der Haus- und Familienarbeit wird noch immer von der Frau erledigt. Männer machen es sich trotz aller emanzipatorischer Bemühungen weiterhin bequem in der Hängematte überkommen geglaubter Rollenbilder. Einer neueren Umfrage zufolge stehen knapp 70 Prozent der Frauen nach wie vor alleine mit der Hausarbeit da. Über 50 Prozent sind auch alleine für die Kindererziehung verantwortlich. Kein Wunder also, dass gut die Hälfte der berufstätigen Mütter sich nicht erst seit der Pandemie an der Grenze der Belastbarkeit wähnt.

Die Erwartungen der Gesellschaft

Sicher ist die Hausarbeit durch moderne Technik leichter als sie noch vor 100 Jahren war. Weniger ist sie aber nicht geworden. Ganz im Gegenteil. Waren die Frauen früher gezwungen, über das ein oder andere Staubkörnchen in der Wohnung hinwegzuschauen – sie wurden auf dem Feld gebraucht –, muss die Hausfrau heute perfekt sein. Nicht für sich, sondern für die Gesellschaft. Es wird einfach vorausgesetzt, dass alles blitzt und blinkt im Heim. Gemütlich muss es sein, hygienisch rein und alles an seinem Platz. Auch die Kinder müssen immer sauber und adrett gekleidet sein, dazu brav und wohlerzogen. So jedenfalls suggeriert es die Werbung Tag für Tag. Der Druck, der dadurch auf die ganz normale Frau ausgeübt wird, ist enorm und spornt sie zu Höchstleistungen im Dauerstress an.

Mode und Kosmetik im Spiegel der Zeit

Und dann wäre da noch das eigene Aussehen, das bei all dem Stress nicht vernachlässigt werden darf. Frau muss immer aussehen, als wäre sie gerade der neuesten Modezeitschrift entsprungen, frisch vom Friseur und der Kosmetikerin. Zwar holen die Männer in dieser Hinsicht auf, aber Mode und Kosmetik ist noch immer Frauensache und das scheint sich auch nicht zu ändern. Die allermeisten Influencerinnen, die auf ihren Kanälen Werbung machen, sind blutjunge Mädchen! Schön, schlank, modisch up to date, so hat Frau auszusehen, immer noch und wohl auf lange Zeit. Denn vor den Bildschirmen sitzen jene jungen Mädchen und Frauen, die ihren virtuellen Idolen nacheifern und ganz genauso aussehen wollen. Kosmetische Unzulänglichkeiten werden genauso wenig akzeptiert, wie ein paar Pfunde zu viel.

Die eigenen Vorstellungen bleiben auf der Strecke

Was hat sie also gebracht, die Emanzipation? Mehr Arbeit, noch mehr Druck, noch weniger Zeit für eigene Interessen und Vorstellungen. Zwar sind Frauen heute wesentlich besser gebildet als noch vor hundert Jahren, aber nur die wenigsten können sich im Beruf „selbst verwirklichen“, können das tun, was ihnen Spaß macht oder wofür sie wirklich brennen. In den Führungsetagen großer Unternehmen sind sie ebenso rar wie in der Politik. Nicht, weil sie nicht in der Lage wären, diese Positionen auszufüllen oder weil sie es nicht wollten, sie tun es nicht, weil ihnen schlicht Nerv und Zeit fehlt. Sie reiben sich auf zwischen den Erwartungen und Anforderungen der Zeit, während sie selbst auf der Strecke bleiben.

Solange Frau die Kinder bekommt, wird sie für deren Wohlergehen unverzichtbar sein und bleiben. Daran werden auch all die übereifrigen „Woken“ mit ihrer gendersensiblen Sprache nichts ändern, mag das neue Selbstbestimmungsgesetz auch noch so viele Geschlechter erlauben: Die Mutter ist nicht zu ersetzen, durch nichts und niemanden.

Quo vadis Kirche?

Quo vadis Kirche?

Der Niedergang der Kirchen führt in die falsche Richtung

Unverkennbar der Speyerer Dom (Foto: Mhollaen/Pixabay)

Rund 640.000 Menschen sind im Jahr 2021 aus der Katholischen und Evangelischen Kirche ausgetreten. Ein Rekordjahr, wie überall zu lesen war. Als Hauptgrund werden die Missbrauchsfälle genannt. Wer möchte schon Mitglied einer Gemeinschaft sein, deren oberste Führer solche Abscheulichkeiten zu verantworten haben? Ein weiterer Grund ist das liebe Geld. Die Summe, die für die Kirchensteuer vom Lohn einbehalten wird, fehlt in der Haushaltskasse. Nur die wenigsten sehen die Kirchensteuer als ihren Beitrag für eine bessere Welt, eine Art Gemeinschaftsabgabe für wohltätige Zwecke, weil sie eben diese Zwecke nicht mehr mit eigenen Augen sehen können. Früher gab es kirchlich geleitete Kindergärten vor Ort, Krankenhäuser, Gemeindeschwestern, die sich um Alte, Kranke und Familien in Not gekümmert haben.

Nur den schnöden Mammon im Blick

Und heute? Wo geht es hin, das viele Geld? In die Gemeinden vor Ort jedenfalls nicht mehr. Immer mehr Kirchengemeinden werden zusammengelegt, Großpfarreien gebildet, in denen man vergeblich einen vertrauten Ansprechpartner sucht. Und mit der Kirchensteuer werden vorwiegend die Gehälter von genau den christlichen Ordensträgern finanziert, die die Missbrauchsskandale begangen, gedeckt, vertuscht, geleugnet haben. Und dann sind da noch die neuesten Schlagzeilen von der Auflösung eines Pflegeheims, um daraus eine Flüchtlingsunterkunft zu machen. Nicht, weil das besonders christlich wäre, sondern einzig und allein des schnöden Mammons wegen …

Die Bibel kommt gar nicht mehr zu Wort

Das alles sind zumindest nachvollziehbare Gründe, wenn man den christlichen Glauben außer Acht lässt. Christ sein bedeutet Nächstenliebe wahrhaftig zu leben. Und dazu gehört es, sich um die Menschen in der Gemeinde zu kümmern. Aber genauso wenig wie dieses sichtbare „Kümmern“ verschwunden ist, sind auch die Botschaften der Bibel aus den Gottesdiensten verschwunden. Wer heute einen Gottesdienst besucht, muss sich dieselben negativen Geschehnisse der Zeit anhören, die er jeden Tag mehr als einmal in den Nachrichten zu hören bekommt. Es geht nicht mehr um Gott und die frohe Botschaft, es geht um Krieg, Terror, Vernichtung der Umwelt, Elend, Not und Leid. Nicht Trost kommt von der Kanzel, sondern Schuldzuweisungen, der allzu durchschaubare Versuch, den Gläubigen auf den Kirchenbänken ein schlechtes Gewissen einzureden, ob des erbärmlichen Zustandes dieser Welt. Und genau hier vergeht einem das letzte bisschen Lust auf Kirche. Wenn dann auch noch auf Kirchentagen weibliche Geschlechtsteile gemalt werden, statt über Gott und die Welt zu diskutieren, ist wahrhaftig Schluss mit lustig!

Hauptsache „woke“

Es ist dieses Anbiedern der christlichen Kirchen an den Zeitgeist. Die Gesellschaft verlangt eine moderne Kirche, nur sind damit nicht „gendersensible Sprache“, „Vulva malen“ oder die Konzentration auf Minderheiten gemeint, weil es gerade „woke“ ist. Kirche muss offen sein für die Menschen – und zwar für alle Menschen und nicht nur eine Minderheitengruppe -, sich wieder ihrer Sorgen und Nöte annehmen, ihnen Trost spenden, sie durch die Höhen und Tiefen ihres Lebens begleiten.

Glaube ohne Kirche

Gott sei Dank, möchte man fast sagen, muss niemand mehr Mitglied einer Kirche sein, um zu glauben. Niemand kreidet es einem an, wenn der sonntägliche Gottesdienst geschwänzt wird. Christsein kann man auch so, an Gott glauben, sich gütig zeigen, helfen, wo Hilfe gebraucht wird. All das ist unabhängig von der institutionellen Einrichtung Kirche. Glaube scheint endgültig zur Privatsache geworden zu sein. Damit geht aber nicht nur die Gemeinschaft zugunsten des Einzelnen verloren, sondern eben auch der moralische Kompass. Jenes Instrument, das dem Menschen über Jahrhunderte hinweg Richtung und Halt gegeben hat, der das Zusammenleben wesentlich mitbestimmt, ja ein friedliches Miteinander erst möglich macht.

Glaube setzt dem eigenen Tun Grenzen

Glaube ist so viel mehr als das blinde Vertrauen in eine höhere Macht. Glaube ist das moralische Gewissen, das dem eigenen Tun Grenzen setzt. Und genau das fehlt der modernen Gesellschaft, die nur noch das eigene Ich kennt und rigoros in den Mittelpunkt stellt, koste es was es wolle. Die zunehmende Verrohung, der mangelnde Respekt, die Ausgrenzung anders denkender und der rasante Verfall der Moral in der westlichen Welt hat nicht zuletzt auch mit dem Bedeutungsverlust der Kirchen im Alltag zu tun.

Keine steilen Thesen, sondern Tatsachen

Schon 2010 beschrieb der Politikwissenschaftler Andreas Püttmann in seinem Buch „Gesellschaft ohne Gott“ die Folgen des Niedergangs der Kirche. Denn im Zweifel, so Püttmann, halten sich Christen eher an Recht und Gesetz, wählen weniger radikale Parteien und sind entschieden vorsichtiger in allen Fragen rund um das Leben. Die Religionsgemeinschaften sah er als „Demutsschule“, die Gläubige dazu anhalte, auch das Wohl des anderen im Blick zu haben und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, statt die Schuld anderen in die Schuhe zu schieben. Dass Püttmanns Thesen nicht reine Fantasie, sondern Tatsachen sind, wurde in Umfragen und Analysen eindrucksvoll bestätigt.

Keine „frohe Botschaft“

Um Christ zu sein oder doch zumindest ein christliches Leben zu führen, braucht es keine Kirche. Wenn aber die Kirchen den Menschen christliche Werte nicht mehr näherbringen, wer tut es dann? Dann werden diese Werte, auf die die westliche Welt angeblich so stolz ist, in Vergessenheit geraten und über kurz oder lang ganz verschwinden – und das ist für das Gemeinwohl wahrhaftig keine „frohe Botschaft“.

Gendern: Geht es dabei wirklich um Geschlechtergerechtigkeit?

Gendern: Geht es dabei wirklich um Geschlechtergerechtigkeit?

Fünf Gründe, warum “Gendern” keine wirklich gute Idee ist

Foto: Pixabay/Peggy und Marco Lachmann-Anke

Über den Sinn und Unsinn von „Gendern“ wird in der Gesellschaft heftig gestritten. Für die einen ist die „geschlechtersensible“ Sprache Ausdruck der Gleichberechtigung. Die Befürworter pochen darauf, „Frauen in der Sprache sichtbar“ machen zu wollen. Für die anderen dagegen – und das ist eine übergroße Mehrheit von rund 70 Prozent der Bevölkerung –  ist die Sternchen(*)-Sprache die „Reduzierung der Frau auf ihr Geschlecht“, die der Gleichberechtigung rein gar nichts bringt. Zudem, so die Gegner, schließe Gendern außer dem weiblichen alle anderen Geschlechter kategorisch aus.

Das Unterbewusstsein ist schuld

Die Befürworter beziehen sich in ihrer Argumentation auf wissenschaftliche Experimente, wonach das Unterbewusstsein hinter dem generischen Maskulinum nicht etwa gleich viel Männlein und Weiblein vermutet, sondern regelmäßig vor dem geistigen Auge des Sprechers mehr Männer als Frauen auftauchen. Soll heißen, unser Unterbewusstes schließt Frauen aus, wenn von „die Lehrer“ oder „die Beamten“ die Rede ist.

Durch Gendersprache diskriminiert

Im Alltag hat sich vermutlich noch keine Frau durch die Sprache ausgeschlossen oder gar diskriminiert gefühlt. Bislang! Jetzt aber weisen die sprachlichen Verrenkungen der Frau explizit eine wie auch immer geartete „Sonderstellung“ zu. Wird sie nicht in der Sprache sichtbar gemacht, ist sie schlicht nicht vorhanden. Erst durch das Gendern wird ausdrücklich betont, dass es sie gibt, die Frau! Wer hätte das gedacht?

Das geistige Auge hat einen Knick

Nur, wo genau ist denn die geschlechterspezifische Unterscheidung zwischen „den Verbrauchern“ und „den Verbrauchenden“? Sieht wirklich jemand vor seinem geistigen Auge bei dem Wort „Studierende“ gleich viele männliche und weibliche Studenten? Wohl kaum. Und: Unserem Unterbewusstsein dürfte es herzlich egal sein, ob die Parität zwischen den Geschlechtern gewahrt ist, wenn in den Nachrichten beispielsweise davon die Rede ist, dass Studenten mehr Geld bekommen. Wer käme in diesem Zusammenhang auf die Idee, dass wieder mal nur die männlichen Studenten Geld bekommen, die weiblichen aber nicht?

Jeder macht es, wie er gerade möchte

Hinzu kommt die Tatsache, dass sich Genderbefürworter nicht auf eine einheitliche Darstellungsweise einigen können. Jeder schreibt, wie es ihm gerade am besten gefällt – mal mit Sternchen, mit Binde- oder Unterstrich, mit angehängtem großen oder kleinem i, ganz nach Belieben. Unsere armen Schüler! Und die gesprochene Sprache tut sich noch schwerer. Die Lücke klingt wie Schluckauf oder „Hicks“ und die Umschreibungsversuche arten nicht selten in verbalen Klimmzügen aus oder werden gar zur Lachnummer. Beispiel gefällig? Der Fiesling, die Fieslinge:innen. Und wie gut hörbar ist das Sternchen in der gesprochenen Sprache eigentlich? Wie lang muss der Knacklaut sein zwischen „Lehrer“ und „innen“, um ihn überhaupt mitzubekommen. Plötzlich sind alle Personen weiblich oder sie sind einfach „innen – und nicht außen“.

Noch schlimmer ist die grammatikalisch katastrophal falsche Verwendung des Partizips. Hier wird das Verb zum Substantiv in der Verlaufsform. Aus den Fußgängern werden die Zufußgehenden, aus den Bürgermeisterkandidaten die Bürgermeister*innenkandidierenden. Bürgermeister kandidieren gewiss bis zur Wahl, Fußgänger aber sind nicht pausenlos zu Fuß unterwegs. Sie machen gelegentlich eine Pause und in der sind sie eben nicht „gehend“! Also müsste man eigentlich von Zufußgehenden sprechen, die, wenn sie eine Pause machen, die Nichtzufußgehenden sind!

Sprache verändert sich – aber bitte von alleine!

Das beliebteste Argument der Genderbefürworter ist die natürliche Anpassung der Sprache an den Zeitgeist. Stimmt. Die gibt es, keine Frage. Und schon immer wurde darüber diskutiert, inwieweit Sprache durch äußere Einflüsse verändert werden darf. So wurde heftig über Anglizismen gestritten, die sich mit der Globalisierung in unserer Sprache breit gemacht haben. Aber: Englisch ist nun einmal Weltsprache und in einer vernetzten Welt unerlässliches Verständigungsmittel. Deshalb werden sich Fachbegriffe naturgemäß hartnäckig halten. Die meisten trendigen Formulierungen aber sind schon immer genauso schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht sind.

Es geht um Deutungshoheit

Durch Gendersprache werden bewusst Wortungetüme erzeugt, die kaum noch verständlich sind. Genau das aber muss Sprache sein: verständlich! Gendern ist zur Verständigung schlicht nicht nötig und sie ist auch nicht von selbst entstanden. Sie wird der durchaus zur Geschlechtergerechtigkeit bereiten Mehrheit von einer „woken“ (wieder so ein unsinniger Begriff) Minderheit regelrecht aufgezwungen. Und das ist der eigentliche Kern der Diskussion. Es geht gar nicht um Geschlechtergerechtigkeit, sondern um Deutungshoheit. Eine Minderheit versucht hartnäckig darüber zu bestimmen, wie die Mehrheit gefälligst zu sprechen, wie sie zu denken hat. Und das ist das eigentlich perfide an der Gendersprache, die nachgewiesenermaßen unser Unterbewusstsein zu beeinflussen sucht!

Aus dem stillen Gast wurde ein sehr lauter

Aus dem stillen Gast wurde ein sehr lauter
Kritik zum Tatort Kiel „Borowski und der gute Mensch“
ARD/NDR Tatort “Borowski und der guten Mensch”: Schladitz (Thomas Kügel, l.), Borowski (Axel Milberg, M.) und Mila Sahin (Almila Bagriacik). (Foto: NDR/Thorsten Jander)
Kai Korthals (Lars Eidinger) zettelt einen Aufstand in der JVA an und kann fliehen. (NDR/Thorsten Jander).

„Der stille Gast“ ist allen Fans des Tatorts Kiel in guter Erinnerung. Kai Korthals (großartiger Lars Eidinger) verschaffte sich als Paketbote Zugang zu den Wohnungen von alleinstehenden Frauen, schlich sich in ihr Leben, um sie am Ende grausam zu ermorden. Das alles fand „still“ statt. Sein letztes Opfer war Klaus Borowskis (Axel Milberg) Verlobte Frieda Jung (Maren Eggert), die zwar gerettet wurde, aber völlig traumatisiert die Hochzeit abgesagte und Kiel und Borowski verließ. Im dritten Teil mit dem Titel „Borowski und der gute Mensch“ treffen die beiden erneut aufeinander. Diesmal aber war der ehemals stille Gast ein sehr lauter. Korthals marschiert als „der gute Mensch“ laut und aufdringlich durch die Geschichte, ohne von dem Heer von Polizisten und SEK-Leuten überhaupt bemerkt zu werden, die auf seine Ergreifung angesetzt werden.

Kai Korthals flieht in Feuerwehrkleidung mit Turnschuhen in einem Einsatzwagen der Feuerwehr aus der forensischen Klinik, in der er zuvor einen Brand gelegt hatte. Die Kameraden bemerken weder, dass einer der ihren fehlt, noch fallen ihnen die Turnschuhe auf. Das war schon sehr unglaubwürdig. Auf der Flucht tötet Korthals, wer immer ihm in die Quere kommt und verschafft sich Zutritt zur Wohnung seiner blinden Verehrerin Teresa Weinberger (Sabine Timoteo), die ihm in Briefen ihre Zuneigung versichert hatte. Teresa ist indes nicht die einzige Frau, die Kai Korthals begehrt, zahlreiche Frauen hatten ihm geschrieben.

Im Fokus der Ermittlungen: Teresa (Sabine Timoteo), mit Almila Bagriacik (r.), Axel Milberg (M.), Thomas Kügel (l.) (Foto: NDR/Thorsten Jander)

Warum Korthals sich ausgerechnet Teresa ausgesucht hat, wurde genauso wenig klar, wie Borowskis anfänglicher Unwillen, sich einer erneuten Auseinandersetzung mit Korthals zu stellen. In Erinnerung an die Geschehnisse rund um seine Verlobte hätte man doch zumindest eine gehörige Portion Zorn von Borowski erwartet. Stattdessen beschränkte er sich aufs Kaugummikauen und schenkte seine Aufmerksamkeit seiner neuen Haushälterin Alma Kovacz (Victoria Trauttmansdorff). Seine Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) hingegen unterschätzte Borowskis Warnungen zum Trotz die Gefahr, die von Kai Korthals ausging und geriet am Ende tatsächlich in seine Fänge.

Wie Korthals aber ungesehen in die Tiefgarage des Polizeipräsidiums und Sahins Auto gelangen konnte, blieb das Geheimnis von Drehbuchautor Sascha Arango und Regisseur Ilker Catak. Und auch der große Showdown war eher ein Fall von Fragezeichen: Korthals und der Vater eines der zahlreichen Mordopfer spazierten zu guter Letzt beide schwer bewaffnet aber völlig unbehelligt ins Polizeipräsidium und lieferten sich ein hysterisches „Lassen Sie die Waffe fallen“-Wortgefecht mit Borowski in dessen Dienstzimmer. Ein Schuss in die Decke und ein weiterer in Korthals Kopf beendeten das blutige Gemetzel.

Als stiller Gast zog Kai Korthals die Zuschauer durch seine subtile Art in den Bann. Als guter Mensch wusste die Figur nicht zu überzeugen. Zu viele Ungereimtheiten lösten die Spannung auf, ehe sie sich richtig entwickeln konnte. Gruseln fällt schwer, wenn man ständig die Glaubwürdigkeit in Frage stellen muss. An das Niveau der ersten beiden Teile konnte Teil 3 jedenfalls nicht heranreichen. /sis

ARD/NDR Tatort “Borowski und die Angst der weißen Männer”: Stehen noch vor Rätseln: Klaus Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik) (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Im letzte Fall mit dem Titel “Borowski und die Angst der weißen Männer” bekamen es Klaus Borowski und Mila Sahin mit Frauenhassern und Neonazis zu tun.

 

Alle Männer sind böse – mal wieder!

Alle Männer sind böse – mal wieder!
Kritik zum Tatort Köln „Reiz des Bösen“
ARD/WDR Tatort “Reiz des Bösen”: Mord im Parkhaus: Rechtsmediziner Dr. Roth (Joe Bausch) am Tatort, mit Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, v.r.). (Foto: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Valentin Menke)
Norbert Jütte (Roland Riebeling, rechts) spricht im Präsidium mit Psychologin Lydia Rosenberg (Juliane Köhler) sowie seinen Kollegen Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, v.l.): Welche Verbindungen gibt es zwischen den Fällen? (Foto: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Valentin Menke)

Schlecht war er irgendwie nicht, der neue Tatort aus Köln mit dem Titel „Reiz des Bösen“. Statt Spannung gab es aber eine gehörige Portion Verwirrung. Schuld daran waren Rückblenden, die nicht oder doch erst sehr spät als solche zu erkennen waren. Und so fragten sich nicht wenige Zuschauer am Ende des Films, was um Gottes Willen denn nun aus dem kleinen Lenny (Wulff Kurscheid) werden sollte?

Die vermeintliche Parallelgeschichte, Lennys Geschichte, fand aber in einer nicht näher bestimmten und durch das Set für den Zuschauer auch nicht unbedingt bestimmbaren Vergangenheit statt. Lediglich ein Gameboy hätten einem verdächtig alt vorkommen können. Wer zwischendurch die Aufmerksamkeit verlor, was gewiss einer großen Zahl an Zuschauern so erging, weil die Geschichte keinen rechten Fortgang nahm, konnte das Ende dann nicht verstehen. Denn es war dieser Lenny, inzwischen erwachsen, der sich für seine Kindheitsqualen an allen Müttern rächte, die sich mit einem Ex-Knacki zusammengetan hatten.

Lenny war am Ende der grausame Serienmörder, den Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) wie das Kaninchen aus dem Hut zogen. Erst das Gespräch mit der gealterten und sichtbar misshandelten Mutter Ines (Picco von Groote) und eine Fotografie des mittlerweile verstorbenen Bastian „Basso“ Sommer (Torben Liebrecht) hätte die Zuschauer auf die richtige Spur bringen können, wenn sie denn zu diesem Zeitpunkt noch wach gewesen wären. Auch, was das alles mit dem aktuellen Fall zu tun hatte, wurde erst jetzt deutlich. In dem nämlich waren Ballauf und Schenk auf der Suche nach dem Mörder von Susanne Elvan. Die hatte ihre Brieffreundschaft noch im Gefängnis geheiratet und nach seiner Entlassung bei sich zuhause aufgenommen.

Lenny (Wulf Kurscheid, rechts) wird vom neuen Partner seiner Mutter Ines (Picco von Groote) misshandelt. Ines will ihm aber nicht glauben. (Foto: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Valentin Menke)

Tarek Elvan (Sahin Eryilmaz) erwies sich rasch, wie all die anderen Verdächtigen auch, zwar als böse, aber unschuldig. Wieder einmal waren alle Männer einfach nur böse. Und so fischten Ballauf und Schenk im Trüben, während sie und mit ihnen die Zuschauer eine Menge über das Phänomen der Hybristophilie, der Zuneigung von Frauen zu Übeltätern, erfuhren und die ganz andere Seite ihres Assistenten Norbert Jütte (Roland Riebeling) kennenlernten. Norbert Jüttes Verwandlung von der Schnecke zu „Turbo Jütte“ kam ebenfalls wenig überzeugend daher. Der Charakterwechsel war so drastisch, dass er einfach nur unglaubwürdig wirkte.

Zwei Geschichten in einer zu erzählen ist alles andere als neu. Dass in solchen Konstellationen im Film stets ein Zusammenhang besteht, ist ebenfalls ein alter Hut. Nur wenn der tatsächliche Zusammenhang erst kurz vor dem Ende durchschaubar wird, während die beiden Geschichten in der Zwischenzeit ohne Höhen und Tiefen so vor sich hinplätschern, müssen sich Drehbuchautor Arne Nolting und Regisseur Jan Martin Scharf nicht wundern, wenn sie unterwegs viele Zuschauer verlieren. Eine deutliche Unterscheidbarkeit der beiden Erzählebenen, Hinweise vom kleinen misshandelten Lenny auf den erwachsenen Gefängniswärter Leonard (Theo Trebs) hätten der Aufmerksamkeit der Zuschauer und damit der Spannung sicher sehr gut getan. /sis

 

Schon der letzte Tatort aus Köln “Wie alle anderen auch” ging es mehr um die Geschichten der Figuren als um die Ermittlungen.

ARD/WDR Tatort “Wie alle anderen auch”:
Regine Weigand (Hildegard Schroedter) leitet ein Café für Menschen, die kein eigenes Zuhause haben. Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, links) und Freddy Schenk (Dietmar Bär, rechts) haben sie gerade darüber informiert, dass Monika Keller tot aufgefunden wurde. Die obdachlose Frau war Stammgast im Café. (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

Nett, aber keinen zweiten Gedanken wert

Nett, aber keinen zweiten Gedanken wert
Kritik zum Tatort Frankfurt „Wer zögert, ist tot“
ARD/HR Tatort “Wer zögert, ist tot”: Anna Janneke (Margarita Broich) Fanny (Zazie de Paris, Mitte) und Paul Brix (Wolfram Koch) in Aktion. (Foto: HR/Degeto/Bettina Müller)
Frederick Seibold (Helgi Schmid, Mitte) wird von vier Maskierten mit Hundemasken entführt. (Foto: HR/Degeto/Bettina Müller)

Die lange Sommerpause ist vorbei, ab sofort steht wieder „Tatort“ auf dem Sonntagabend-Fernsehprogramm. Zum Auftakt aber war Spannung mal wieder Fehlanzeige.

Los ging es mit einem Tatort aus Frankfurt mit den Kommissaren Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch). Sie aber spielten in „Wer zögert, ist tot“ eher eine untergeordnete Rolle, die Ermittlungen übernahm Fanny (Zazie de Paris), Paul Brix’ spezielle Freundin und WG-Partnerin. Sie schleicht sich undercover in ein Studio für Frauen ein, in dem Conny Kaiserling (großartige Christine Große) zusammen mit einer Angestellten Selbstverteidigungskurse für Frauen gibt. Fanny ist mit viel Mut dem Geheimnis im Keller auf der Spur, kommt am Ende aber zu spät, um das Unheil aufzuhalten.

Janneke und Brix beschäftigen sich derweilen mit dem recht eigenwilligen Vater Konrad Seibold (Bernhard Schütz), der das Lösegeld für seinen entführten Sohn Frederick (Helgi Schmid) partout nicht bezahlen will. Vater Seibold hält den Sohn selbst für den Entführer, weil er ihm den Geldhahn zugedreht hat. Und so dreht sich die Geschichte denn unablässig um drei abgeschnittene Finger, Frederiks Exfreundin Bille Kerbel (Britta Hammelstein), die ihn vermisst gemeldet hat und vier enge Freundinnen in finanzieller Not. Am Ende jedenfalls kommt es ganz anders als gedacht, niemand ist schuldig, alle kommen mit einem blauen Auge davon, außer Frederick.

Nett war die Geschichte von Drehbuchautorin und Regisseurin Petra Lüschow, mehr aber auch nicht. Spannung fehlte gänzlich, die Witze und Gags wirkten gezwungen, Teile der Story mühsam konstruiert und ziemlich unrealistisch. Recht unterhaltsam, aber für einen Krimi einfach zu fade. Man schaut ihn an und hat ihn kurz darauf auch schon wieder vergessen. Nichts, was einen zweiten Gedanken oder gar eine Wiederholung wert wäre.

ARD/HR Tatort “Funkstille” (2020): (v.l.n.r.) Paul Brix (Wolfram Koch), Anna Janneke (Margarita Broich), Fanny (Zazie de Paris) und Kriminalassistent Jonas (Isaak Dentler). (Foto: HR/Bettina Müller)

Schon der letzte Tatort mit Janneke und Brix mit dem Titel “Funkstille” war eher langweilig.

 

Bedrückende Schicksale statt Spannung

Bedrückende Schicksale statt Spannung
Kritik zum Tatort Berlin “Die dritte Haut”
ARD/rbb Tatort “Die dritte Haus”: Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) bekommen es in ihrem neuen Fall mit Immobilienhaien zu tun. (Foto: rbb/Gordon Mühle)
Karow (Mark Waschke) und Rubin (Meret Becker) stellen den Mord am Immobilienmanager Ceylan nach (Foto: rbb/Gordon Muehle)

Die Wohnungssituation in Berlin ist furchtbar, ganz ohne Zweifel. Aber die Frage muss erlaubt sein, warum die Menschen unbedingt in dieser düsteren, unfreundlichen Stadt leben wollen. Sie wollen es so sehr, dass sie bereit sind, Dinge zu tun, die kein normaler Mensch tun würde. Die LKA-Kommissare Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) bekommen es in ihrem neuen Fall „Die dritte Haut“ von Drehbuchautorin Kathrin Bühlig mit einer türkischen Familie zu tun, die Immobilien in Berlin kauft und verkauft und die Bestands-Mieter mit den hinreichend bekannten Schikanen aus ihren Wohnungen vertreiben.

Der Sohn der gnadenlosen Chefin Gülay Ceylan (Özay Fecht) wird ermordet aufgefunden. Es stellt sich heraus, dass er Mieterinnen und Mietinteressentinnen mit der Aussicht auf eine Wohnung zum Sex genötigt hat. Auch Jenny Nowack (Berit Künnecke), alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, lässt sich auf Cem ein, um eine Ersatzwohnung zu bekommen, was ihrem Ex-Mann Micha Kowalski (Timo Jacobs) nicht gefällt. Er ist nach Jahren zurück nach Berlin gekommen, um seine Kinder zu sehen. Außer Jenny und ihrer Familie lernen die Zuschauer Menschen in einem Mietshaus kennen, die alle unter den Quälereien der Ceylans leiden. Bedrückende Schicksale, die es aber überall auf der Welt gibt. Nur diese Schicksale und zusätzliche Bilder von Obdachlosen mit ihren Wünschen, völlig zusammenhanglos eingeblendet, standen im Mittelpunkt der Tatort-Folge und nicht der Mord und die Ermittlungen eines engagierten Teams.

Es ging wieder einmal nur um das Thema, das sicher in einer Dokumentation besser aufgehoben wäre als in einem Krimi, von dem man spannende Unterhaltung erwartet. Spannung fehlte völlig und wer ein Sozialdrama sehen will, sucht sich keinen Tatort aus. Auch das merkwürdige Verhältnis von Karow und Rubin, die in dieser Folge völlig unvermittelt übereinander herfallen, sich dadurch aber nicht besser verstehen, ließ den Zuschauer eher unangenehm berührt zurück. Genauso wie die Auflösung des Falles, die mehr zufällig geschieht. Ein plötzliches Geständnis ohne Not, das in der Folge den wahren Schuldigen entlarvt. Krimi geht anders! /sis

Schon der letzte Tatort aus Berlin mit dem Titel “Ein paar Worte nach Mitternacht” war alles andere als spannend.

ARD/rbb Tatort “Nur ein paar Worte nach Mitternacht”: Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke, li.) finden Klaus Keller (Rolf Becker) an seinem 90. Geburtstag tot auf. Um seinen Hals hängt eine seltsame Nachricht. (Foto: rbb/Stefan Erhard)

 

Action und Tempo für das neue Team

Action und Tempo für das neue Team
Kritik zum Tatort Bremen „Neugeboren“
ARD/Radio Bremen Tatort “Neugeboren”: Neues Ermittler-Team im Bremer Tatort: Linda Selb (Luise Wolfram, links), Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer, Mitte) und Mads Andersen (Dar Salim, rechts) müssen erst zueinander finden. (Foto: Radio Bremen/Christine Schroeder)
BKA-Expertin Linda Selb (Luise Wolfram, Mitte) erläutert Mads Andersen (Dar Salim, links) und Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer, rechts), was die Tatort-Analyse ergibt. (Foto: Radio Bremen/Christine Schroeder)

Nicht schlecht, das neue Team in Bremen, so richtig vom Hocker reißen konnten Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer), Mads Andersen (Dar Salim) und Linda Selb (Luise Wolfram) den durchaus geneigten Zuschauer letztlich aber noch nicht. Ein Däne, der eigentlich nur noch zurück nach Hause will, aber einfach nicht loskommt, eine viel zu junge, unerfahrene, dafür aber recht vorlaute Kommissarin und eine schon länger bekannte, aber immer noch spröde BKA-Ermittlerin stellen ohne Frage eine recht illustre Truppe dar. Doch handelt es sich eher um drei Einzelkämpfe. Teamfähig scheinen sie alle drei nicht. BKA-Ermittlerin Linda Selb war es noch nie und die junge Kommissarin Liv Moormann kann es noch nicht sein. Däne Mads Andersen erweist sich dafür als äußerst hart im Nehmen und durchaus actionerprobt. Zumindest machte er im ersten Fall des neuen Teams mit dem Titel „Neugeboren“ aus der Feder von Drehbuchautor Christian Jeltsch eine ziemlich gute Figur.

Tatsächlich geht es in diesem Fall um zwei Neugeborene, das eine unerwünscht, das andere tot geboren, deren Schicksale auf tragische Weise miteinander verknüpft sind. Das unerwünschte Baby verschwindet aus der Klinik, das tote wird in der Pathologie aufgefunden. Dazu gibt es einen Mord an einem bekannten Drogendealer. Die Kommissare bekommen es im Laufe der Ermittlungen mit dem begeisterten Ex-Fußballer Rudi Stiehler (André Szymanski), dessen Kinder Jessica (Johanna Polley) und Marco (Gustav Schmidt) sowie den Brüdern Lenny (Nikolay Sidorenko) und Tim (Bruno Alexander) zu tun, die alle irgendwie mit dem Mord an dem Drogendealer zu tun haben, sich aber geschickt und manchmal recht aggressiv aus der Affäre ziehen können.

Besonders glaubwürdig war die Story nicht. Auch an Spannung hat es gefehlt, dafür gab es aber Tempo und Action. Das Ermittlerteam hat durchaus Potenzial. Die drei können schwerlich Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) auf Anhieb ersetzen. Das hat aber auch niemand ernsthaft erwartet. Dennoch darf man gespannt sein, wie das Team sich weiterentwickelt und ob es den Machern gelingt, die drei eigenwilligen Charaktere zu einer funktionierenden Einheit machen, wie es Lürsen und Stedefreund über viele Jahre waren. /sis

“Wo ist nur mein Schatz geblieben” war der letzte Tatort aus Bremen mit dem Ermittlerteam Inga Lürsen und Nils Stedefreund.

ARD/RB Tatort “Wo ist nur mein Schatz geblieben”: In ihrem letzten Fall bekommen es Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) mit einem Netz aus Korruption und illegalen Geldgeschäften zu tun. (Foto: Radio Bremen/ARD Degeto/Christine Schroeder)

Eltern können einfach der Horror sein

Eltern können einfach der Horror sein
Kritik zum Tatort Franken „Wo ist Mike?“
ARD/BR Tatort “Wo ist Mike”: Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) sind bestürzt über die aktuellen Entwicklungen des Falls. (Foto: BR/Claussen+Putz Filmproduktion GmbH/Marc Reimann)

Ein bis aufs Blut verfeindetes Elternpaar bekommen nicht mit, dass ihr gerade erst fünfjähriger Sohn im angrenzenden Wald verschwindet. Die Mutter des 17-jährigen Titus (Simon Frühwirth) mit Wahnvorstellungen will die Wahrheit nicht erkennen und erdrückt ihren Sohn mit ihrer Liebe. Die Eltern zweier Schüler hinterfragen nicht deren Lügen, mit denen sie einen Lehrer Rolf Glawoggers (Sylvester Groth) der sexuellen Belästigung beschuldigen. Ausgerechnet den Lehrer, in sich Kommissarin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) gerade erst verliebt hat. Während Paula Ringelhahn nur zu gerne an die Unschuld ihrer neuen Lieben glauben möchte, sieht ihr Kollege Felix Voss (Fabian Hinrichs) einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden des Fünfjährigen Mike, dessen Vater (Andreas Pietschmann) in der Nähe von Glawoggers Haus eine düstere Villa bewohnt. Wenn Glawogger schon wegen sexuellen Missbrauchs in Verdacht steht, hat er sich vielleicht auch Mike geholt! Tatsächlich findet Ringelhahn den toten Mike in Glawoggers Keller in einem Schrank.

Es dauert lange bis Ringelhahn und Voss die Zusammenhänge zwischen Titus, Mike und Glawogger erkennen – und der Zuschauer hat ebenfalls Schwierigkeiten dem Geschehen zu folgen. Denn Regisseur Andreas Kleinert packt große Teile der Geschichte des neuen Tatorts aus Franken mit dem Titel “Wo ist Mike” in Wahnvorstellungen und Visionen, die sowohl Titus als auch die Kommissare immer wieder ereilen und nicht unbedingt zum aktuellen Ablauf der Geschichte passen. So bringt Glawogger sich spektakulär um. Erst später wird klar, dass Ringelhahn sich das nur so vorgestellt hat. Voss dagegen begegnet immer wieder der kleinen Mike, der ihn traurig anschaut. Voss kann Mikes Angst spüren und das bringt ihn schließlich auf die richtige Fährte. Denn auch Titus, der mit seiner imaginären Freundin Mike im Wald gefunden und bei Glawogger im Schrank „in Sicherheit gebracht hat“, hat Angst – wovor wird nicht so richtig klar. Sein Vater ist tot, seine Mutter (Bettina Hoppe) liebt ihn abgöttisch. Halt findet er bei Glawogger, bis der ihm aus Angst vor dem Gerede der Nachbarn wegen der Anzeige der Schüler die Freundschaft kündigt. Es wird klar, wie sehr Kinder unter ihren streitenden Eltern und überbordender Liebe leiden, wie schnell üble Gerüchte ein Menschenleben vernichten und sämtliche Beziehungen zerstören können. Drehbuchautor Thomas Wendrich verpackt diese Geschichte in schon horrorartige Szenen. Fast schon zu viel Horror für Sonntagabend-Unterhaltung! /sis

ARD/BR Tatort “Die Nacht gehört dir): Die Kriminalhauptkommissare Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) am Bett der toten Barbara Sprenger. (Foto: BR/Hager Moss Film/Hendrik Heiden)

Im vergangenen Tatort aus Franken mit dem Titel “Die Nacht gehört dir” war es Kommissar Voss, der eine Affäre hatte.

Der Mörder war endlich mal der Gärtner

Der Mörder war endlich mal der Gärtner
Kritik zum Tatort Wien „Verschwörung“
ARD Degeto Tatort “Verschwörung”: Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) müssen den Tod eines hohen Beamten des Innenministeriums aufzuklären. (Foto: ARD Degeto/ORF)
Bibi Fellner (Adele Neuhauser) muss alleine den zweiten Mord aufklären, Moritz Eisener wurde kalt gestellt. V. li. n. re.: Werner Kreindl (Günter Franzmeier), Dr. Leytner (Matthias Franz Stein) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser). (Foto: ARD Degeto/ORF)

Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) sind immer einen Sonntagabend wert. Auch wenn der neue Fall mit dem Titel „Verschwörung“ aus der Feder von Drehbuchautor Ivo Schneider jetzt nicht so zu fesseln wusste, allein die beiden Wiener Bundespolizisten agieren zu sehen, ist Unterhaltung pur.

Im neuen Fall verliert der Gärtner Rudi (Serge Falck) durch die Mauscheleien von zwei „Großkopferten“ seine Existenzgrundlage. Er rächt sich fürchterlich, allerdings erst Jahre später. Und entsprechend lange dauert es, bis Eisner und Fellner die wahren Hintergründe des Mordes an einem hochrangigen Beamten des Innenministeriums aufdecken können. Bis dahin bekommen sie es mit gewaltigen Hürden zu tun. Denn im Innenministerium hat man kein Interesse daran, mit einem Mord an einem ohnehin fragwürdigen Spitzenbeamten in die Schlagzeilen zu geraten, zumal der ehemalige Weggefährte und Freund des Ermordeten (Matthias Franz Stein) für die Betrügereien beim Verkauf von Wohnungen mit einem goldenen Handschlag belohnt und in eine verantwortungsvolle Position bei einem „Zukunftsverein“ abgeschoben wurde. Und so versucht man mit vereinten Kräften alles, den beiden Kommissaren das Leben möglichst schwer zu machen, stellt Eisner am Ende gar völlig kalt.

Eisner und Fellner wären aber nicht das schillernde Wiener Ermittlerpaar, würden sie sich von derartigen Kleinigkeiten einschüchtern lassen. Am Ende gerät Bibi Fellner erneut in Lebensgefahr, Moritz Eisner eilt zur Stelle und rettet sie, nicht aber den verzweifelten mörderischen Gärtner, der seinem Leben durch einen Sprung in den Abgrund ein Ende setzt. Drei Leichen, keine Verhaftung, aber Bibi gerettet und Moritz wieder im Dienst – alles gut also!

Das war sicher nicht der beste Tatort aus Wien, aber durchaus unterhaltsam, zumal es dem Wiener Team nicht an Humor mangelt, das in diesem Tatort im wahrsten Wortsinn „auf den Hund“ gekommen waren. Ein Schnitzer passierte Regisseurin Claudia Jüptner-Jonstorff nur mit dem niedlichen Pudel, den Eisner sich für einen Undercover-Besuch bei einer Tierärztin ausgeliehen hatte: Der Film spielt im Hochsommer, Wien schwitzt und Eisner lässt den Hund im Auto zurück. Das kam bei allen Tierfreunden weniger gut an. Sonst aber gab es nichts zu meckern an diesem Tatort. /sis

Auch im letzten Tatort aus Wien mit dem Titel “Die Amme” kam Bibi Fellner in Lebensgefahr.

ARD Degeto Tatort “Die Amme: Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) wird der Fund einer Toten in einer trostlosen Wohngegend gemeldet. Indizien deuten darauf hin, dass die Frau als Prostituierte gearbeitet und dass sie ein Kind hatte. Doch das Kinderzimmer ist verwaist, von dem Kind, einem zehnjährigen Jungen, fehlt jede Spur. (Foto: ARD Degeto/ORF/Prisma Film/Petro Domenigg)

Zwei Würstchen im Schlafrock

Zwei Würstchen im Schlafrock
Kritik zum Tatort Münster „Rhythm and Love“
ARD/WDR Tatort “Rhythm and Love”: Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl, links) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, rechts) ermitteln in einer Bauwagenkolonie, in der auch Alpakas gehalten werden. (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)
Bei Tee, Keksen und Rum gestehen sich Silke Haller (ChrisTine Urspruch) und Mirko Schrader (Björn Meyer) ihre jeweiligen Lügen. (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

Tatort Münster ist immer sehenswert – so auch die neueste Folge mit dem Titel „Rhythm and Love“, in der Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) erstmals seine Unzulänglichkeiten beweint. Doch nicht nur er kämpft mit den Tücken des neuen Falls, auch Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) gerät an seine Grenzen, weil Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) einmal mehr nichts von Thiels Verdächtigungen hält. So sitzen Thiel und Boerne im Versagensschmerz vereint auf dem Seziertisch und geben sich die Kante. Gemeinsam kommen sie zur Ansicht, sie seien „kleine Würstchen“, ja sogar Würstchen im Schlafrock. So viel Selbstkritik ist man aus Münster nicht gewohnt. In diesem Zusammenhang erscheint das unsägliche „Allesdichtmachen-Video” von Jan Josef Liefers in einem ganz anderen Licht. Und so verwundert es nicht, dass die Figur Boerne plötzlich mit den Aussagen Liefers gleichgesetzt wurde, obwohl beide sogar nichts miteinander zu tun haben. Leider kann man da nur sagen. Denn ausgerechnet in diesem Fall muss der Professor gehörig Federn lassen und kommt zu der Erkenntnis, dass er „seine eigene Inkompetenz eben wegen seiner Inkompetenz“ nicht erkennen kann.

Nachdem Thiel und Boerne also in Selbstmitleid baden, übernehmen Thiels Assistent Mirko Schrader (Björn Meyer) und Boerne-Assistentin Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch) das Geschehen und stellten den Mörder von Maik Koslowski,

In seinem Element: Herbert “Vadder” Thiel (Claus D. Clausnitzer, rechts) beliefert auf dem Erlen-Hof “Rasta-Mann” (Stefan Gorski, links) mit Ware aus eigenem Anbau. (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

einem Verfechter freier Liebe in einer Bauwagenkolonie mit dem schönen Namen Erlen-Hof und dem Pfarrer Tobias Flügge (großartiger Nikolai Kinski). Dabei verbindet Schrader und Haller nicht etwa das Interesse am Fall, sondern jeweils ein Fehler mit Folgen. Alberich hat eine wichtige Spur verschlammt, Schrader sich den Zugang zur Polizei mit einer Lüge erschlichen. Am Ende stehen sie dem Mörder gegenüber – und kommen natürlich beide heil aus der Sache heraus.

Als Milieu für den neuen Fall aus Münster hat sich Drehbuchautorin Elke Schuch eine recht skurrile, fast schon sektenartige Gemeinschaft ausgesucht. Die Gruppe hat sich nicht nur freier Liebe, sondern auch der Natur verschrieben. Die Mitglieder pflegen gleich mehrere Liebesbeziehungen untereinander, leben in Bauwagen, bestellen das Feld, halten Gänse und Alpakas. Dieser Lebensstil lockt auch andere Interessenten an, darunter Pfarrer Flügge und der Münsteraner Polizeipressesprecher Johannes Hagen (August Wittgenstein). Während Thiel schon bald dem Pressesprecher nachjagt, sieht sich Boerne obendrein einem Plagiatsvorwurf ausgesetzt. Nur „Vaddern“ Herbert Thiel (Claus D. Clausnitzer) ist im Erlen-Hof in seinem Element: Er darf undercover ermitteln und dabei seinen eigenen Geschäften nachgehen. Denn die Freikörperkultur-Fans lieben nicht nur die Liebe, ihre Tiere und die Natur, sondern auch einen gepflegten Joint. Das ist genau Vadderns Ding!

Der Münsteraner Tatort ist bekannt für seinen feinsinnigen Humor. Diese Erwartung wurde auch mit dem neuen Fall nicht enttäuscht. Spannung gab es eher nicht, dafür aber äußerst interessante Charaktere mit Tiefgang. Die Geschichte hatte einiges zu bieten und so kann man dem Tatort „Rhythm and Love“ durchaus großartiges Unterhaltungspotenzial bescheinigen. Gerne mehr davon! /sis

Schon beim letzten Tatort aus Münster mit dem Titel “Es lebe der König” standen andere Krimi-Elemente im Vordergrund – Spannung war weniger wichtig.

ARD/WDR Tatort “Es lebe der König”: Eine Leiche in Ritterrüstung, das sahen selbst Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, links) , Silke Haller (ChrisTine Urspruch) und Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) noch nie auf einem Seziertisch. (Foto: WDR/Thomas Kost)

Trockene Lehrstunde in deutschem Erbrecht

Trockene Lehrstunde in deutschem Erbrecht
Kritik zum Tatort Schwarzwald „Was wir erben“
ARD/SWR Tatort “Was wir erben”: Für Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) geht es im Fall Klingler um einen ungeklärten Sturz, in dessen Folge Gesine Rathmanns (Jenny Schily, links) Mutter im Krankenhaus stirbt. (Foto: SWR/Benoît Linder)
Elisabeth Klingler-Rathmann und ihre Gesellschafterin Elena Zelenko (Wieslawa Wesolowska) haben zum Leidwesen von Elisabeths Kinder geheiratet. (Foto: SWR/Benoît Linder)

Zugegeben, die Tatorte aus dem beschaulichen Freiburg im Schwarzwald waren schon schlechter, aber der neueste Fall für die Kommissare Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) aus der Feder von Drehbuchautor Patrick Brunken mit dem Titel “Was wir erben” wusste auch nicht wirklich zu begeistern. Dabei war der Stoff durchaus krimigeeignet. Geldgierige Erben sind immer einen Mord wert, doch die Mitglieder der reichen Fabrikantenfamilie Klingler-Rathmann waren weder unsympathisch noch arrogant genug, um glaubhafte Mörder abzugeben. Sie waren ganz einfach vom Leben verwöhnte Fabrikantenkinder, die nichts weiter im Sinn hatten als zu erben. Das war ihre einzige Bestimmung und nichts anderes kam für sie in Frage. Tatsächlich wurde Erblasserin Elisabeth Klingler-Rathmann (Marie Anne Fliegel) auch gar nicht ermordet. Um aber die frisch angetraute Ehefrau, Elisabeths Gesellschafterin, möglichst aus der Erbfolge wieder zu vertreiben, versuchten Tochter Gesine Rathmann (Jenny Schily) und Sohn Richard Rathmann (Jan Messutat) der Gesellschafterin einen konstruierten Mord anzuhängen. Die beiden hatten gerade erfahren, dass nicht sie, sondern Gesellschafterin Ellena Zelenko (Wieslawa Wesolowska), die Elisabeth kurz zuvor geheiratet hatte, die Villa erben soll. Prompt stürzt Elisabeth die Treppe hinunter und stirbt wenig später im Krankenhaus. Tobler und Berg nehmen, wie von den Kindern vehement verlangt, Elena unter die Lupe. Die aber hält dem Druck nicht lange stand und bringt sich um. So jedenfalls sieht es aus. Sie aber wurde ermordet, von Enkelin Toni (Johanna Polley). Sie sah ihr Zuhause durch Elena gefährdet und schubste die Widersacherin in einen See.

Tobler und Berg ermitteln im Schneckentempo, decken dabei die alte Schuld der Klinglers auf, die Zwangsarbeiter in ihrer Pralinenfabrik beschäftigt hatten. Um diese Schuld wieder gutzumachen, sollte die ehemalige Zwangsarbeiterin Elena die Villa bekommen, geheiratet hatten die beiden alten Damen offenbar nur, um den gierigen Erben sämtliche rechtlichen Grundlagen zur juristischen Anfechtung der Erbschaft zu nehmen. Während bei Gesine die Zwangsarbeitergeschichte zu einem Umdenken führt, macht sich Richard aus dem Staub. Er hat bekommen, was er wollte und war nicht länger am Familienleben interessiert. Spannung? Komplette Fehlanzeige! Vielmehr standen langatmige Dialoge im Vordergrund, Gespräche über arm und reich, erben und vererben, schwarz und weiß, eine Lehrstunde in deutschem Erbrecht, so trocken und langweilig, wie die deutsche Gesetzgebung nun einmal ist.

Auch wenn Tobler und Berg in diesem Fall nicht unangenehm aufgefallen sind, will doch der Funke nicht wirklich überspringen. Sympathie mag nicht aufkommen für die beiden Ermittler aus dem Schwarzwald. Dazu sind sie einfach zu blass! /sis

Was kann Toni (Johanna Polley) den Kommissaren Berg (Hans-Jochen Wagner) und Tobler (Eva Löbau) über die Geschichte der Klinglers erzählen? (Foto: SWR/Benoît Linder)

Schon der Vorgänger-Tatort aus dem Schwarzwald mit dem Titel “Rebland” entpuppte sich als langatmig.

ARD/SWR Tatort “Rebland”:
Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau) haben Informationen von französischen Kollegen, mit deren Hilfe sie den Kreis der in ihrem Fall Verdächtigen einschränken.( Foto: SWR/Benoit Linder)

Kaum zu verstehen und viele offene Fragen

Kaum zu verstehen und viele offene Fragen
Kritik zum Tatort „Macht der Familie“
ARD/NDR Tatort “Macht der Familie”: Julia Grosz (Franziska Weisz) wird zur Hauptkommissarin ernannt und ist nun Thorsten Falkes (Wotan Wilke Möhring) Vorgesetzte. (Foto: NDR/Meyerbroeker)
Gleich die erste Aktion, die Grosz (Franziska Weisz) leitet, geht schief. (Foto: NDR/Meyerbroeker)

Die „Macht der Familie“ war das Thema des neuen Tatorts mit den Bundespolizisten Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz), auch wenn es nicht um Familie, sondern mehr um die Russenmafia ging. Leider hat man von den Dialogen akustisch nur wenig verstanden, so dass das Geschehen rund um die Nichte des Waffenhändlers Viktor Timofejew (Wladimir Tarasjanz) kaum durchschaubar war. Letztlich ging es aber darum, den Waffenhändler zur Strecke zu bringen, der neben seinem eigenen Sohn auch noch die Kinder seiner Frau aus der Ehe mit seinem Bruder für seine höchstkriminellen Machenschaften einzuspannen versuchte.

Während sich Nichte Marija (Tatiana Nekrasov) schon vor Jahren aus Timofejews Fängen befreit hat und für das LKA arbeitet, will Neffe Nicolai (Jakub Gierszal) jetzt gerne aussteigen. Er muss aber wohl noch einen letzten Deal für den Onkel abwickeln, bei dem er zusammen mit dem verdeckten Ermittler der Bundespolizei spektakulär durch einen Bombenanschlag auf sein Flugzeug ums Leben kommt. Damit ist zugleich aber auch die von der gerade erst beförderten Hauptkommissarin Julia Grosz geleitete Aktion der Bundespolizei gescheitert, Timofejew zur Strecke zu bringen. Ein Albtraum für Grosz, die erst in Ohnmacht fällt und dann gleich den Job hinschmeißen will – von wegen „Frauen-Power“. Jedenfalls erinnert sich just in diesem Moment Thorsten Falke an seine Freundin Marija, die die Aktion vielleicht doch noch retten kann, indem man sie als Spionin gegen den Onkel einsetzt. Marija geht scheinbar darauf ein, entzieht sich dann aber der Überwachung. Es wird nicht recht klar, ob sie den Onkel ans Messer liefern will oder nicht. Denn am Ende wird die ganze Familie urplötzlich und ohne Vorwarnung von der Russenmafia brutal über den Haufen geschossen, nur Marija und ihre Mutter überleben.

Woher der Killer stammt, wer ihn geschickt hat und ob er auch für den Flugzeugabsturz verantwortlich war, blieben offene Fragen, genauso wie die Rolle der Bundespolizistin Katia (Anja Taschenberg), die sich an Nicolai herangemacht hatte. Wollte sie ihn ausspionieren? Oder fand sie ihn nur interessant? Hat sie die Aktion der Bundespolizei verraten und war sie damit verantwortlich für das Scheitern? Neben dem katastrophal schlechten Ton sorgten auch die nicht immer gleich als solche zu erkennenden Rückblenden für einige Verwirrung. Zwar hoben Tolstoi-Zitate und Schostakowitsch-Musik das kulturelle Niveau, von einem guten Krimi aber war auch dieser Tatort wieder Meilen entfernt. /sis

Knapp einem Anschlag entgangen; Marija Timotejew (Tatiana Nekrasov). (Foto: NDR/Meyerbroeker)

Schon der letzte Tatort mit Falke und Grosz mit dem Titel “Tödliche Flut” konnte nicht überzeugen.

ARD/NDR Tatort “Tödliche Flut”:  Imke (Franziska Hartmann, l.) beschuldigt Stadtrat Lohmannn (Jonas Hien, r.). Julia Grosz (Franziska Weisz, 2. v.l.) und Falke (Wotan Wilke Möhring 2. v.r.) ermitteln. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

 

Endlose Dialoge und vorhersehbares Ende

Endlose Dialoge und vorhersehbares Ende
Kritik zum Tatort Ludwigshafen „Der böse König“
ARD/SWR Tatort “Der böse König”: Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, links) und Johanna Stern (Lisa Bitter) verfolgen einen Tatverdächtigen. (Foto: SWR/Benoit Linder)
Demonstrativ zeigt Anton Maler (Christopher Schärf), der Kommissarin (Ulrike Folkerts), wie innig er sich um seine kranke Freundin Caro (Lana Cooper) kümmert. (Foto: SWR/Benoit Linder)

Man ist als Zuschauer schon froh, wenn der aktuelle Tatortfall nicht politisch angehaucht ist. Aber drei Mal in Folge einen Psychopaten als Täter ist auch nicht unbedingt so spannend. Nach “Die Amme“ aus Wien und „Der Herr des Waldes“ aus Saarbrücken mussten sich die Ludwigshafener Ermittlerinnen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) nun mit einem „König“ rumschlagen, einem armseligen Versagertyp, der nichts auf die Reihe bekam, sich aber dennoch bei jeder Gelegenheit als Held und guter Mensch inszenierte. Eine Persönlichkeitsstörung, keine Frage – vermutlich eine histrionische sollte es wohl sein. Anton Maler (Christopher Schärf), eine Art Johnny Depp für Arme, der lieber Antoine genannt werden wollte, brauchte den Applaus seiner Umwelt wie die Luft zum Atmen. Begriff einer seine Einzigartigkeit nicht, war es schnell vorbei mit seiner charmanten, freundlichen Art, dann griff er zum Baseballschläger. Ganz nebenbei versuchte er noch seine Ex-Freundin Caro Meinert (Lana Cooper) zu vergiften, weil die sich von ihm getrennt hatte, und stellte schließlich Johanna Stern nach. 70 Minuten bestand „Der böse König“ einzig aus Dialog. Keine Spannung, keine überraschenden Wendungen, nur Dauergequassel ohne Punkt und ohne Komma. Erst die letzten 20 Minuten, als Anton Antoine Maler bei Johanna Stern zuhause auftauchte und am Ende gar ins Haus eindrang und Sterns Tochter bedrohte, kam etwas Spannung auf, die aber rasch wieder abebbte. Denn der erwartete Showdown blieb aus: Lena Odenthal überwältigte Maler und vorbei war es.

Die Ursachen für Malers Persönlichkeitsstörung wurden nicht thematisiert. Johanna Sterns psychologische Kenntnisse standen im Vordergrund, konzentrierten sich aber mal auf den einen mal auf den anderen Verdächtigen. So konnte keine Spannung aufkommen. Zu schnell war jedem Zuschauer klar, was da gespielt wurde. Eine der Kommissarinnen in Gefahr zu bringen, war wieder einmal die einzige Möglichkeit für Drehbuchautor und Regisseur Martin Eigler, der Geschichte doch noch ein wenig Leben einzuhauchen. Die Darstellung der gestörten Persönlichkeit und deren Hang zur hemmungslosen Brutalität waren sicher interessant, für einen Krimi hätte es aber gerne etwas geheimnisvoller, überraschender und temporeicher sein dürfen! /sis

Was will Anton Maler (Christopher Schärf) mit dem Baseballschläger am Abend vor Johanna Sterns Zuhause? Johanna (Lisa Bitter) versucht die Situation einzuschätzen … (Foto: SWR/Benoit Linder)

Anders als im neuen Tatort aus Ludwigshafen konzentrierte sich Regisseur Tom Bohn beim letzten Fall “Hetzjagd” auf die Stärken des Films: Zeigen statt reden!

ARD/SWR Tatort “Hetzjagd”: Marias schlimmste Befürchtungen bewahrheiten sich, als sie am Rheinufer die Leiche ihres Freundes Tilmann sieht, dessen Tod von Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) untersucht wird. (Foto: SWR/Jacqueline Krause-Burberg)

 

 

Neues Tatortspiel: Wer erinnert sich?

Neues Tatortspiel: Wer erinnert sich?
Kritik zum Tatort Saarbrücken „Der Herr des Waldes“
ARD/SR Tatort “Der Herr des Waldes”: Wer hat Jessi Pohlmann (Caroline Hartig) ermordet? Das Ermittlerteam beginnt mit der Arbeit: Hauptkommissare Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) und Adam Schürk (Daniel Sträßer), Hauptkommissarinnen Esther Baumann (Brigitte Urhausen) und Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer) sowie Rechtsmedizinerin Dr. Henny Wenzel (Anna Böttcher) (Foto: SR/Manuela Meyer)
Welches Geheimnis verbindet Peter Lausch (Kai Wiesinger) mit Adam Schürks Vater? (Foto: SR/Manuela Meyer)

Spannend war er schon, der zweite Fall der Saarbrücker Kommissare Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) und Adam Schürk (Daniel Sträßer), doch spielte die Geschichte von Drehbuchautor Hendrik Hölzemann viel zu sehr ins Private der neuen Kommissare. Es war nicht ganz leicht, sich nach fast einem Jahr Pause an den ersten Fall mit dem Titel „Das fleißige Lieschen“ zu erinnern und die tragische Verbindung von Leo und Adam zu rekapitulieren. Diese private Verquickung spielte im neuen Fall „Der Herr des Waldes“ aber eine entscheidende Rolle, denn auch der Mörder hat zu Adams Vater Roland Schürk (Torsten Michaelis) eine besondere Beziehung. Roland sollte eines der zahlreichen Opfer von Peter Lausch (Kai Wiesinger, der nicht ganz so überzeugend spielte) werden, doch er entkam. Dafür wurde er kurze Zeit später von Leo Hölzer, Adams Schulfreund, ins Koma geprügelt, aus dem Vater Roland zum Ende des ersten Falles – nach 15 Jahren – erwacht war.

Alles ziemlich wirr und alles auch wenig glaubwürdig. In Rekordzeit genesen behauptet Papa Roland zwar, dass ihm die Misshandlungen seines Sohnes leidtäten, glauben konnte der Zuschauer das nicht wirklich. Und auch die Motive des offensichtlich schwer gestörten Peter Lausch wollten nicht überzeugen. Sowohl Lausch als auch Roland Schürk haben ganz offensichtlich Lust, ihre Mitmenschen zu quälen. Der eine immer gerade denjenigen, der ihm in die Quere kommt, der andere eher die eigenen Familienmitglieder. Warum, bleibt unklar. Ausgerechnet diese beiden begegnen sich eher zufällig, nach 15 Jahren, in denen der eine im Koma liegt und der andere darauf wartet, dass er wieder aufwacht. Und nun treffen sie sich zum finalen Showdown. Der eine, um den Mitwisser endlich zu beseitigen, der andere, um sein Wissen um den Täter endlich preiszugeben. Wie gesagt, ziemlich wirr und unglaubwürdig, nichts destotrotz aber dennoch sehr spannend. Und auf jeden Fall etwas für Freunde ungehemmter Brutalität. Dazu zwei schuldbeladene Kommissare, die – sollte Adams Vater Roland reden – sich künftig eine Gefängniszelle statt das Büro teilen dürften. Denn versuchter Mord und Beihilfe verjähren nicht!

Ob Vater Roland seinen Sohn und dessen Freund tatsächlich verraten hat, bleibt indes bis zum nächsten Fall des neuen Ermittlerduos ein Geheimnis. Cliffhanger nennt man das – wenn es aber wieder ein Jahr dauert, dürften die Zuschauer wie schon bei diesem Fall die Hintergrundgeschichte längst vergessen haben. Genau aus diesem Grund sollten sich die Macher private Verwicklungen ihrer Kommissare in das Geschehen ersparen. Oder doch zumindest den alten Fall vor dem neuen wiederholen, wenn beide Teile derart entscheidend mit einander verbunden sind und die Ausstrahlung soweit auseinander liegt. Gelegenheit dazu hätte es am Osterwochenende reichlich gegeben. /sis

Der Vater von Hauptkommissar Schürk, Roland Schürk (Torsten Michaelis), begegnet seinem Peiniger zufällig im Präsidium. (Foto: SR/Manuela Meyer)

Schon im ersten Fall “Das fleißige Lieschen” spielte die private Geschichte der beiden neuen Kommissare aus Saarbrücken eine entscheidende Rolle.

ARD/SR Tatort “Das fleißige Lieschen”: Das neue Ermittlerteam in Saarbrücken: Adam Schürk (Daniel Sträßer) und Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) (Foto: SR/Manuela Meyer)

Schlaflos in Wien

Schlaflos in Wien
Kritik zum Tatort aus Wien „Die Amme“
ARD Degeto Tatort “Die Amme”: Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) wird der Fund einer Toten in einer trostlosen Wohngegend gemeldet. Indizien deuten darauf hin, dass die Frau als Prostituierte gearbeitet und dass sie ein Kind hatte. Doch das Kinderzimmer ist verwaist, von dem Kind, einem zehnjährigen Jungen, fehlt jede Spur. (Foto: ARD Degeto/ORF/Prisma Film/Petro Domenigg)
Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer, Mitte) befragen Gustav Langer (Christian Strasser). (Foto: ARD Degeto/ORF/Prisma Film/Petro Domenigg)

Endlich, endlich wieder einmal ein Tatort, der diesen Namen auch wirklich verdient. Spannend von der ersten bis zur allerletzten Minute, emotional aufgeladen und mit immer neuen Überraschungen konnte der Tatort mit dem Titel “Die Amme” erneut begeistern. Dabei wusste der Zuschauer schon recht früh um den als Frau verkleideten psychopathischen Mörder Janko (großartiger Max Mayer), der tief in seinem Kindheitstrauma gefangen, Kinder von ihren „schlechten“ Müttern befreit. Sie alle waren Prostituierte, vor denen er die Kinder retten muss. Er will ihnen eine gute Mutter sein. Zwei Frauen, und alle, die sich ihm in den Weg stellten, hat er bereits getötet, zwei Söhne entführt. Ein weiteres Opfer konnte entkommen. Als verdeckter Ermittler im Drogenmilieu kennt er die Abläufe der Polizei und legt deshalb für Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) eine falsche Spur. Bibis untrügliches Bauchgefühl aber und eine gehörige Portion Zufall bringen die beiden Kommissare schließlich aber doch zu einem der entführten Jungen. Und hier bekamen die Zuschauer wieder einmal ein deutliches Beispiel dafür, warum Ermittler immer zu zweit auftauchen: Bibi und Moritz trennten sich auf der Suche nach dem Täter. Bibi begegnete ihm alleine, wurde niedergestochen und in sein Versteck geschleift.

Der Schreck saß tief und die Angst um die beiden Jungen war groß, die der völlig irre Janko in ein Haus außerhalb Wiens verschleppte. Wird Bibi überleben? Wird Eisner die Kinder rechtzeitig finden? Das war Krimi der allerersten Güte. Ein drogensüchtiger Psychopath, eine schlaflose Bibi und ein am Ende völlig aufgelöster Moritz Eisner, der seinen Gefühlen freien Lauf ließ. Einfach großartig! /sis

Schon der letzte Tatort aus Wien mit dem Titel “Unten” war beste Krimiunterhaltung. “Die Amme” wusste das noch einmal zu toppen.

ARD Degeto Tatort “Unten”: Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) sprechen mit der Obdachlosen Sackerl-Grete (Inge Maux). (Foto: ARD Degeto/ORF/Superfilm/Philipp Brozsek)

Von der Straße gibt es kein Zurück

Von der Straße gibt es kein Zurück
Kritik zum Tatort Köln „Wie alle anderen auch“
ARD/WDR Tatort “Wie alle anderen auch”: Regine Weigand (Hildegard Schroedter) leitet ein Café für Menschen, die kein eigenes Zuhause haben. Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, links) und Freddy Schenk (Dietmar Bär, rechts) haben sie gerade darüber informiert, dass Monika Keller tot aufgefunden wurde. Die obdachlose Frau war Stammgast im Café. (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)
Assistent Norbert Jütte (Roland Riebeling) entwickelt eine gewisse Sympathie für die Altenpflegerin Katja Fischer, die er im Auftrag von Ballauf und Schenk aufgesucht hat. (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

Eigentlich soll der Tatort eine Krimireihe sein. Doch das ist er schon lange nicht mehr. Auch der neueste Tatort aus Köln entpuppte sich wieder als klassisches Sozialdrama, von Krimi keine Spur. Selbst die Ermittler Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) spielten in der Folge mit dem Titel „Wie alle anderen auch“ überhaupt keine Rolle. Lediglich Assistent Norbert Jütte (Roland Riebeling) und die junge, frische Natalie Förster (Tinka Fürst) von der Spurensicherung brachten etwas Krimifeeling in das Geschehen. Ballauf und Schenk hingegen tauchten hin und wieder in der Szene der Obdachlosen auf, deren Akteure in diesen Fall allein im Mittelpunkt standen.

Ella Jung (Ricarda Seifried) wird jahrelang von ihrem Ehemann misshandelt. Dann schlägt sie zurück und ihren Mann krankenhausreif. Danach flieht sie, will untertauchen und landet auf der Straße. Sie trifft Monika Keller (Rike Eckermann), freundet sich mit ihr an. Sie planen gerade ihre Zukunft – „Wie alle anderen auch“ – in einer Wohnung, da begegnet ihnen Axel Fahl (Niklas Kohrt), bei dem Ella Unterschlupf findet. Monika dagegen wird ermordet und verbrannt. Ballauf und Schenk nehmen die Ermittlungen auf und lernen Regine Weigand (Hildegard Schroedter) kennen, die als städtische Angestellte in einer Notunterkunft arbeitet und sich sehr engagiert um die Obdachlosen kümmert. Sie bringt Ballauf und Schenk auf die Spur der Altenpflegerin Katja Fischer (Jana Julia Roth), die in ihrem Auto lebt und aus Angst, ihre Obdachlosigkeit könnte bei ihrem Arbeitgeber bekannt werden, lieber nichts mit der Polizei zu tun haben möchte. Und Regine Weigand erzählt den Kommissaren von Ella, die seit der Mordnacht verschwunden ist. Ella erlebt derweilen eine erneute Hölle, denn Axel Fahl entpuppt sich als ähnlich aggressiv wie ihr Mann. Mit dem Mord an Monika aber hat auch sie nichts zu tun.

Aber um den Mord geht es auch nicht. Vielmehr hält sich Drehbuchautor Jürgen Werner fast ausschließlich mit der Schilderung der bedrückenden Schicksale von Monika, Ella, Katja und Regine auf, die Regisseurin Nina Wolfrum in düstere Bilder umsetzt. Die Schwächen des Sozialstaates werden deutlich. Wer erst einmal auf der Straße gelandet ist, für den gibt es kein Zurück. „Die Straße gewinnt immer“, erklärt Regine am Ende den Kommissaren. Aber auch die Ignoranz der Gesellschaft kommt zur Sprache, genauso wie Gewalt gegen Frauen und die Not der Geringverdiener in diesem reichen Land. Spannung erzeugt das nicht, allenfalls Mitgefühl. Ob das aber hilft, an dem Elend etwas zu ändern, bleibt dahingestellt. Und wer einen spannenden Krimi erwartet hatte, wurde wieder einmal herbe enttäuscht. /sis

Der letzte Kölner Tatort “Der Tod der anderen” entführte die Zuschauer zurück in die deutsch-deutsche Geschichte.

ARD/WDR Tatort “Der Tod der anderen”: Wo steckt Jütte? Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, r) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) streiten darüber, was zu tun ist, um ihren verschwundenen Kollegen zu finden.
(Foto: WDR/Thomas Kost)

 

Packendes Sozialdrama mit Schock-Ende

Packendes Sozialdrama mit Schock-Ende
Kritik zum Polizeiruf 110 aus Rostock „Sabine“
ARD/NDR Polizeiruf 110 “Sabine”: Karaoke zu Ehren Veit Bukows (Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner) (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Minuten der Angst durchlebten die Polizeiruf Rostock-Fans am Ende der Folge „Sabine“: Bukow (Charly Hübner) wird niedergeschossen, König (Anneke Kim Sarnau) zieht ihn aus der Gefahrenzone, der Notarzt eilt herbei, Bukow liegt leblos am Boden. König ist verzweifelt, beugt sich über Bukow, rennt wieder weg. Der Leiter der Mordkommission Henning Röder (Uwe Preuss) wird telefonisch verständigt, auch seine Reaktion ist nicht eindeutig. Es dauert gefühlt ewig, bis König und Bukow schließlich gemeinsam am Strand stehen und Abschied nehmen von Bukows kürzlich verstorbenem Vater.

Der Fall gibt dem Team Rätsel auf (v.l.n.r. Charly Hübner, Anneke Kim Sarnau, Andreas Guenther, Josef Heynert) (Foto: NDR/Thorsten Jander)

Mit dem Tod von Veit Bukow (Klaus Manchen) beginnt die neue Folge. Der Abschied von seinem Vater steht für Alexander genannt „Sascha“ Bukow auch klar im Vordergrund. Halt sucht und findet er bei Kollegin Katrin König. Schon zum Ende der letzten Folge mit dem Titel „Der Tag wird kommen“, kam es zu einem ersten Kuss zwischen Bukow und König, in „Sabine“ nimmt das Verhältnis Fahrt auf. Dabei war es gerade die prickelnde Spannung zwischen den beiden, die dem Rostocker Ermittlerduo dieses gewisse Etwas verliehen hatte. Ob die Zweisamkeit das auf Dauer aufrecht erhalten kann, bleibt abzuwarten. Zum Auftakt jedenfalls verstanden es Drehbuchautor Florian Oeller und Regisseur Stefan Schaller sehr gut, die Spannung zwischen Bukow und König zu erhalten, durch kleine Gesten, liebevolle Blicke, einen sehnsüchtigen Tanz und ein gemeinsam gesungenes Liebeslied. Respekt für so viel Gefühl!

Während sich Bukow und König bei der privaten Trauerfeier für seinen Vater näherkommen, erlebt die Hauptakteurin Sabine Brenner (großartige Luise Heyer) ihren absoluten Tiefpunkt. Sie kramt die gut versteckte Makarow hervor. Ihre Arbeit als Aufstockerin in der Werft vor dem Aus, von der Bank gibt es kein Geld mehr, der Strom bereits abgestellt, sitzt sie auf ihrer Couch und hält sich die Pistole an den Kopf. Sie schafft es nicht abzudrücken, auch weil einer der Nachbarn in den menschenfeindlichen Wohnmaschinen lautstark schreit, während er seine Frau verprügelt. Sabine steht auf, geht mit versteinertem Gesicht nach draußen, trifft auf den Nachbarn und schießt ihn nieder. Die Erleichterung ist ihr anzusehen. Und so beginnt sie, sich von den „Arschlöchern“ in ihrem Leben zu befreien. Bukow und König haben Mühe, sie aufzuspüren. Am Ende pflastern vier Leichen ihren Weg, bevor sie in der Bankfiliale gestoppt wird. Mit Brennspiritus übergossen steht sie Bukow und König gegenüber – mit der Waffe in der einen und einem bereits brennenden Feuerzeug in der anderen Hand. Erst schießt sie Bukow nieder, dann tötet sie sich selbst. Feuer lodert auf. König zerrt Bukow ins Freie.

Mehr Sozialdrama denn Krimi verstand der Polizeiruf es doch, den Zuschauer zu fesseln. Nicht die Taten standen im Vordergrund, sondern die Personen. Die verzweifelte Sabine, der aussichtslose Kampf der Gewerkschafter und der Werft-Belegschaft gegen die gierige Geschäftsführung, der die Rendite nicht hoch genug ist. Die Nachbarin des ersten Mordopfers, die trotz der Prügel, die sie tagtäglich von ihrem Mann bezog, ihn dennoch liebt. Röder, der mit Gesundheitsproblemen zu kämpfen hat. Bukow, dem der Abschied von seinem Vater weit schwerer fällt als er wohl selbst erwartet hätte und die völlig verunsicherte Katrin König, die sich zu Bukow hingezogen fühlt und dennoch lieber das Weite gesucht hätte. Man darf gespannt sein, wie sich das Verhältnis der beiden weiterentwickelt und welche Rolle Bukows Halbschwester Melly Böwe (Lina Beckmann) künftig in Bukows Leben spielen wird. Bei so viel spannenden Nebengeschichten, subtilem Gefühl und den stimmungsvollen Aufnahmen am Strand waren die durchaus vorhandenen Längen gut auszuhalten. /sis

Sabine Brenner (Luise Heyer) ist am Ende: Als Bukow und König sie stellen, kommt es zur Katastrophe. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Schon im letzten Polizeiruf mit dem Titel “Der Tag wird kommen” kommen sich Bukow und König näher.

ARD/NDR Polizeiruf “Der Tag wird kommen”: Sascha Bukows (Charly Hübner) Vater ist tot. Katrin König (Anneke Kim Sarnau) tröstet ihn. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Interessant, aber keine Krimimeisterleistung

Interessant, aber keine Krimimeisterleistung
Kritik zum Tatort Kiel „Borowski und die Angst der weißen Männer“
ARD/NDR Tatort “Borowski und die Angst der weißen Männer”: In der Nähe eines Clubs wird eine junge Frau tot aufgefunden. Sie wurde schwer misshandelt. Klaus Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik) nehmen die Ermittlungen auf. (Foto: NDR/Christine Schroeder)
Borowski (Axel Milberg, vorne) gerät in die Fänge von Frauenhasser Hank Massmanns (Arnd Klawitter) Gefolgschaft. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Der neue Tatort aus Kiel mit dem Titel „Borowski und die Angst der weißen Männer“ aus der Feder von Peter Probst und Daniel Nocke wollte viel, eigentlich zu viel für einen 90 Minuten Krimi. Im Mittelpunkt stand der Frauenhass militanter Gruppen wie „Incel“, die vom Verfassungsschutz noch immer nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die sie dringend bekommen müsste. Hinter „Incel“ verstecken sich Männer, denen ihrer Meinung nach ein natürliches Recht auf Sex zusteht. Wenn nicht freiwillig, dann eben mit Gewalt. Um das krude Frauenbild zu untermauern, brachten die Autoren dann aber auch noch Neonazis der Gruppe „14 Words“ ins Spiel. Völlig unnötig, auch wenn sich die Interessen der Frauenhasser und die der Rechtsradikalen in einigen Bereichen überschneiden. Denn in diesem Fall war der selbsternannte Frauenversteher und Dating-Coach Hank Massmann (großartiger Arnd Klawitter) Beispiel genug, welch zerstörerische Wirkung Frauenhasser auf junge, verunsicherte Männer haben können. Mario Lohse (Joseph Bundschuh), von vielen Frauen und seiner Chefin ausgelacht und verspottet, ließ sich von Massmanns lautem Hassgeschrei mitreißen und, verstärkt von rechtsradikalen Hassposts im Internet, zu einem Amoklauf inspirieren. Hinzu kam, dass Klaus Borowski (Axel Milberg) und seine Assistentin Mila Sahin (Almila Bagriacik) den jungen Mann ausgerechnet in dem Augenblick zum Verhör abholten, als er erste zarte Bande zu einer sympathischen Frau knüpfen wollte. Mario Lohse war mit dem in der Nähe eines Kieler Clubs aufgefundenen Mordopfer auf einer Überwachungskamera zu sehen. Tatsächlich hatte Lohse den Club mit dem späteren Mordopfer verlassen. Umgebracht hatte er sie dennoch nicht, wohl aber schwer misshandelt.

Wie schon in den letzten Tatorten spielte der Tod des jungen Mädchens eine untergeordnete Rolle. Er wurde nur sehr am Rande abgehandelt und stellte sich am Ende auch wieder nicht als Mord heraus. Und auch die Vergewaltigung und der Mordanschlag auf eine Politikerin und ihre Assistentin fanden keine Aufklärung. Während das Mädchen wegen Drogenmissbrauchs einfach tot umgefallen ist, waren es im anderen Fall in weiße Schutzanzüge gehüllte Gestalten, die Frauen auf einer Liste angriffen, darunter eben auch die Politikerin Birte Reimers (Jördis Triebel). Anders als bei der Assistentin konnte in diesem Fall die mutige und diesmal besonders kampfeslustige Mila Sahin Birte Reimers aber vor Schlimmeren bewahren. Und auch Borowski stoppte Lohses geplanten Amoklauf ziemlich unspektakulär mit einem Schuss ins Knie des Angreifers. Spannung kam erst gegen Ende des Films auf, als Mila Sahin das Leben der Politikerin in deren Haus beschützen musste.

Keine gute Figur gab auch diesmal wieder der Verfassungsschutz ab, der die Ermittlungen wo es nur ging behinderte und ausgerechnet den Anführer Hank Massmann als „unbedenklich und gut“ einstufte. Die Gründe dafür blieben genauso im Dunkeln, wie die Identität der Angreifer in ihren weißen Anzügen. Die Spannung am Ende machte die langatmigen Schilderungen über weite Strecken aber durchaus wett. Das Thema „Frauenhass“ wurde hinreichend beleuchtet und die Verführung junger Menschen durch charismatische Anführer gut verständlich aufgezeigt. Alles in allem ein interessanter Streifen passend zum Weltfrauentag am 8. März, aber nicht unbedingt eine Krimimeisterleistung, wie man sie sonst aus Kiel kennt. /sis

Eine besonders kampfeslustige Mila Sahin (Almila Bagriacik) schützt Politikerin Birte Reimers (Jördis Triebel).
(Foto: NDR/Christine Schroeder)

Der vorherige Tatort aus Kiel “Borowski und der Fluch der weißen Möwe” war spannend von der ersten bis zur letzten Minute. Das kann man vom neuen Tatort zum Weltfrauentag nicht gerade sagen.

ARD/NDR Tatort “Der Fluch der weißen Möwe”: Haben Borowski (Axel Milberg) und Sahin (Almila Bagriacik) versagt? (Foto: NDR/Gordon Timpen)

Pure Langeweile mit Schweizer Schokolade

Pure Langeweile mit Schweizer Schokolade
Kritik zum Tatort Zürich „Schoggiläbe“
ARD Degeto Tatort “Schoggiläbe”: Müssen sich zusammenraufen: Kommissarin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher, re.) und ihre Kollegin Tessa Ott (Carol Schuler) (Foto: ARD Degeto/SRF/Sava Hlavacek)
Machtkampf zwischen Grossmutter und Enkelin: Mathilde Chevalier (Sibylle Brunner, li.) und Claire Chevalier (Elisa Plüss) (Foto: ARD Degeto/SRF/Sava Hlavacek)

Ein Leben auf der Schokoladenseite hatten Zürichs Profilerin Tessa Ott (Carol Schuler) und die vermeintliche Tochter des Mordopfers Claire Chevalier (Elisa Plüss) gemeinsam. Beide sind wohlbehütet in besten Verhältnissen aufgewachsen. Als Claires Vater, Leiter einer Schokoladenfabrik, ermordet wird, treffen die beiden wieder aufeinander. Das war aber für den Fall genauso unerheblich wie eine Reihe anderer Ereignisse, mit denen der Zuschauer in diesem zweiten Fall mit dem neuen Ermittlerteam aus Zürich gelangweilt wurde. Weder Tessas Frust über die Suspendierung, nachdem sie mit einer ungeladenen Waffe Isabelles Leben verteidigen musste, noch Isabelle Grandjeans (Anna Pieri Zuercher) Zorn über die ausgebliebene Beförderung waren für den Fall relevant. Auch die Geschichte um Claires profilneurotische Großmutter Mathilde (Sibylle Brunner), die sich plötzlich als Claires Mutter entpuppte, war völlig nebensächlich. Dazu kamen noch unverständliche Direktansprachen der Schauspieler an die Zuschauer, die auch so gar nicht in die eigentliche Geschichte passen wollten. Gerede von Obdachlosen, Schweizer Franken und Amnesty International. Beim Zuschauer erzeugte dieses „Durchbrechen der vierten Wand“ allenfalls Schulterzucken.

Alles in allem handelte es sich bei diesem Tatort  mit dem Titel “Schoggiläbe” um eine zähe Aneinanderreihung zusammenhangloser Ereignisse mit einem für Schweizer Verhältnisse skurrilen Ende: Claires schwuler und depressiver Vater wurde nicht ermordet, sondern hatte sich vom Bruder seines ungarischen Liebhabers umbringen lassen, weil er das allein nicht fertiggebracht hat.

Zu diesem Ergebnis kommen die Ermittlerinnen aber erst nach einer Reihe Irrungen und Wirrungen. Mal steht Claires Großmutter in Verdacht, weil sie sich einfach nicht aus der Leitung der Schokoladenfabrik raushalten kann. Mal steht Claire selbst in Verdacht, weil sie das neuere Testament ihres Vaters einfach verbrennt – typische Machtspielchen zweier Diven. Dann sind da noch die beiden Ungarn, der eine prostituiert sich, der andere ist arm, wie eine Kirchenmaus und natürlich eine illegale Haushalterin, die mit ihrer kleinen Tochter untertaucht, nachdem sie den vermeintlichen Mord mit angesehen hat. Dazu tut sich Tessa Ott schwer mit der Waffe, wird am Ende aber doch gezwungen, auf den Täter zu schießen.

Dieses wirre Durcheinander der Drehbuchautoren Stefan Brunner und Lorenz Langenegger führte zu ziemlicher Langeweile. Keine überraschenden Wendungen, kein richtiger Showdown, nichts, was einen Krimi interessant macht. Der Tatort aus Zürich war schon immer etwas anders. Besser ist er mit dem neuen Team bislang aber nicht geworden. /sis

Ist die Waffe diesmal geladen? Tessa Ott (Carol Schuler) muss ihre Kollegin verteildigen. (Foto: ARD Degeto/SRF/Sava Hlavacek)

Es kann ja nur noch besser werden, hatte man schon nach dem ersten Tatort “Züri brännt” mit dem neuen Ermittlerteam aus Zürich gehofft. Bislang ist es das nicht.

ARD Degeto Tatort “Züri brännt”: Kommissarin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher), Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler) und Staatsanwältin Anita Wegenast (Rachel Braunschweig) (Foto: ARD Degeto/SRF/Sava Hlavacek)

In unerträglicher Genüsslichkeit vorgeführt

In unerträglicher Genüsslichkeit vorgeführt
Kritik zum Tatort Dortmund „Heile Welt“
ARD/WDR Tatort “Heile Welt”: Die Mordkommssion Dortmund mit neuer Kollegin: Martina Bönisch (Anna Schudt), Jan Pawlak | (Rick Okon), Peter Faber (Jörg Hartmann, sitzend), Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger, v.l.n.r.) (Foto: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Menke)
Wo steckt ihr Sohn Hakim? Das wollen oder können Abdul Azim Khaled (Ferhat Keskin, 2.v.r.) und seine Frau Rana Khaled (Meryem Moutaoukkil, 2.v.l.) den Kommissaren Martina Bönisch (Anna Schudt, rechts) und Peter Faber (Jörg Hartmann, links) bei der Befragung im Wohnzimmer der Familie nicht verraten. (Foto: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Menke)

Rassismus, Polizeigewalt, Fake News, Social Media und die Auswirkungen auf die Betroffenen, all das versuchte Drehbuchautor Jürgen Werner in den neuen Tatort „Heile Welt“ aus Dortmund zu packen. Dass ein solches Vorhaben angesichts der Komplexität der Themen nur holzschnittartig gelingen kann, versteht sich von selbst. Wieder einmal wäre weniger hier entschieden mehr gewesen, zumal Regisseur Sebastian Ko Gewaltexzesse zwischen Extremen jeder Couleur in einer fast unerträglichen Genüsslichkeit vorführte, mittendrin Kommissarin Martina Bönisch (Anna Schudt), die nicht ganz unschuldig an den Ausschreitungen war. Ihr Partner und Kollege Peter Faber (Jörg Hartmann) begnügte sich in diesem Fall damit, seinen romantischen Gefühlen für Martina Bönisch nachzuhängen und lieber mit einem an Corona gescheiterten Geschäftsmann einen Schnaps zu viel zu trinken. Einzig die neue Kollegin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) kümmerte sich um die Ermittlungen, ließ sich aber allzu schnell manipulieren und vor den Karren linksextremer Polizeihasser spannen. Die ohnehin ziemlich respektlose Rosa schob Martina Bönisch nur allzu leichtfertig in die rechte Schmuddelecke, ohne sich über den Wahrheitsgehalt einer Videoaufzeichnung zu informieren. Und auch Kollege Jan Pawlak (Rick Okon) war mehr mit seiner Familie beschäftigt. Pawlaks Frau war verschwunden, wohin blieb genauso ungeklärt wie das Warum. Dann gab es da noch die obligaten Drogenhändler, gerne Ausländer, ohne die es offenbar in deutschen Tatorten nicht mehr geht. Der Mord an der jungen Bewohnerin einer Wohnmaschine mit Einkaufszentrum und Keller auf dem Dach war irgendwie Nebensache und wurde auch nicht durch polizeiliche Ermittlungen, sondern Kommissar Zufall gelöst. Am Ende hatten weder Rechtsradikalismus noch Polizeigewalt und Fake News etwas mit dem Mord zu tun, sondern nur eine gescheiterte Existenz, die nicht mit der abwertenden Behandlung durch die Gesellschaft und in diesem Fall speziell des Mordopfers zurechtkam.

Auch wenn der Tatort aus Dortmund mit einem Krimi nichts zu tun hatte, zeigte er doch in beeindruckender Weise, wie schnell eine rein zufällige, aber völlig harmlose Begegnung zu einem gefährlichen Zusammentreffen werden kann, die das berufliche und private Leben im Handumdrehen auf den Kopf stellt. Eine Alltagsszene ungeprüft weitergegeben durch eine Möchte-Gern-Journalistin, von denen es im Netz geradezu wimmelt, wird zum Alptraum und die Wahrheit zur Nebensache. Das allein hätte als Stoff für einen spannenden Krimi sicher schon ausgereicht! /sis

Kommissarin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger, links) ist neu in der Mordkommission. Als sie die Politbloggerin Annika Freytag (Jaëla Probst, rechts) in deren Büro befragt, hört sie von den Rassismus-Vorwürfen gegen ihre Kollegin Martina Bönisch, die sie nur allzu leichtfertig aufgreift. (Foto: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Menke)

Schon der letzte Tatort aus Dortmund mit dem Titel “Monster” war an Brutalität nicht zu überbieten.

ARD/WDR Tatort “Monster”: Was hat das Verschwinden von Jan Pawlaks (Rick Okon, Mitte) Tochter mit Peter Faber (Jörg Hartmann, rechts) zu tun? Nora Dalay (Aylin Tezel) versucht, ihren Kollegen zurückzuhalten. (Foto: WDR/Thomas Kost)

Eine Geschichte voller Zufälle und Missverständnisse

Eine Geschichte voller Zufälle und Missverständnisse
Kritik zum Tatort Ludwigshafen „Hetzjagd“
ARD/SWR Tatort “Hetzjagd”: Marias schlimmste Befürchtungen bewahrheiten sich, als sie am Rheinufer die Leiche ihres Freundes Tilmann sieht, dessen Tod von Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) untersucht wird. (Foto: SWR/Jacqueline Krause-Burberg)

Etwas ratlos lässt der Tatort „Hetzjagd“ aus Ludwigshafen die Zuschauer zurück. War er gut? Nicht wirklich. War er schlecht? Auch nicht wirklich. Irgendwas zwischendrin. Tatsächlich hatte die Story einiges zu bieten. Insbesondere, dass Regisseur Tom Bohn sich auf die Stärke des Mediums Film besann und die Geschichte mehr in Bildern als in Dialogen erzählen ließ, wusste zu begeistern. Der Drehbuchautor, auch Tom Bohn, aber erlaubte sich einige Ungereimtheiten, die wiederum den gesamten Tatort konstruiert und wenig durchdacht erscheinen ließen.

Thomas Leonhard (Oliver Stritzel) hat damit gerechnet, dass die Kommissarinnen Odenthal (Ulrike Folkerts) und Stern (Lisa Bitter) sich über ein Eingreifen des Verfassungsschutzes nicht freuen. Aber wenn wirklich rechtsextreme Gruppen in den Fall verwickelt sind, geht kein Weg an ihm vorbei. (SWR/Jacqueline Krause-Burberg)

So ist absolut nicht nachvollziehbar, warum Mordopfer Nummer 1, der Konzertveranstalter Tillmann Meinecke, so dringend Polizeischutz wünschte, um dann ganz allein am frühen Morgen am einsamen Rheinufer entlang zu joggen. Auch wie die Freundin des Mordopfers, Maria Karich (Anna Herrmann), und die Freundin des vermeintlichen Täters, Hedwig Joerges (Anne-Marie Lux), ausgerechnet am selben Imbissstand im benachbarten Mannheim aufeinandertreffen konnten, war mehr dem Zufall als einem intelligenten Konstrukt geschuldet. Wenig glaubwürdig war auch Marias respektloses Beschimpfen und Geduze der Kommissarinnen, das eher zu der angeblich rechtsradikalen Hedwig gepasst hätte, die aber wiederum sehr moderat und wenig aufbrausend daherkam. Dennoch gefielen kleine Gesten ganz besonders, wie etwa Edith Kellers (Annalena Schmidt) tiefe Betroffenheit über den Tod der Polizistin, die ganz ohne Worte auskam.

Die Geschichte selbst war wieder einmal und völlig unnötig im rechten Milieu angesiedelt. Tatsächlich soll Tilmann Meinecke von dem völlig verblendeten Ludger Reents (Daniel Noel Fleischmann) an diesem Morgen ermordet werden. Er unterstreicht seine Entschlossenheit gegenüber seiner Freundin Hedwig mit lautem Nazigebrüll. Doch Ludger kommt zu spät. Meinecke, der vorzugsweise Rockkonzerte „gegen Rechts“ veranstaltet, liegt schon tot am Rheinufer. Dass das den Verfassungsschutz in Person von Thomas Leonhardt (Oliver Stritzel) stilecht in Lederjacke auf den Plan ruft, war genauso klar wie unnötig. Leonhardt behinderte die Ermittlungen von Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) wenig bis gar nicht, trug aber auch nicht zur Aufklärung des Falles bei. Verfassungsschutz musste eben sein, weil der vermeintliche Mörder aus der rechten Szene kam, auch wenn er sonst in dieser Geschichte überhaupt keinen Sinn hatte.

Ebenfalls entbehrlich und in keiner Weise nachvollziehbar, geschweige denn die Motivation glaubhaft erklärt, war der Mord an der Polizistin. Ludger wird zusammen mit seiner Freundin Hedwig von einer Polizeikontrolle angehalten, er steigt aus, zieht die Waffe und ballert völlig unmotiviert drauf los. Natürlich wird er sofort geschnappt, während Hedwig auf der Suche nach einem Schlafplatz ausgerechnet auf die Freundin von Meinecke trifft und mit ihr zusammen die Nacht in einem Hotel verbringt. Als beide endlich verstehen, auf wen sie sich da jeweils eingelassen haben, kommt es zum Showdown, der wieder wenig nachvollziehbar war: Eben verstehen sich die Mädchen noch gut, da greift sich Maria ein Messer und Stich Hedwig nieder. Dabei hatte Hedwig weder etwas mit dem Mord an Marias Freund noch an der Polizistin zu tun. Eine Geschichte voller Zufälle und Missverständnisse eben, aber doch nicht völlig uninteressant.  /sis

Der Zufall hat sie zusammengebracht, als sie nicht wussten wohin, nun teilen sich Maria (Anna Herrmann) und Hedwig (Anna-Maria Lux) ein Hotelzimmer. Sie verstehen sich, bis endlich klar wird, auf wen sie sich jeweils eingelassen haben. (Foto: SWR/Patricia Neligan)

Der letzte Tatort aus Ludwigshafen “Unter Wölfen” führte die Zuschauer in den Wilden Westen.

ARD/SWR Tatort “Unter Wölfen”: Lena (Ulrike Folkerts, links) und Johanna (Lisa Bitter) müssen den Mord an einem Clubbetreiber aufklären. (SWR/Jacqueline Krause-Burberg)

 

Dringendes Problem in eine spannende Geschichte verpackt

Dringendes Problem in eine spannende Geschichte verpackt
Kritik zum Tatort Dresden „Rettung so nah“
ARD/MDR Tatort “Rettung so nah”: Karin Gorniak (Karin Hanczewski, re.), Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) und Leo Winkler (Cornelia Gröschel) inspizieren das Lager einer Obdachlosen unter den Elbbrücken (Foto: MDR/MadeFor/Daniela Incoronato)

Schwieriges Thema, spannende Umsetzung und ein Ermittlerduo auf Augenhöhe, so wünscht man sich den Tatort. Drehbuchautor Christoph Busche hatte sich für den Tatort mit dem Titel „Rettung so nah“ die Probleme der Rettungsdienste ausgesucht. Welchen Bedrohungen die Retter Tag für Tag ausgesetzt sind, stand dabei im Vordergrund. Busche machte aber auch nicht vor der Beschreibung der anderen Seite halt. Er stellte die Eignung von Rettungssanitätern in Frage, die unter Drogeneinfluss Kranken oder Schwerverletzten zur Hilfe eilen. Können sie ihren Dienst dann noch im Interesse der Patienten ausführen? Was ist mit der moralischen Eignung von Rettern, die sich aus Angst vor Übergriffen bei ihren Einsätzen bewaffnen oder die die Rettungswache als kostenlosen Lieferanten von Medikamenten betrachten. In diesem Umfeld müssen die Dresdner Kommissarinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) nach dem Mörder des Rettungssanitäters Tarik Wasir (Zeihun Demirov) suchen. Auch ein ausländerfeindlicher Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, nachdem seine Kollegin Greta Blaschke (Luise Aschenbrenner) davon sprach, dass Tarik sich offenbar verfolgt fühlte. Tatsächlich aber ist es Greta selbst, die von Jens Schlüter (großartiger Golo Euler) ins Visier genommen wurde, nachdem Greta bei der Versorgung von Schlüters Tochter, die einen allergischen Schock erlitten hatte, im Drogenrausch vielleicht einen Fehler gemacht und damit den Tod des kleinen Mädchens verursachte. Nach einem weiteren Anschlag auf einen Rettungswagen der Wache, stellt Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) die gesamte Wache unter Polizeischutz und schickt Karin Gorniak mit Greta zu den Einsätzen. Nachdem der vermeintliche Täter gefasst ist, wird der Polizeischutz aufgehoben. Greta aber weiß, dass Schlüter weiter auf Rache sinnt und bietet dem vermeintlichen Mörder in dessen Haus die Stirn. Das kostet sie fast das Leben.

Dem Tatort gelang es, die Probleme der Rettungsdienste in eine berührende und zugleich ungemein spannende Geschichte zu verpacken. Der Zuschauer blieb mit der Frage zurück, was in einer Gesellschaft falsch läuft, die diejenigen angreift, beschimpft und bedroht, die anderen helfen wollen. Eine Frage, die dringend einer Antwort bedarf. Für beste Krimiunterhaltung sorgten dabei Gorniak und Winkler, die erstmals auf Augenhöhe agierten. Gorniak bekam mehr Raum in diesem Tatort, Winkler stand nicht mehr allein im Mittelpunkt. Dazu gab es noch ein bisschen Hygieneerziehung für das Publikum: Ganz Dresden litt zur Spielzeit an einer Grippe, nieste aber vorbildlich in die Armbeuge und desinfizierte sich die Hände! Corona lässt schön grüßen! /sis

Karin Gorniak (Karin Hanczewski, li.) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) ermitteln in “Rettung so nah” erstmals auf Augenhöhe. (Foto: MDR/MadeFor/Daniela Incoronato)

Das war in den bisherigen Tatorten der beiden aus Dresden nicht der Fall. In “Parasomnia” zum Beispiel stehen Talias Tagträume und Leonie Winklers Versuche, das Mädchen zu beruhigen im Vordergrund.

ARD/MDR Tatort “Parasomnia”: Talia (Hannah Schiller, re.) leuchtet aus dem Schlaf aufgeschreckt mit einer Taschenlampe, neben ihr im Bett schläft Leonie Winkler (Cornelia Gröschel). (Foto: MDR/MadeFor/Daniela Incoronato)

Ein starker Abgang für Olga Lenski

Ein starker Abgang für Olga Lenski
Kritik zum Polizeiruf 110 „Monstermutter“
ARD/rbb Polizeiruf 110 “Monstermutter”: Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski (Maria Simon, l.) spürt die flüchtige Täterin Louisa „Lou“ Bronski (Luzia Oppermann, r.) auf und gerät ernsthaft in Gefahr. (Foto: rbb/Eikon/Oliver Feist)
Wo ist Olga und hat ihr Verschwinden etwas mit der flüchtigen Täterin zu tun? – Dienststellenleiter Karol Pawlak (Robert Gonera, r.) bespricht die akute Gefahrenlage mit Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz, l.) und Polizeihauptmeister Wolfgang Neumann (Fritz Roth, Mitte). (Foto: rbb/Eikon/Oliver Feist)

Zehn Jahre ermittelte Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski (Maria Simon) erst an der Seite von Horst Krause, seit 2015 mit Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lukas Gregorowicz) im Dienst des deutsch-polnischen Polizeikommissariats bei Frankfurt an der Oder. Nicht immer wusste das Team Lenski/Raczek zu begeistern, der letzte gemeinsame Fall “Monstermutter” aber hatte es wahrhaft in sich. Die überzeugende Geschichte von Drehbuchautor und Regisseur Christian Bach führte den Zuschauer in die Welt einer jungen Mutter, die sich, geprägt durch ihre eigene Vergangenheit, mit den Fäusten durchs Leben schlägt.

Luisa „Lou“ Bronski (Luzia Oppermann) kommt nach zwei Jahren aus dem Gefängnis frei und hat nur ein Ziel: Sie will ihre Tochter zurückhaben, die vom Jugendamt in einer Pflegefamilie irgendwo in Brandenburg untergebracht wurde. Als Lou schließlich auf Kriminalkommissarin Olga Lenski trifft, nimmt sie sie kurzerhand als Geisel und macht sich mit ihr zusammen auf die Suche nach ihrem Kind. Sie bietet Adam Raczek und dem Team um Chef Karol Pawlak an, Olga freizulassen, wenn sie im Gegenzug ihre Tochter bekommt. Bei ihrem Trip durch Brandenburg lernen Olga und mit ihr die Zuschauer Lou besser kennen, erfahren von ihrer verkorksten Jugend, ihrer abweisenden Mutter und der Tatsache, dass ihr das Leben nur dann etwas übrigließ, wenn sie es sich unter Einsatz von Gewalt genommen hat. Olga, selbst Mutter und von ihrer Rolle als Alleinerziehende scheinbar überfordert, entwickelt Verständnis für Lou. Sie schafft es sogar, sie zur Aufgabe zu bewegen. Doch leider zu spät. Der tödliche Schuss des Sondereinsatzkommandos trifft Lou just in dem Moment, in dem sie Olga ihre Waffe zurückgibt.

Spannend von der ersten bis zur letzten Minute, hoch emotional und zum Schluss auch noch ein bisschen wehmütig, wenn Olga Lenski wie immer mit den Händen in den Hosentaschen in eine neue Zukunft davon geht, war dieser Polizeiruf 110 einer der besten aus Frankfurt an der Oder. Schade, dass ausgerechnet jetzt Schluss ist für Lenski und Raczek, die in ihrem letzten Fall endlich so etwas wie Empathie füreinander entwickelten. /sis

Raczek (Lucas Gregorowicz, l.) ist sauer, weil Lenski  (Maria Simon, r.) ihn nicht über ihre Kündigung informiert hat. (Foto: rbb/Eikon/Oliver Feist)

Schon vor einem Jahr hatte Maria Simon ihren Ausstieg aus dem Polizeiruf 110 angekündigt: “Heilig sollt ihr sein

ARD/rbb Polizeiruf “Heilig sollt ihr sein”: Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski (Maria Simon, mi), Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz, re) und ihr Kollege Wiktor Krol (Klaudiusz Kaufmann, li) haben die schwierige Aufgabe, eine Geiselnahme im Gefängnis zu deeskalieren. (Foto: rbb/Arnim Thomaß)

Hundeerziehung ohne Stress für Mensch und Tier (Teil III)

Hundeerziehung ohne Stress für Mensch und Tier (Teil III)

Missverständnisse beherrschen den Alltag

Wölfe müssen auf der Jagd zusammenarbeiten. Verletzungen zum Beispiel wegen Kämpfen um die Rudelführerschaft würden das ganze Rudel schwächen. Foto: Vincent Boulanger/Pixabay)
Wölfe müssen auf der Jagd zusammenarbeiten. Verletzungen zum Beispiel wegen Kämpfen um die Rudelführerschaft würden das ganze Rudel schwächen. (Foto: Vincent Boulanger/Pixabay

 

Ging es in den ersten beiden Teilen der Reihe um Lern- und ungeeignete Erziehungsmethoden, wollen wir uns im dritten Teil mit den Missverständnissen beschäftigen, die uns den Alltag mit unseren Hunden schwer machen. Wenn Erziehung nicht ordentlich stattgefunden hat und das Verständnis für den Hund fehlt, dann kommen die Tiere nicht selten ins Tierheim mit dem Argument: Der Hund ist aggressiv, er bedroht oder beißt gar die Familienmitglieder. „Der Hund ist dominant“, heißt es dann meist! Er will den Menschen beherrschen, ihn unterordnen. Das machen alle Hunde so, sie wollen im “Rudel bestimmen”. Wenn diese Überlegung stimmt, dann hieße das: Jeder Hund steht morgens auf, um zu schauen, ob er inzwischen die Herrschaft übernehmen kann! Und das ist natürlich ein völliger Unsinn. Nie hat es im Verhältnis Mensch/Hund je ein größeres Missverständnis gegeben als mit Blick auf die so genannte Dominanz. In diesem Zusammenhang wird dann gerne auf den Alphawolf im Wolfsrudel verwiesen. Aber: In dem Moment, in dem der Alphawolf sein Rudel mit Dominanz beherrschen muss, verliert er auch schon! Der Alphawolf ist souverän und niemals dominant! Im Wolfsrudel gilt das Prinzip des “Überlebens”. Überleben kann ein Rudel nur dann, wenn es gemeinsam – also mit allen verfügbaren Kräften – jagen kann. Streitigkeiten im Rudel mit Dominanz auszuräumen, hieße eine Unmenge Energie zu vergeuden, Energie, die zur Jagd gebraucht wird. Auf den Hund gebracht heißt das wiederum: Wenn Herrchen und Frauchen ihren Hund nur mit Dominanz beherrschen, braucht der Hund nur auf eine Schwäche zu warten, um den “Alpha” abzusetzen! Einen Hund dominieren zu wollen, ist mithin auch mit Blick auf das in diesem Zusammenhang gern zitierte Wolfsrudelverhalten absolut falsch. Dazu ein Tatsachenbericht: Ein Hundetrainer rühmte sich lange Zeit, alle Hunde zu “dominieren”! Mit Strenge herrschte er über die Tiere, mit Strenge und unbedingtem Verlangen nach Gehorsam erzog er sie. Die Hunde ließen sich das über einen langen Zeitraum widerstandslos gefallen. Bis der Trainer eines Tages mit einer Grippe auf den Trainingsplatz kam. Einer der Hunde griff ihn an! Er hatte die “Schwäche” des “Alphas” erkannt und ihn abgesetzt! Dieser Trainer ist nie mehr auf einen Trainingsplatz gegangen. Gut so! Und hier sind wir wieder an dem Punkt, den wir schon einmal hatten: Es kann immer etwas passieren! Man steckt nicht im Kopf seines Hundes. Wenn wir also weiter unsere Hunde auf den unzähligen Hundeplätzen und in Hundeschulen mit dem Ziel der “Dominanz” erziehen, dann schaffen wir uns die Monster, die Menschen angreifen letztlich selbst. Wer den Hund mit Dominanz behandelt, verliert seine Souveränität. Und wer seine Souveränität verliert, dessen Alpha-Position ist schon angekratzt! Der Hund braucht nur noch auf die Schwäche zu warten!

Ein Alphaproblem hat auch jeder “Wachhund”. Sie schaffen sich einen Hund an, der Sie bewachen soll. Dann müssen Sie ihm auch die berühmt-berüchtigte “Alpha-Position” in Ihrem Leben einräumen. Denn: In einem Wolfsrudel verteidigt nur ein einziger Hund eventuell attackierte andere Rudelmitglieder: der Alpha! Wenn Sie Ihrem Hund diese Alpha-Position nicht einräumen, dann müssen Sie ihn verteidigen. Wenn Sie also auf der Straße einem anderen Hund begegnen, der Ihren Hund angreift, dann müssen Sie dazwischen gehen und Ihren Hund verteidigen! Verlangen Sie, dass Ihr Hund Sie beschützt, dann können Sie nicht die Nummer eins im Rudel sein! Wenn Sie die Nummer eins sein wollen, dann müssen Sie auch die Aufgaben der Nummer eins übernehmen! Das sind die typischen Missverständnisse zwischen Mensch und Hund, die nicht selten in Aggressionen münden.

 Der Hund spricht nicht unsere Sprache!

Ein Husky muss laufen, jeden Tag! (Foto: StockSnap/Pixaby)

Die Hauptprobleme mit den Hunden entstehen, weil sie zu wenig Auslauf haben. Hier muss man den eingangs in Zusammenhang mit der Auswahl des Tieres näher beleuchteten Aspekt des “Lebenssinns des Hundes” im Auge haben. Ein Husky muss laufen! Und ein Hund muss beschäftigt werden! Man kann nicht erwarten, dass er den ganzen Tag friedlich in der Ecke liegt, bis man selbst Lust und Laune verspürt, ein paar Schritte mit ihm um den Block zu trollen! Und Probleme entstehen, weil wir die Körpersprache der Hunde nicht beherrschen. Der Hund aber “liest” den Menschen. Wenn nun Stimmlage und Körpersprache nicht zusammenpassen, dann kommt es zwangsläufig zu Konfliktsituationen, die natürlich beileibe nicht immer besonders ernsthaft ausfallen müssen. Also: Hunde lesen unsere Körpersignale ganz exakt. Beispiel: Der Hund soll zu uns kommen, er ist uns vielleicht beim Spaziergang zu weit weggelaufen. Wir brüllen mit lauter Stimme und gestikulieren mit den Arm: Kommst du jetzt endlich her! Der Hund hört unsere durch die Lautstärke und Aufregung hohe Stimme und versteht: “Das machst du aber gut! Mach weiter!” Die hohe Stimme bedeutet für ihn etwas Positives! “Alles in Ordnung mein Junge, renn nur weiter!” Das Gestikulieren mit den Armen und die Nervosität wertet er aber als negativ: Mann, denkt er, ist Frauchen wütend, da bleib ich doch lieber weg! Noch besser wird es, wenn wir nun hinter dem Hund herrennen. Wir schreien laut “kommst du her!” und rennen los. Der Hund denkt: Tolles Spiel! Mal sehen, ob sie mich kriegt! Das “Sen der Hundeerziehung” ist aber: Tief Luft holen und immer die Ruhe bewahren!

Dass Hunde sehr feine Antennen für Stimmungen haben, weiß jeder, der einen Hund besitzt. Er spürt jede noch so kleine Aufregung. Ein klassisches Beispiel dafür ist die bereits erwähnte Begegnung mit einem anderen Hund: Der Hund wird die Aufregung, Befürchtung, Nervosität, was auch immer, die Frauchen oder Herrchen schon lange vor der eigentlichen Begegnung ausstrahlen spüren, er empfindet diese Aufregung als “Bedrohung”. Und wird gleichfalls nervös! Wenn Sie jetzt auch noch anfangen zu flüstern, haben Sie schon verloren: Hunde (und Wölfe) sind nur aus zwei Gründen ganz leise: Beute oder Feind in der Nähe! Entsprechend hoch ist die Aufmerksamkeit des Hundes, wenn Herrchen oder Frauchen mit leisen Tönen kommen! Deshalb gilt: Sich selbst und die Signale, die man dem Hund übermittelt, genau kontrollieren und mit Blick auf das Hundeverständnis abstimmen.

Aggressionsauslöser finden und vermeiden

Wer von seinem Hund beschützt werden will, muss ihm auch die Rolle des Beschützers lassen. (Foto: Pehjakroon/Pixabay)

Auf den Alltag übertragen bedeutet dies: Es gilt Aggressionsauslöser zu finden und in der Folge zu meiden. Wenn der Hund also beim Spaziergang auf andere Hunde mit Aggression reagiert, ist es besser, die Begegnung zu vermeiden. Aggressionsauslöser können nun unterschiedlichster Art sein. Sie können auf den beispielhaft aufgeführten und zahlreichen anderen Missverständnissen basieren. Der Hund hat nicht gelernt, dem Menschen zu vertrauen, er ist nicht “erzogen”, er wurde mit Gewalt “erzogen” oder er zeigt rassespezifische Verhaltensprobleme. Hier sind wir also wieder beim Zuchtziel. Ist das Zuchtziel Schutzhund, Wachhund, dann habe ich einen Alpha-Hund. Will ich diese Position, habe ich ein Problem. Jagdhund: Er rennt nach allem, was sich bewegt. Hütehund: Er hat einen ausgeprägten “Schutztrieb”, und so weiter und so weiter. Also muss jeder Hund in erster Linie nach seinen rassespezifischen Merkmalen eingeordnet werden. Auch gab und gibt es bei bestimmten Rassen in der Zucht Probleme: Man erinnere sich in diesem Zusammenhang an die Golden Retriever-Wut. Damit kann man einen Teil der möglichen Aggressionsauslöser schon festschreiben. Dann muss das Verhalten des Tieres beobachtet werden. Nicht gewünschtes Verhalten muss anhand geeigneter, dem Tier entsprechenden Trainingsmethoden abtrainiert werden. Und das mit Ruhe und Geduld!

Häufiger Auslöser von Aggressionen sind auch nicht erkannte Schmerzen. Man kennt das Phänomen von den Jagdhunden: Wenn sich ein Jagdhund während der Jagd verletzt, rennt er so lange der Beute hinterher, bis er sie endgültig hat. Erst dann bricht er zusammen und schreit vor Schmerzen. Der Grund ist ein von der Natur vorgegebener. Die Aggression schüttet im Gehirn das gleiche Hormon aus, wie beim schnellen Hinterherhetzen etwa hinter einer Beute. Dieses Hormon dämpft den Schmerz. Wenn also ein Hund urplötzlich “aggressiv” reagiert und dann nicht selten seine eigenen Familienmitglieder angreift, dann kann das auch auf einen Schmerz hindeuten. Bekannt ist hier beispielsweise der Fall eines Rottweilers: Er griff sein Frauchen völlig unvermittelt nach einem langen Spaziergang an. Der Hund lag müde auf dem Flur. Als sein Frauchen an ihm vorbeigehen wollte, sprang er auf und biss sie in den Arm. Die Frau ließ ihren Hund nicht einschläfern, wie ein bekannter Schlagerstar, sondern brachte ihn zum Tierarzt. Der fand heraus, dass der Hund an einer Hüftgelenksfehlstellung litt. Der Hund wurde operiert und kuriert! Hüftgelenksdysplasie gerne beim Schäferhund, Probleme der Hunde mit Flachnasen, Zahnprobleme und Kopfprobleme bei Hunden mit schmalgezüchtetem Kopf – Dobermann -, übersteigertes Gehör beim Berner Sennenhund, all das sind schon “rassespezifische” Probleme, die bei Aggressionen immer mit ins Kalkül gezogen werden müssen. Auf Aggression gezüchtet werden zum Beispiel sogar die ach so niedlichen West-Highland-Terrier, die einst dazu gebraucht wurden, um Kaninchen aus ihren Bauten zu holen. Wer weiß das aber, wenn er die hübschen kleinen weißen Kerlchen in der Hundefutter-Werbung durch die Wohnung flitzen sieht! Nun kann man einen “wild gewordenen Westie” leicht beherrschen. Einen Rottweiler, Schäferhund, Dobermann oder Mastiff dagegen lässt sich nicht so schnell wieder zur Raison bringen. Aggressionsauslöser zu finden und zu meiden ist da sicher die bessere Lösung. Bleibt noch zu erwähnen, dass mit jedem Aggressionsschub natürlich die Hemmschwelle beim Tier sinkt. Auch hier ist das “Vermeiden” die bessere Lösung als das gewaltsame Beenden einer dann bereits bestehenden Aggressionssituation.

Körpersignale beachten

Die Rasse eines Hundes hat viel mit seinem instinktiven Verhalten zu tun. (Foto: JamesQube/Pixabay)

Aggressionen vermeiden kann man auch durch die ausgesendeten Körpersignale. Zum einen erkennt man an den Signalen des Hundes, in welcher Stimmung er sich befindet. Ein aggressiver Hund stellt das Nackenhaar! Wenn Hunde sich begegnen, sind sehr schön die einzelnen Beschwichtigungssignale zu beobachten: Die Natur hat dem Hund ein ganzes Repertoire an möglichen Signalen mitgegeben, die ihm helfen, einen echten Kampf zu vermeiden. Das gilt im Übrigen auch für die Wölfe. Stellen Sie sich vor, die Kerle würden sich bei ihren Streitereien permanent verletzen, dann wäre wieder der Jagderfolg und damit das Überleben des ganzen Rudels gefährdet. Gehen Hunde frontal aufeinander zu, ist der Kampf vorprogrammiert. Geht einer der Hunde in Schlangenlinien, signalisiert er dem anderen: Ich tu Dir nichts, ich will mal gucken, wer du bist. Interessant in diesem Zusammenhang: Die Kopfstellung. Nicht nur das frontale Aufeinanderzugehen wird vermieden, sondern auch das direkte “Aug um Aug!” Einer der beiden legt den Kopf schief! Diese und zahlreiche andere Signale kann sich auch der Mensch im Umgang mit dem Hund zunutze machen. Ich habe eingangs bereits erwähnt, nie mit der flachen, offenen Hand auf einen Hund zugehen, sondern ihm den Handrücken bieten. Nie dem Hund direkt in die Augen schauen, den Kopf ein wenig schräg halten. Auf die Stimme achten: ruhige, hohe Stimme heißt “alles klar”, tiefe, drohende Stimme “lass das!” Leise Töne bedeuten “Feind oder Beute in der Nähe”. Laute Stimme: “Weiter so”. Es gibt also mit Hilfe der Körpersprache eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um sich auch einem fremden Hund gegenüber einigermaßen ungefährdet nähern zu können. Man muss diese Signale aber kennen! Es gibt ausgezeichnete Fachliteratur zum Thema Körpersprache und Ausdrucksverhalten von Hunden und Wölfen.

 

 

Kurz und bündig

Lassen Sie dem Hund seinen Distanzrahmen

Nähern Sie sich ihm mit dem Handrücken

Beobachten Sie sein Verhalten – über einen längeren Zeitraum

Beobachten Sie Ihr Verhalten

Signalisieren Sie ihm durch die Haltung Ihres Kopfes und Ihrer Stimme: Es ist alles in Ordnung.

Und denken Sie daran: Es kann immer etwas passieren. Sie stecken nicht im Kopf dieses Hundes! Wer das nicht akzeptiert, hat das Wesen des Hundes nicht verstanden!

 

Hundeerziehung ohne Stress für Mensch und Tier Teil I finden Sie hier und Teil II hier

Das war einmal mehr gar nichts!

Das war einmal mehr gar nichts!
Kritik zum Tatort Hamburg „Tödliche Flut“
ARD/NDR Tatort “Tödliche Flut”: Imke (Franziska Hartmann, l.) beschuldigt Stadtrat Lohmannn (Jonas Hien, r.). Julia Grosz (Franziska Weisz, 2. v.l.) und Falke (Wotan Wilke Möhring 2. v.r.) ermitteln. (Foto: NDR/Christine Schroeder)
Imke (Franziska Hartmann) reißt Falke (Wotan Wilke Möhring) mit in die tödliche Flut. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Düstere Inselbilder, eine vorhersehbare Geschichte, dazu ein unglaubwürdiges Ende – der Tatort „Tödliche Flut“ mit den Kommissaren Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) wusste so gar nicht zu begeistern. Allenfalls die eigens für diesen Tatort komponierte und von der NRD Radiophilharmonie eingespielte Musik war außergewöhnlich gut. Ansonsten gab es – wieder einmal – überhaupt keine Spannung. Die Geschichte, die Imke Leopold (Franziska Hartmann), eine alte Bekannte von Falke, den Kommissaren auftischte, war von Anfang an ziemlich durchsichtig, ihr eigenes Verhalten mehr als verdächtig.

Übergriffige Imke Leopold

Als investigative Journalistin ist Imke Leopold auf der Suche nach dem ganz großen Skandal auf Norderney, in den nicht nur Stadtrat Lohmann (Jonas Hien) und der Bürgermeister (Veit Stübner), sondern auch Polizeichef Recker (Christoph Tomanek) verstrickt sein sollen. Imke wird von einem Unbekannten angegriffen und der einzige Zeuge liegt tot in seinem Haus. Während Falke mehr mit einem ausgiebigen Flirt mit Imke beschäftigt ist, erfährt Grosz von Imkes psychischen Problemen, die im Laufe der Geschichte immer deutlicher zutage treten und in einem Selbstmordversuch gipfeln. Sie stürzt sich in die herannahende Flut und nimmt Falke gleich mit. Grosz lässt mit Hubschrauber und Wasserpolizei nach ihnen suchen und findet schließlich Falke mit der toten Imke am Strand. Imke selbst hat den Mord begangen und Falke mit dem angeblichen Überfall nach Norderney gelockt.

Ein bisschen durchgeknallt aber nicht irre!

Als Krimi geht dieser Tatort aus der Feder von David Sandreuter, Arne Nolting und Jan Martin Scharf nicht durch, dazu gab es schlicht zu wenig kriminalistische Aktivitäten. Stattdessen machten es sich Imke und die beiden Kommissare in Großmutters Haus oder in der Kneipe gemütlich und plauderten über alte Zeiten. Auch Psychodrama trifft es nicht, dazu war Imke nun doch wieder nicht krank genug. Ein bisschen durchgeknallt war sie nur, ein bisschen besessen von ihrer Arbeit, ein bisschen unkontrolliert und sehr einsam. Aber bestimmt nicht irre! Als unterhaltsame Bilderreise auf der wunderschönen Nordseeinsel kann man den Film auch nicht bezeichnen, die wenigen Aufnahmen am Strand und in den Dünen konnten die vergleichsweise langen Innenszenen bei weiten nicht aufwiegen.

Im Grunde war dieser Tatort gar nichts, nicht einmal unterhaltsam. Einzig die Hoffnung auf überraschende Wendungen, vielleicht doch noch spannende Verstrickungen und einen dramatischen Showdown hielt den Zuschauer davon ab, sich vorzeitig zu verabschieden. /sis

Wo ist Falke? Julia Grosz (Franziska Weisz) kämpft gegen die Zeit. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Schon der letzte Tatort mit Falke und Grosz im Februar 2020 mit dem Titel “Die goldene Zeit” war eher blass (Bild NDR/Christine Schroeder): https://besser-klartext.de/merkwuerdig-blasser-tatort-aus-hamburg/

Unaufgeregt oder auch einfach langweilig

Unaufgeregt oder auch einfach langweilig
Kritik zum Tatort Stuttgart „Das ist unser Haus“
ARD/SWR Tatort “Das ist unser Haus”: Ulrike (Christiane Rösinger) bringt die Kommissare Bootz und Lannert (Richy Müller, re.) in den Gemeinschaftsraum des Hauses. (Foto: SWR/Benoit Linder)
Einfach wird das nicht für die Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller, li.) und Sebastian Bootz (Felix Klare), sie haben es bei ihren Befragungen gleich mit einem ganzen Kollektiv zu tun. (Foto: SWR/Benoit Linder)

Gelungene Milieustudie, bitterböse Satire, witzige Komödie: Der neue Tatort aus Stuttgart mit dem Titel „Das ist unser Haus“ war einmal mehr alles, nur kein spannender Krimi. Wem es Spaß macht als heimlicher Zuschauer bei lächerlichen Stuhlkreissitzungen völlig durchgeknallter Ökofreaks dabei zu sein, der kam vielleicht auf seine Kosten. Auch Satirefans dürften sich über diesen Tatort aus der Feder von Regisseur Dietrich Brüggemann und Co-Autor Daniel Bickermann gefreut haben. Für Freunde spannender Krimis aber blieb nur auf Inspector Barnaby zu hoffen, der etwas später auf dem Konkurrenzsender einem wirklich skurrilen Mord aufzuklären hatte.

Im Stuttgarter Tatort ging es eher gemächlich zu. Unaufgeregt, wie die Öffentlich-Rechtlichen ihre Krimis gerne haben wollen. Man könnte auch langweilig sagen. Sicher waren die Lebenseinstellungen der neun WG-Bewohner schon recht spleenig und damit komisch. Die Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) jagten aber zwei Drittel der Filmzeit hinter der falschen Leiche her und lernten dabei die merkwürdigen Bewohner des Hauses mit der treffenden Bezeichnung „Oase Ostfildern“ einen nach dem anderen kennen – und der Zuschauer mit ihnen. Am Ende entpuppte sich der Mord als Unfall und der Täter floh mit dem Fahrrad vor Lannerts Porsche. Wie lustig! Allenfalls die Erkenntnis der einzig älteren Hausbewohnerin (Christiane Rösinger), die die wahren Motive für ihren Einzug in die WG erläuterte, gaben dem Schluss der Geschichte etwas Reales, Greifbares. Nicht die Suche nach der idealen Wohngemeinschaft waren der Grund, sondern die Angst vor dem Sterben in Einsamkeit. Genau das war der vermeintlich Ermordeten in unmittelbarer Nachbarschaft des „WG-Hauses“ nämlich passiert – sie war gestorben und vor über einem Jahr in der Baugrube des WG-Hauses verbuddelt worden, ohne dass sie auch nur von einem einzigen Menschen vermisst worden war.

Der neue Tatort aus Stuttgart hatte eigentlich alles, was man von einem Agatha Christi-Krimi erwarten würde: ein Mordfall in einem schrägen Haus, viele schrullige Verdächtige, die alle als Mörder in Betracht kommen und zwei sympathische Kommissare. Was aber Agatha Christis Morde ausmacht, fehlte dem Tatort völlig: durch überraschende Wendungen erzeugte Spannung. Lannert und Bootz bekamen von den WG-Bewohnern die immer gleichen esoterischen Plattheiten vorgebetet. Und das war auf Dauer eben doch nur langweilig. /sis

Noch mitten in der Einzugsphase sind die Bewohner plötzlich nicht nur miteinander, sondern mit den Ermittlungen konfrontiert. Was wird aus der Gemeinschaft von Viktoria, Birgit, Wendelin, Martina, Marco, Karsten, Ulrike, Kerstin und Udo (v.l.n.r. Lana Cooper, Désirée Klaeukens, Eike Jon Ahrens, Anna Brüggemann, Joseph Bundschuh, Michael Kranz, Christiane Rösinger, Nadine Dubois und Oliver Gehrs)? (Foto: SWR/Benoit Linder)

Stasiauflauf in Köln

Stasiauflauf in Köln
Kritik zum Tatort aus Köln “Der Tod der anderen”
ARD/WDR Tatort “Der Tod der anderen”: Wo steckt Jütte? Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, r) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) streiten darüber, was zu tun ist, um ihren verschwundenen Kollegen zu finden. (Foto: WDR/Thomas Kost)
Bettina Mai (Ulrike Krumbiegel, l) steht unter Mordverdacht. Sie erpresst Kommissar Freddy Schenk (Dietmar Bär) – er soll beweisen, dass sie nicht schuldig ist. (Foto: WDR/Thomas Kost)

Etwas zwiespältig fällt die Resonanz auf den neuesten Tatort aus Köln mit dem Titel „Der Tod der anderen“ aus. Langatmig und doch kurzweilig präsentierte sich die Geschichte von Drehbuchautor Wolfgang Stauch, die den Zuschauer weit zurück in die deutsch-deutsche Geschichte führte, als Stasi-Mitarbeiter und Westeinkäufer sich noch richtig gut verstanden. Die Messe Leipzig und das so gar nicht sozialistische Gebaren der Ost- und Westbekanntschaften rund um das Messegeschehen standen schon zu häufig im Mittelpunkt einer Filmgeschichte, als dass sie noch groß zu begeistern wüssten. Etwas unglaubwürdig kam die massenhafte Ansammlung ehemaliger Stasi-Spitzel und ihrer westlichen Helfershelfer an einem Ort dann schon daher.

Die einst hohe IM Februar Bettina Mai (Ulrike Krumbiegel), Ost-Opfer Kathrin Kampe (Eva Weißenborn), der ehemalige West-Einkäufer Peter Wagner (Bernhard Schütz), Wendegewinnler Frank Heldt (Rolf Kanies) und Parteifreund Matteo Schneider (Moritz Führmann) versammeln sich in einem Kölner Hotel, um eine längst vergessene Fehde aus den guten alten Messetagen auszutragen. Kathrin Kampe inszeniert ihren Tod als grausamen Mord und zwingt so die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) zu ermitteln. Kampe hat den Ermittlern eindeutige Hinweise auf Hotelinhaberin Bettina Mai hinterlassen. Die aber denkt gar nicht daran, sich von Assistent Norbert Jütte (Roland Riebeling) verhaften zu lassen, entführt den völlig hilflosen Jütte kurzerhand und zwingt damit Freddy Schenk mit ihr zusammen nach dem wahren Mörder im Umfeld von Peter Wagner zu suchen, der sich gerade anschickt Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen zu werden. Ballauf, plötzlich auf sich allein gestellt, bekommt unerwartete Hilfe von der Spurensicherung, Natalie Förster (Tinka Fürst) steht ihm zur Seite bei der Suche nach Schenk und Jütte und der Stasivergangenheit von Bettina Mai.

Die Geschichte zog sich ziemlich in die Länge, wusste dann aber durch Jüttes Entführung und Freddys Alleingang doch zu überzeugen. Nur standen die Kommissare am Ende wieder einmal mit leeren Händen da. Es gab keinen Mord, dementsprechend auch keinen Mörder. Lediglich die beiden Entführungen und in diesem Zusammenhang einige Körperverletzungsdelikte lieferten strafrechtliche Relevanz. Und so blieb denn auch die Frage offen, was Bettina Mai für ihren nicht gerade zimperlichen Auftritt zu erwarten hat. Für ihre Vergehen aus Stasi-Zeiten konnten weder sie noch die anderen Akteure rund um Peter Wagner belangt werden, sie waren längst verjährt. Offen blieb auch die Frage nach Jüttes Wohlergehen, er wurde nach mehreren Tagen eingesperrt in einem Keller ohne Wasser und Essen ins Krankenhaus gebracht. Ob er nach dieser bitterbösen Erfahrung noch einmal auf seinen Assistentenposten bei der Kripo Köln zurückkehren wird, ist fraglich. Vielleicht wird er ja von der sympathischen Natalie Förster abgelöst, die eine wirklich gute Figur an Ballaufs Seite abgab. Man würde es sich wünschen, könnte sie doch frischen Wind in die Kölner Alt-Herren-Riege bringen. /sis

War es Mord oder Selbstmord? Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und seine Kollegin, die KTUlerin Natalie Förster (Tinka Fürst, rechts) stellen die Situation nach, in der Kathrin Kampe in ihrem Hotelzimmer zu Tode gekommen ist. (Foto: WDR/Thomas Kost)

 

Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär, r.) im Tatort “Gefangen” (Foto: WDR/Thomas Kost

Auch der vorige Kölner Tatort mit dem Titel “Gefangen” wusste zu überzeugen.

Das Ende der Leichtigkeit

Das Ende der Leichtigkeit
Kritik zum Tatort Weimar „Der feine Geist“
ARD/MDR Tatort “Der feine Geist”: Kira Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) vor der Parkhöhle. (Foto: MDR/MadeFor/Steffen Junghans)

Nur sehr schwer zu verstehen war der neue Tatort aus Weimar mit dem Titel „Der feine Geist“. Nicht nur akustisch ließ der Streifen aus der Feder von Drehbuchautor Murmel Clausen zu wünschen übrig, auch der Inhalt wirkte eher verworren: Eine Sicherheitsfirma, die nur Ex-Kriminelle als Mitarbeiter beschäftigt und sich wie eine große Familie fühlt, ein Papageien-Zoo, der offensichtlich mit den exotischen Vögeln handelt, dazu ein Raubüberfall, den der Chef der Kripo Weimar Kurt Stich (Thorsten Merten) der Konkurrenz des Sicherheitsunternehmens anlasten möchte, während er selbst von einer neuen Aufgabe träumt und dazu ein sichtlich gut gelaunter Lupo (Arndt Schwering-Sohnrey), der sich schon als Nachfolger Stichs sieht. Und natürlich Kommissarin Kira Dorn (Nora Tschirner), die zusammen mit Ehemann und Kollege Lessing (Christian Ulmen) mit der Renovierung eines alten Hauses beschäftigt ist. Sie werden unvermittelt Zeugen des Raubüberfalls, bei dem der Geschäftsführer der Sicherheitsfirma „Geist“ erschossen wird. Sie verfolgen den Täter, der eine rote Farbwolke hinter sich herzieht, bis in die Parkhöhle. Lessing wird scheinbar angeschossen und landet im Krankenhaus.

Soweit so gut. Dorn ermittelt allein, kommt den illegalen Geschäften mit den Papageien auf die Spur und erkennt, dass das Motiv für den Mord am Geschäftsführer und später dem Inhaber der Sicherheitsfirma John Geist (Ronald Zehrfeld) ein ganz anderes ist. Und plötzlich findet Lupo Lessing tot in der Höhle! Großes Fragezeichen! Wie kommt er aus dem Krankenhaus in die Höhle? Kira saß doch eben noch an seinem Krankenbett und hat ihm sogar eine liebevoll belegte Brotscheibe von Söhnchen „Zwerg“ (Jona Truschkowski) mitgebracht? Man braucht schon eine Weile, bis man kapiert, dass Lessing bei der anfänglichen Verfolgungsjagd nicht nur an-, sondern erschossen wurde und tot in der Höhle zurückblieb, bis Lupo ihn schließlich findet. Kira hatte sich nur eingebildet, dass er kurz nach ihr aus der Höhle gekrochen kam und dann wegen eines vermeintlichen Streifschusses im Krankenhaus lag. Sie sah ihn später gar als Geist am heimischen Küchentisch. Und selbst zum großen Showdown mit der Mörderin stand er noch immer an ihrer Seite. Im Schlussbild aber mit Lupo und Kurt Stich verschwindet er dann endgültig. Lessing ist tot!

Der sonst für seinen besonderen Witz bekannte Tatort aus Weimar war diesmal alles andere als witzig. Daran ändern auch ein paar komische Szenen nichts. Und witzig kann der Tatort aus Weimar auch nicht mehr werden, denn selbst wenn Kira Dorn künftig ohne Lessing ermittelt, wird sie nie mehr mit der bisherigen Leichtigkeit agieren können. Immerhin drehten sich die Fälle aus Weimar in erster Linie um das Paar Dorn/Lessing. Das gibt es nicht mehr. Und das bedeutet vermutlich auch das Aus für den Tatort aus Weimar. /sis

Die Revierfamilie Kurt Stich (Thorsten Merten), Kira Dorn (Nora Tschirner), Lessing (Christian Ulmen), Lupo (Arndt Schwering-Sohnrey) an der Ilm. (MDR/MadeFor/Steffen Junghans)

Der Tatort aus Weimar ist eigentlich bekannt für viel Humor wie in “Der letzte Schrey

ARD/MDR Tatort “Der letzte Schrey”: Frau Dr. Seelenbinder (Ute Wieckhorst) erklärt Kira Dorn (Nora Tschirner), Lessing (Christian Ulmen) und Kurt Stich (Thorsten Merten) ihre ersten Erkenntnisse nach Inspektion der Leiche.
(Foto: MDR/Steffen Junghans)

Entschieden zu viel des Guten

Entschieden zu viel des Guten
Kritik zum Tatort Ludwigshafen „Unter Wölfen“
ARD/SWR Tatort “Unter Wölfen”: Lena (Ulrike Folkerts) und Johanna (Lisa Bitter) haben ein Video sichergestellt, das erklärt, woher die guten Beziehungen ihres Hauptverdächtigen kommen. (Foto: SWR/Jacqueline Krause-Burberg)
Gerhard Arentzen (Thure Riefenstein, rechts) und seine muskelbepackte Einsatztruppe. (Foto: SWR/Jacqueline Krause-Burberg)

Einen blutrünstigen Tatort präsentierte Drehbuchautor und Regisseur Thomas Bohn seinen Zuschauern ausgerechnet am zweiten Weihnachtsfeiertag. Der vermeintliche Krimi entpuppte sich als knallharter Western mit einer schießwütigen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), die sich den Weg zum Zentrum des Bösen, das passender Weise in einem luxuriös ausgebauten Eisenbahnwagon residierte, im wahrsten Wortsinn frei schoss. Zum finalen Showdown aber stand sie dennoch einem übermächtigen Gegner gegenüber.

Und übermächtig scheinen auch private Sicherheitsfirmen zu werden, die immer mehr Aufgaben für den Staat übernehmen und sich dabei zu einer weiteren Machtebene entwickeln, die über Recht und Gesetz steht. So jedenfalls sieht es Gerhard Arentzen (Thure Riefenstein), arroganter und überheblicher Chef einer privaten Sicherheitsfirma in Ludwigshafen. Er hält sich für allmächtig und wer das nicht akzeptieren will, sieht sich den Fausthieben und Fußtritten seiner muskelbepackten Einsatztruppe ausgesetzt. Wer auch nach dieser Spezialbehandlung nicht klein beigibt, wird eben ganz aus dem Weg geräumt. So ergeht es auch dem Clubbetreiber Timur Kerala, der sich anschickte, Arentzen seine bevorzugte Position in der Stadt und im Land abzujagen. Lena Odenthal und Johanna Stern (Lisa Bitter) müssen schnell erkennen, dass Arentzen unter dem besonderen Schutz des Innenministers steht, der zusammen mit Oberstaatsanwalt Marquardt (Max Tidof) die Ermittlungen torpediert. Während Johanna Stern sich den Anweisungen von oben lieber fügen will, gerät Lena Odenthal regelrecht in Rage und macht sich auf einen ganz privaten Rachefeldzug, nachdem Arentzen ihre Wohnung zerlegt, Kater Mikesch getötet und die Tochter des Mordopfers, die unter Lenas Schutz stand, entführt hat. Zum Showdown steht Lena Arentzen und zwei seiner Bodyguards gegenüber. Nur gut, dass Johanna Stern und der Kollege von der Drogenfahndung gerade noch rechtzeitig dazukommen. Alle drei müssen von der Schusswaffe Gebrauch machen, um den unbesiegbaren Gegner schließlich doch niederzustrecken.

Abgesehen vom Ausflug in den Wilden Westen wartete dieser Tatort mit einer ganzen Reihe von Klischees auf: Üble Verquickungen von Politik und Sicherheitsbranche, menschliche Kolosse als Mitarbeiter mit typisch aggressivem Aussehen, keine Scheu vor dem Einsatz von Schusswaffen. Demgegenüber steht die kaputtgesparte Polizei, die durch den Draht in höchste politische Kreise auch noch machtlos zu sein scheint. Dazu ignorante Politiker, die nur ihre eigenen Interessen vertreten und karrieregeile Staatsdiener, die für den Sprung nach oben keine Schweinereien scheuen. Das war entschieden zu viel des Guten! /sis

Arentzen (Thure Riefenstein) hat Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) in den Ludwigshafener Hafen bestellt, um sie davon zu überzeugen, dass nicht er, sondern Gangs wie die des getöteten Kerala die Kriminellen sind. Dabei will er nur von sich und seinen kriminellen Verstrickungen ablenken. (Foto: SWR/Patricia Neligan)

Spannung durch brutale Grausamkeiten

Spannung durch brutale Grausamkeiten
Kritik zum Polizeiruf 110 aus Magdeburg „Der Verurteilte“
ARD/MDR Polizeiruf 110 “Der Verurteilte”: Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) schickt auf eigene Faust eine Suchmannschaft los. Sie sollen ein Waldstück nach den Leichen von zwei verschwundenen Frauen suchen. (Foto: MDR/filmpool fiction/Stefan Erhard)
Wegner (Sascha Gerssak) will Brasch (Claudia Michelsen) zeigen, wo er die Leichen der beiden vermissten Frauen angeblich vergraben hat. (Foto: MDR/filmpool fiction/Stefan Erhard)

Das war schon ein spannender Polizeiruf 110 aus Magdeburg. Die Spannung resultierte aber nicht aus der eigentlichen Geschichte, sondern einzig aus der brutalen Misshandlung von Kommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) durch den bereits wegen diverser Straftaten aufgefallenen, geistig eingeschränkten und äußerst aggressiven Gärtner Markus Wegner (Sascha Alexander Gersak). Mit Hilfe seiner ebenfalls geistig zurückgebliebenen Frau Annegret (Laura Tonke) lockt er Brasch in eine Falle und rächt sich mit grausamer Wut für die Ermittlungen gegen ihn.

Brasch sucht eine junge Frau, die nach einem Blind Date verschwunden ist. Sie findet eine erste Spur im Haus einer kürzlich verstorbenen Patientin der vermissten Altenpflegerin. Wegner hat auf dem Hof der Verstorbenen eine Scheune angemietet. Als Brasch ihn befragen will, verweigert er jede Mitarbeit. Bei der anschließenden Vernehmung aber gibt er unvermittelt zu, die Vermisste und eine weitere Frau getötet zu haben. Der Ehemann der zweiten Getöteten sitzt seit Jahren dafür im Gefängnis. Brasch hält Wegner für schuldig und stellt sich damit gegen ihren Chef Kriminalrat Uwe Lemp (Felix Vörtler) und Staatsanwalt Dellow (Jan-Peter Kampwirth). Denn bevor Gericht und Staatsanwalt einen Justizirrtum zugeben, friert bekanntlich die Hölle zu. Brasch aber lässt sich nicht einschüchtern und sucht trotz Suspendierung nach der Wahrheit. Dabei bietet sie Wegners Frau Hilfe an, wenn sie gegen ihren Mann aussagt. Das bringt Brasch schließlich in die Fänge des psychopathischen Ehepaares, die beide an den Tötungsdelikten beteiligt waren. Sie halten Brasch in einem Keller mit einer langen Leine um den Hals gefangen und misshandeln sie mit Faustschlägen, Fußtritten, grausamen Fesselspielen und einem Messerstich in den Rücken. Schließlich kommt bei Wegners Ehefrau doch so etwas wie Mitleid auf und sie verhilft Brasch zur Flucht.

Der Polizeiruf mit dem Titel „Der Verurteilte“ aus der Feder von Jan Braren erinnert an den grausamen Kriminalfall in Höxter, bei dem ein Ehepaar auch Frauen zu sich nach Hause lockte, sie misshandelte und tötete. Am Ende bleibt die Frage nach dem „Warum“. Was ist die Ursache für so viel Brutalität? Und der Film wirft eine weitere Frage auf, nämlich die nach den Unschuldigen, die für Taten im Gefängnis sitzen, die sie nicht begangen haben und die hartnäckige Weigerung der Justiz, sich einen Irrtum einzugestehen. Beides ist nur schwer zu ertragen, genau wie die im Film so drastisch vorgeführte Unmenschlichkeit! Weniger brutal hätte sicher auch gereicht. /sis

Brasch (Claudia Michelsen) gelingt schwer verletzt die Flucht aus den Fängen des psychopathischen Ehepaares. (Foto: MDR/filmpool fiction/Stefan Erhard)

Beste Krimiunterhaltung aus Wien

Beste Krimiunterhaltung aus Wien
Kritik zum Tatort Wien „Unten“
ARD Degeto Tatort “Unten”: Bibi Fellner (Adele Neuhauser), Manfred Schimpf (Thomas Stipsits), Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) am Tatort. (Foto: ARD Degeto/ORF/Superfilm/Philipp Brozsek)
Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) müssen Tina Kranzinger (Maya Unger, re.) zur Wahrheit erst überreden. (ARD Degeto/ORF/Superfilm/Philipp Brozsek)

Ein schwieriges Thema hatten sich die Drehbuchautoren Thomas Christian Eichtinger und Samuel R. Schultschik für ihren Wiener Tatort „Unten“ ausgesucht – Leben auf der Straße und die damit verbundenen Gefahren. In diesem Fall traf es einen obdachlosen Journalisten, der auch unter schlimmsten Bedingungen mit Leidenschaft seinem Beruf nachging, nur dass ihm wegen seines Alkoholproblems niemand mehr seine Geschichten abkaufen wollte. Nicht einmal Bibi Fellner (Adele Neuhauser) wollte ihrem ehemaligen Informanten Gregor Aigner (Jonathan Fetka) noch Glauben schenken. Umso niedergeschlagener war die Wiener Sonderermittlerin als sie in der in einem verlassenen Industriegelände aufgefundenen Leiche Gregor wiedererkannte. Ihre Schuldgefühle ließen sie denn auch erst einmal mehr hinter der Ermordung vermuten, als die am Tatort gefundenen Beweise eigentlich hergaben. Kollege Oberleutnant Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) ließ sich dennoch rasch von Bibis Zweifeln an einem Streit zwischen Obdachlosen um Drogen oder Alkohol überzeugen. In mühevoller Kleinarbeit ermittelten die beiden im Schneckentempo und wieder einmal gegen den ausdrücklichen Willen ihres Chefs „Ernstl“ Rauter (Hubert Kramar) zusammen mit Assistent Manfred „Fredo“ Schimpf (Thomas Stipsits) die wahren Hintergründe für Gregors Ermordung. Der hatte tatsächlich einen Riesenskandal um die von Anfang an sehr verdächtige Ärztin Dr. Steiner-Reeves (Jutta Fastian) und den Leiter des Obdachlosenheimes Frank Zanger (Michael Pink) aufgedeckt: Organhandel. Nur wollte ihm niemand glauben! Und dann wurde es am Ende richtig spannend: Als Fellner und Eisner schließlich doch auf der richtigen Spur waren und endlich den Standort der illegalen „Klinik“ herausgefunden hatten, ging es für eine gerade erst in die Obdachlosigkeit abgerutschte junge Frau (Johanna Wallner) und ihren Sohn Tobi (Finn Reiter), deren beklemmendes Schicksal den Zuschauern in einem zweiten Erzählstrang vor Augen geführt wurde, wahrhaftig um Leben und Tod. Dr. Steiner-Reeves hatte schon mit der Entnahme von Organen der jungen Frau angefangen, als die Wiener Sonderermittler mit einer Spezialeinheit gerade noch rechtzeitig die illegale „Klinik“ stürmten.

Obwohl die Geschichte an sich durch viele Personen und Umwege sehr in die Länge gezogen wirkte, verlor der Zuschauer doch nie das Interesse. Unaufgeregt gingen Bibi Fellner und Moritz Eisner zu Werke und doch mit viel Empathie für die Menschen und ihre Schicksale, denen sie im Laufe der Ermittlungen begegneten. Zusammen mit dem dramatischen Ende bot der Tatort aus Wien wieder einmal beste Krimiunterhaltung. /sis

Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) besuchen nach Abschluss der Ermittlungen noch einmal die Obdachlosen Sackerl-Grete (Inge Maux), die ihnen sehr geholfen hatte. (Foto: ARD Degeto/ORF/Superfilm/Philipp Brozsek)

Hundeerziehung ohne Stress für Mensch und Tier (Teil II)

Hundeerziehung ohne Stress für Mensch und Tier (Teil II)
Bild von Dorota Kudyba auf Pixabay

Ungeeignete Erziehungsmethoden

Nach dem ersten Teil, in dem es in erster Linie um die Lernmethodik ging, soll es in diesem zweiten Teil um ungeeignete Erziehungsmethoden gehen. Viele der früher gängigen Methoden sind heute längst überholt. So weiß man heute, dass es in freilebenden Wolfsrudeln zwar einen Leitwolf, aber keinen Chef gibt. Der „unterwirft“ Rudelmitglieder aber nicht, vielmehr hält er sein Rudel durch Souveränität zusammen. Würden Wölfe um den Chefposten kämpfen, wären permanent Tiere verletzt, die schließlich bei der Jagd fehlen. Gerade beim Jagen zeigt sich das ausgeprägte Teamgefüge des Rudels. Mit Dominanz (dazu später mehr) hat das nichts zu tun. Diese Erkenntnisse sind längst auch in die Hundeerziehung eingeflossen. Man führt seinen Hund mit Souveränität, nicht mit Strenge oder unterwirft ihn gar mit Gewalt. Vertrauen ist das Zauberwort. Der Hund muss wissen, dass sein Herrchen oder Frauchen alles für ihn regelt. Das gilt für Besucher zuhause genauso wie für Begegnungen mit aufmüpfigen Artgenossen auf dem Sparziergang. Herrchen macht das! Hilfsmittel, die Druck ausüben, oder Schmerzen verursachen, wie Stachelhalsband und Teletacter sind absolut tabu. Sie richten mehr Schaden an, als sie vorübergehend Nutzen versprechen, auch wenn beides noch immer verkauft wird.

Weg mit der Trillerpfeife

Nicht geeignet in der Hundeerziehung ist die “berühmte Trillerpfeife”. Man muss dabei das sehr empfindliche Gehör des Hundes berücksichtigen. Der Ton der Pfeife schmerzt den Hund und er wertet deshalb alle mit der Pfeife gemachten Erfahrungen als negativ! Sie verursachen ihm Schmerzen. Auf der einen Seite wird die Trillerpfeife zum Rückruf von Hunden propagiert und gleichzeitig machen die Hersteller Werbung für dieselben Pfeifen, um Tiere zu „verschrecken“, sie also zu vertreiben. Und zwar mit dem Argument, dass gerade Hochfrequenzpfeifen bei Hunden, Katzen und Vögel, für ein „unangenehmes Empfinden“ sorgen. Wer kann da noch erwarten, dass der Hund freudig zu Herrchen und Frauchen zurückkehrt, wenn er mit einem „unangenehmen Empfinden“ gerufen wird. Für die Pfeife soll doch sprechen, dass sie einen immer gleichbleibenden Ton erzeugt, während die menschliche Stimme nicht frei ist von Emotionen. Sie soll ja gerade nicht Ärger und Zorn übertragen und so den Hund erst recht davon abhalten zurückzukommen. Natürlich gibt es gute Gründe für eine Hundepfeife, etwa für tatsächlich schwerhörige Hunde. Hunden geht es wie Menschen, im Alter lassen die Leistungsfähigkeit von Augen und Ohren nach. Bei der Jagd mit Hunden kommt die Pfeife traditionell zum Abbruch der Jagd zum Einsatz. Ansonsten gibt es aber keinen Grund, den Hund mit Pfeife zurückzurufen. Wenn er von vornherein gelernt hat, sich nicht zu weit von seinem Herrchen zu entfernen, reicht ein einfaches Rufzeichen. Das berühmte „hier“ funktioniert vielleicht nicht immer und nicht sofort, stimmt aber die Bindung zwischen Mensch und Hund reicht es aus.

Das leidige „Fuß“-Thema

Schmerzen spielen im Übrigen auch eine entscheidende Rolle beim Thema “Fuß gehen” und an der “Leine zerren”. Wenn ein Hund permanent bei Fuß gehen soll, muss er vier Befehle auf einmal ausführen. Das kann er auf Dauer gar nicht. Er ist damit absolut überfordert. Wichtig ist nur, dass der Hund ohne zu zerren an der Leine geht, ob der Kopf dabei auf Kniehöhe ist oder nicht, ist völlig uninteressant. Lediglich in gefährlichen Situationen im Straßenverkehr ist es deshalb angezeigt, den Hund streng bei Fuß gehen zu lassen. Ansonsten sollte man ihm möglichst viel Raum mit einer etwa drei Meter langen Leine lassen, damit er sich bewegen kann. Mit den üblichen kurzen Leinen ist das zum Beispiel gar nicht möglich. Der Hund hat keinen Platz, um sich zu bewegen, also zerrt er an der Leine.

Und noch eine wichtige Erklärung für alle Interessierten: Das berühmte “Zerren” der Hunde an der Leine. Der Hals des Hundes entspricht vom anatomischen Aufbau her dem des Menschen. Nun stellen Sie sich bitte einmal vor, man würde Ihnen ein Hundehalsband umbinden und Sie daran auch noch ruckartig ziehen. Machen Sie sich diese Situation bitte bewusst: Genauso, wie Sie sich jetzt fühlen, fühlt sich auch der Hund. Nun kennt der Hund bei Schmerz ein “Meideverhalten” und das heißt “Flucht”! Er zieht, weil Sie ihm mit dem Halsband und der Leine Schmerzen zufügen. Sie ziehen zurück, der Schmerz für den Hund wird noch größer und er versucht seinem Instinkt folgend noch heftiger von Ihnen weg zu kommen. Und jetzt stellen Sie sich bitte die ganze Situation noch in Verbindung mit einem Stachelhalsband vor! Ich kann Ihnen hier aus meiner eigenen Erfahrung berichten: Einer meiner Hunde – ein ausgewachsener, damals 2 1/2 Jahre alter Dobermann-Rüde – war ein Meister im Zerren und Ziehen am Halsband. Bei seiner Begleithundeausbildung hat der Trainer allen Ernstes noch geraten, ihm ein Stachelhalsband anzulegen. Und wenn er zieht, heftig, ruckartig mit aller Kraft den Hund zurückzuholen. Können Sie sich vorstellen, welche Schmerzen ein Hund damit erdulden muss? Nun kommt es aber häufig vor, dass ein 40 Kilo-Bursche sein Frauchen hinter sich herzieht, wie ein Fähnchen im Wind! Vielen Frauen geht das mit ihren Hunden so: Der Hund geht mit ihnen spazieren, und zwar im wahrsten Sinn dieser Worte. Die Alternative? Ein Geschirr. Der Hund geht zwar nicht bedingungslos bei Fuß. Aber im Rahmen der Reichweite jetzt hoffentlich langen Leine bewegt er sich freudig und ohne großes Gezerre! Und man kann ihn trotzdem halten – zumindest, solange nicht einer seiner Artgenossen ebenfalls gerade spazieren geht und Ihren Weg kreuzt. Und für diesen leider immer sehr wahrscheinlichen Fall gibt es ebenfalls einen Vorschlag: Wann immer es möglich ist, diesen Begegnungen ausweichen – rechtzeitig mit Ruhe und Souveränität! Schämen Sie sich also nicht, wenn Sie lieber den geordneten Rückzug wählen, das ist weder verwerflich noch feige! Es ist einfach taktisch klüger, zumal auch mit Blick auf das Thema “Wachhund”, auf das wir noch zu sprechen kommen. Vielleicht sollten wir das Geschirr vorbehaltlos einfach einmal ausprobieren. Und wer jetzt wissen möchte, wie man sich mit einem Stachelhalsband um den Hals fühlt, darf das auch gerne einmal ausprobieren! Noch ein letztes Wort zum Thema “Fuß”! Der Begriff ähnelt sehr den Negativ-Begriffen “Schluss” und “Aus”. Man sollte den Befehl deshalb in der Kombination “bei Fuß” verwenden, um eventuelle Unterscheidungsschwierigkeiten beim Hund auszuräumen!

Clicker-Training – Vor- und Nachteile

Als nicht unbedingt abzulehnen ist die so genannte “Clicker-Methode, die derzeit unter Hundehaltern geradezu in ist. Vorausgesetzt, sie wird richtig angewandt. Die Vorteile des Clicker-Trainings bestehen darin, durch die Arbeit über positive Verstärkung wird die Aufmerksamkeit des Besitzers darauf gelenkt, was der Hund gut macht, und nicht, was er mal wieder schlecht oder falsch gemacht hat. Jeder von uns kennt das sicher, wie oft sagen wir “Nein”, “Aus”, Pfui” und wie selten loben wir das Tier ausgiebig. Hier sind wir Menschen ganz Mensch: Das Gute ist selbstverständlich, das Schlechte wird bedingungslos beklagt! Weiterer Vorteil: Man kann mit dem Hund kommunizieren, ohne ihn “zuzulabern”! Eine Erklärung erübrigt sich hier. Wir quatschen auf unsere Tiere ein, ohne daran zu denken, dass sie uns ja gar nicht verstehen! Sie könnten genauso gut Chinesisch sprechen, das Ergebnis beim Hund bliebe gleich! Man kann mit dem Clicker-Training ein Vertrauensverhältnis aufbauen: Geclickert wird nur, wenn etwas gut ist. Das Clickgeräusch vermittelt dem Tier “Das hast du gut gemacht!” Es ist ein emotionsloses, neutrales leicht reproduzierbares Geräusch. Emotionslos und neutral sind hier die wichtigen Punkte, das Clickern signalisiert dem Hund: alles okay! Kein Grund zu irgendwelcher Aufregung. Man kann es dazu einsetzen, den Hund zu beschäftigen, ihn mit dem Click-Geräusch beispielsweise ein Spielzeug anschleppen lassen, oder sonst ein Kunststück einüben. Und man kann den Clicker dazu verwenden, sich mit dem Hund zu beschäftigen, ohne an der Leine zu rucken!

Die Methode hat indes auch Nachteile: Man kann sie nicht einsetzen bei geräuschempfindlichen Hunden, bei ängstlichen oder nervösen Hunden, bei hyperaktiven Hunden und einigen Verhaltensweisen mehr. Hinzu kommt, dass inzwischen so viele Hundehalter “clicken”, dass der Hund draußen vermutlich das eigene von den fremden Clickgeräuschen nicht mehr unterscheiden kann! Außerdem hat der Clicker den Nachteil, dass Sie ihn wirklich die ganze Zeit, die Sie mit ihrem Hund zusammen sind, in der Hand halten müssen. Ganz schön lästig!

Ein fataler Irrglaube

Eine absolut ungeeignete Erziehungsmethode, die früher jedem Anfänger-Hundehalter mit auf den Weg gegeben wurde, wenn er seinen Welpen abgeholt hat, das im Genick packen und schütteln. Das, so wurde ihm erklärt, würde die Mutterhündin auch so machen. Aber: Einen Hund im Genick zu schütteln, heißt schlicht “Ich kill dich jetzt”. Mutterhündinnen schütteln ihre Welpen nicht! Das ist ein absoluter Irrglaube, auf den in immer mehr Fachbüchen mittlerweile auch hingewiesen wird. Wenn ein Hund ein Lebewesen im Fang hält, dann handelt es sich um Beute! Und die Beute wird geschüttelt, bis sie sich nicht mehr bewegt, erst dann kann der Hund von der Natur so vorgegeben den Fang öffnen und die Beute fallen lassen. Wer also einen Hund am Genick packt und ihn schüttelt, signalisiert ihm: Ich bring dich jetzt um!” Kaum vorstellbar, was dieser Hund emotional durchmacht. Spätere negative Verhaltensmuster sind da keine Seltenheit, denn noch immer erzählt man angehenden Hundebesitzern, sie sollten den Kleinen, wenn er etwas falsch macht, ordentlich schütteln, das täte die Mutter auch! Tut sie nicht. Die Mutter nimmt ihr Junges nur dann zwischen die Zähne, wenn sie es transportieren will. Und das Kleine verfällt in diesem Augenblick in die sogenannte “Welpenstarre”, es rührt sich nicht: Übertragen heißt das, “ich bin schon tot, ich zappele nicht mehr, bitte schüttel mich nicht”. Ansonsten verwendet die Hundemutter nur “Drohgebärden”, um den Kleinen zur Raison zu bringen: Sie knurrt, fletscht die Zähne und schnappt nach ihm, ohne es wirklich zu verletzen. Diese Verhaltensmuster stuft die Mutterhündin exakt auf das jeweilige Verhalten des Welpen ab. Erst bei hartnäckigen Provokationen setzt sie das Schnappen ein. Und das kapiert letztlich auch der schlimmste Welpenrüpel! Mit dem Nackengriff und Schütteln raubt man gerade dem Jungtier jegliches Vertrauen in den Menschen!

Alles mit “Maß und Ziel“

Ebenfalls völlig ungeeignet in der Hundeerziehung sind Kommandos aus Lust und Laune, etwa um den Trainingserfolg zu optimieren. Kommandos sollten aber niemals willkürlich gegeben werden, weil man als Mensch das gerade mal so will. Die Probleme entstehen, weil der Mensch mit minimalem Aufwand versucht, den Hund zum Funktionieren zu bringen. Sie lassen ihre Tiere in den unmöglichsten Situationen Sitz und Platz machen, ohne den Sinn oder Unsinn in der jeweiligen Situation zu überlegen. Der Hund muss nicht auf jeden Befehl prompt hören. Man muss vielmehr festlegen, was man an seinem Hund nicht haben will und das dann durch gezieltes Training (mit einer der oben vorgestellten Methoden) abstellen. Klassisches Beispiel: Der Hund freut sich wie verrückt, wenn er endlich raus darf und führt einen derartigen Tanz auf, dass man ihm kaum die Leine anlegen kann. Wenn man sich nun überlegt, dass das Tier den größten Teil des Tages eingesperrt war, ist seine Freude mit Blick auf sein Bewegungsbedürfnis nur all zu verständlich. Auf das Bewegungsbedürfnis eines Menschen übertragen stellt sich die Situation so dar: Stellen Sie sich vor, Sie sind 8 Stunden am Stück in einem Raum, der die Größe eines durchschnittlichen Badezimmers hat, eingesperrt. Und jetzt kommt endlich jemand, der sie rauslässt! Würden Sie nicht auch Luftsprünge vor Freude machen? Und die Freude des Hundes, wenn er endlich raus darf, ist absolut echt! Wenn Sie nun aber gerade diese Luftsprünge stören, dann sollten Sie dem Hund dieses Verhalten nicht abgewöhnen, wenn er sich gerade wie wild freut, dass er endlich raus darf. Viel besser ist es, hier erst zu trainieren, wenn man wieder vom Spaziergang zurück ist. Man nimmt einfach öfter einmal im Haus die Leine und legt sie dem Hund an, ohne mit ihm wegzugehen. Irgendwann begreift er, dass Frauchen oder Herrchen die Leine in die Hand nimmt, heißt nicht, dass ich jetzt raus darf! Also wozu aufregen, ich weiß ja nicht, ob oder ob nicht!

Im 3. Teil der Reihe geht es Missverständnisse im Alltag und wie man ihnen begegnet!

Im ersten Teil geht es um Lernmethoden Link zu Teil I

Weitere Beiträge zum Thema Hund hier

Münster war schon besser!

Münster war schon besser!
Kritik zum Tatort Münster „Es lebe der König!“
ARD/WDR Tatort “Es lebe der König!” Eine Leiche in Ritterrüstung, das sahen selbst Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, links) , Silke Haller (ChrisTine Urspruch) und Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) noch nie auf einem Seziertisch. (Foto: WDR/Thomas Kost)
Das lässt Boerne sich natürlich nicht entgehen: Silke Haller (ChrisTine Urspruch) hilft ihm dabei, die Ritterrüstung anzulegen. (Foto: WDR/Thomas Kost)

Der Tatort Münster ist immer mit viel Humor gespickt, das kennt und mag der Zuschauer. Dennoch ließen Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Pathologe Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) bisher nie die nötige Ernsthaftigkeit bei der Arbeit und vor allem auch den Respekt vor den Opfern vermissen. Im neuesten Tatort „Es lebe der König!“ aus der Feder von Benjamin Hessler allerdings ging es nur noch um Klamauk, teils wirklich recht lustig, teils aber auch einfach nur flach. Thiels Äußeres war schon immer eher leger, jetzt aber kam er nicht nur mit ausgeleierter Kleidung, sondern auch mit wucherndem Bart und ungeschnittenen Haaren daher, kein Anblick, der seine Zeugen und Verdächtigen großartig beeindruckt hätte, eher im Gegenteil. Boerne hingegen zeigte sich wie immer geschniegelt und gebügelt, aber eben doch mehr als sonst zu Übertreibungen aufgelegt. Übertrieben gebärdete sich auch Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann), die ihren Kollegen Lutz Söltenfuss (Christian Hockenbrink) wegen seiner offensichtlichen Abneigung gegen Zigarettenrauch gerne als Komplizen der verdächtigen Familie Radtke und des Drogenbarons Hugo Draak (Paul Faßnacht) gesehen hätte. Eigentlich fehlte es der gesamten Geschichte an Tiefgang: Der Kirmeskönig Radtke erpresst sich eine altehrwürdige Burg und will dort mit seiner Familie künftig Mittelalterspiele abhalten. Doch dann wird er in seiner Ritterrüstung im Burggraben tot aufgefunden. Natürlich kann Boerne nicht umhin, die Rüstung selbst anzuprobieren – natürlich nur um zu beweisen, dass Ritter Radtke beim Ankleiden einen Helfer gehabt haben muss. Ansonsten aber deutet alles auf Tod durch Ertrinken hin. Da sich Staatanwalt Söltenfuss auffällig für den Fall interessiert und auch noch ein gesuchter Drogenboss involviert zu sein scheint, nehmen Thiel und Boerne die Familie des Toten genauer unter die Lupe. Die Ermittlungen gipfeln in einer doch eher lächerlichen Observation der Burg samt Festgästem durch das gesamte Team inklusive Staatsanwältin und Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch). Bei so viel Klamauk konnten auch der überraschende Ausgang mit Verwicklung des LKA und die unerwartete Enttarnung des Mörders, dessen Motiv obendrein nur Mitleid war, die Story nicht mehr retten.

Nicht spannende Verwicklungen standen im Mittelpunkt, sondern Boernes Hang zur Besserwisserei, Frau Klemms Abneigung gegenüber Nichtrauchern und die unumstößliche Grundgesetztreue von Thiels neuem Assistenten Mirko Schrader (Björn Meyer), der mit seinen großspurigen Staatsrechtskenntnissen die Ermittlungen eher bremst als sie voranbringt. Man hätte sich eine junge, dynamische Assistentin für Thiel gewünscht, die dem alternden Kommissar etwas mehr Schwung verleiht, statt seine Bemühungen zusätzlich abzuwürgen. Dazu reicht schon Boerne. Noch ein Besserwisser wäre nicht nötig gewesen, auch wenn er guten Kaffee kochen kann. /sis

Gespräch in der Mittagspause – mit Blick über Münster: Staatsanwalt Lutz Söltenfuss (Christian Hockenbrink) mit seiner Kollegin Wilhelmine Klemm (Mechthild Grossmann). (Foto: WDR/Thomas Kost)

Drei Kommissare im Abseits

Drei Kommissare im Abseits
Kritik zum Tatort „In der Familie“ Teil 2
ARD/BR Tatort “In der Familie” Teil 2: Durch den Mord am Bauamtsleiter kommen die Kriminalhauptkommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, links) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) wieder auf die Spur von Luca Modica und Pippo Mauro. (Foto: BR/WDR/X Filme Creative Pool GmbH/Hagen Keller)
Peter Faber (Jörg Hartmann, links) stört die Observation von Leitmayr (Udo Wachtveitl, rechts) und Batic und macht so den Mafia-Boss Domenico Palladio (Paolo Sassanelli, Mitte) auf die Überwachung aufmerksam. (Foto: BR/WDR/X Filme Creative Pool GmbH/Hagen Keller)

Man hatte sich mehr erwartet von der Jubiläumsdoppelfolge des Tatorts mit dem Titel „In der Familie“. Auch im zweiten Teil standen die Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und ihre Ermittlungen abseits des Geschehens wie schon im ersten Teil in Dortmund. Und der groß angekündigte Besuch der Dortmunder Kollegen in München entpuppte sich als Solokurzauftritt von Peter Faber (Jörg Hartmann), der genauso gut hätte unterbleiben können.

Wieder standen die Mafia und ihre Menschenverachtung im Vordergrund. Ging es im ersten Teil um Schutzgelderpressung, bekamen die Zuschauer im zweiten Teil Einblicke in die Methoden der Geldwäsche in Zusammenhang mit öffentlichen Bauaufträgen. Diesmal spielte aber Tochter Sofia Modica (Emma Preisendanz) die Hauptrolle, die verzweifelt versucht Kontakt zu ihrer Mutter aufzunehmen und damit den Mafia-Boss Domenico Palladio (Paolo Sassanelli) gegen sich aufbringt. Wieso Sofia mit ihrem Vater Luca Modica (Beniamino Brogi) und Pippo Mauro (Emiliano De Martino) nach dem Mord an Sofias Mutter ausgerechnet nach München geflohen sind, wo Pippo von den Münchener Kommissaren im ersten Teil wegen Mordes an einem Drogendealer gesucht wurde – deswegen war er ja in Dortmund untergetaucht -, weiß vermutlich nur Drehbuchautor Bernd Lange. Aber auch in München haben die beiden Pseudo-Mafia-Gangster kein Glück, sie bringen in Domenicos Auftrag den abtrünnigen Bauamtsleiter aus Versehen um, statt ihn nur zu erschrecken. Damit aber rücken sie wieder ins Blickfeld der Münchener Kommissare und auch Kollege Peter Faber taucht völlig unvermittelt in München auf. Sofias Anruf bei ihrer Mutter wurde abgehört. Da sie dafür das Handy von Domenicos Sohn Marc (Valentin Mirow) benutzt hat, erscheint Faber just an dem Ort, an dem Batic und Leitmayr gerade Domenico wegen des Mordes an dem Bauamtsleiter observieren.

Als Sofia erfährt, dass ihre Mutter nicht mehr lebt, erschießt sie erst Pippo und bringt dann Marc in ihre Gewalt, um so von Domenico zu erfahren, wer ihre Mutter getötet hat. Obwohl die geballte Polizeigewalt samt Faber zur Stelle ist, gelingt Sofia die Flucht. Und Batic und Leitmayr lassen sie bewusst laufen, um ihr so „eine Chance“ zu geben. Faber will das nicht glauben und auch dem Zuschauer fällt es schwer, diese Aktion nachzuvollziehen. Wie lange eine echte Mafia-Tochter, die sich als Verräterin entpuppt hat, wohl überlebt? Zwar wird schließlich auch Luca Modica geschnappt, der sich noch einmal als Würger versuchte, ob Batic und Leitmayr am Ende aber genug Beweise gegen Domenico und seine Handlanger im städtischen Bauamt vorlegen konnten, um ihm das Handwerk zu legen, blieb genauso offen wie Sofias Zukunft. Wohin geht eine 17-Jährige auf der Flucht vor der Mafia allein auf sich gestellt?

Die Story war durchaus für einen spannenden Krimi geeignet. Aber wie schon der erste Teil so war auch Teil 2 eine brutale Mafiageschichte, in der die Polizei einfach keine Rolle spielt. Und so spielten denn auch die Teams aus Dortmund und München in den beiden Fällen überhaupt keine Rolle. Der Zuschauer war aber ohnehin mehr mit den nicht enden wollenden Untertiteln beschäftigt, war die überwiegend vorherrschende Dialogsprache doch italienisch. /sis

Sofia Modica (Emma Preisendanz) übt sich als Mafia-Tochter. Dennoch sucht sie verzweifelt Kontakt zu ihrer Mutter, während Pippo Mauro (Emiliano De Martino) sie nicht aus den Augen lässt. (Foto: BR/WDR/X Filme Creative Pool GmbH/Hagen Keller)

Hoffen auf Teil 2 der Jubiläumsfolge

Hoffen auf Teil 2 der Jubiläumsfolge
Kritik zum Tatort Jubiläums-Tatort „In der Familie“ Teil 1
ARD/WDR Tatort “In der Familie” Teil 1: Das Dortmunder und das Münchner Team ermitteln gemeinsam in einem Fall um Drogenhandel und Geldwäsche der kalabrischen Mafia. V.l. Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), Jan Pawlak (Rick Okon), Nora Dalay (Aylin Tezel), Peter Faber (Jörg Hartmann), Martina Boenisch (Anna Schudt), Ivo Batic (Miroslav Nemec). (Foto: WDR/Frank Dicks)
Nora Dalay (Aylin Tezel) geht ein hohes persönliches Risiko ein und steht unter Druck bei den Ermittlungen mit Peter Faber (Jörg Hartmann), Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, v.l.n.r.). (Foto: WDR/Frank Dicks)

Die Mafia und ihre ausufernden Drogengeschäfte waren Thema des ersten Teils der Tatort-Jubiläumsfolge „In der Familie“ mit den Ermittlern aus Dortmund und München. Der Italiener Luca Modica (Beniamino Brogi) betreibt mit seiner Frau Juliane (Antje Traue) und Tochter Sofia (Emma Preisendanz) eine kleine Pizzeria in Dortmund. Wegen seiner Verbindungen zur Mafia wird er von Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) observiert, denn Modicas Pizzeria ist Umschlagplatz für Kokain aus Italien. Derweilen wird in München ein Drogendealer ermordet. Der Mörder Pippo Mauro (Emiliano De Martino) flieht und bekommt auf Geheiß der Mafia Unterschlupf bei Familie Modica. Als Jan Pawlak (Rick Okon) Auskunft über Pippo haben will, erscheinen die Münchener Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) in Dortmund, um Pippo zu verhaften. Damit ist Faber aber ganz und gar nicht einverstanden. Er will an die Hintermänner der Drogengeschäfte. Mit Martina Bönischs (Anna Schudt) Hilfe gelingt es, die Münchener Kollegen in die Beobachtungen zu involvieren. Während Nora Dalay (Aylin Tezel) die Bekanntschaft zu Juliane Modica sucht, fliegt Pawlak auf. Faber weiß das, ist aber nicht bereit, Juliane, die dank Dalays Bemühungen bereit ist, ihren Mann und die Organisation an die Polizei auszuliefern, zu stoppen. Es kommt, wie es kommen muss: Luca bringt seine Frau um. Ihm und Pippo gelingt die Flucht. Nora Dalay wirft das Handtuch, Faber ist uneinsichtig wie eh und je und die Kommissare aus München machen sich ohne ihren Mörder auf den Heimweg.

Trotz des explosiven Themas ist es dem Jubiläumstatort nicht gelungen, einen spannenden Krimi zu präsentieren. Stattdessen bekamen die Zuschauer ausgiebig den schwierigen Alltag einer Mafia-Familie zu sehen. Einen Alltag, der aus dem Ruder läuft, als der skrupellose Pippo auftaucht und Luca mit in seine äußerst brutalen Geschäfte zieht. Dabei kamen all die typischen Mafia-Klischees zum Tragen, die man so kennt: Schutzgelderpressung mit Baseball-Schläger, massenhaft gerollte Geldbündel, Waffen und der obligate Sportwagen in quietschgelb. Die Tochter schätzt den Luxus, der Vater eifert Pippo nach, die Mutter möchte lieber ein normales Leben, kann ihren Mann aber doch nicht verraten. Ihr Mann indes ist viel zu feige, um sich und seine Familie aus den Fängen der Mafia zu befreien und tötet lieber seine Frau, als seine “Mafia-Familie” zu enttäuschen. Und dann ist da noch Faber, der diesmal wieder den völlig weltfremden Egomanen mimt, der nicht davor zurückschreckt, andere in Lebensgefahr zu bringen. Auch bei den Beobachtungen gab er nicht gerade einen professionellen Ermittler ab. Er passte zusammen mit Batic und Leitmayr Nora Dalay direkt vor einem Fitnessstudio ab, in dem sie sich mit Juliane Modica getroffen hatte. Natürlich wurden die vier bei diesem “geheimen” Treffen auf offener Straße beobachtet und die Italiener gewarnt! Eine glaubwürdigere Wendung war Drehbuchautor Bernd Lange leider nicht eingefallen. Und auch die beiden Münchener Kommissare waren in diesem Tatort nur Staffage, genauso wie Jan Pawlak und Martina Bönisch, die Faber einfach machen ließ. Bleibt zu hoffen, dass Teil 2 besser wird! /sis

Nora Dalay (Aylin Tezel), Jan Pawlak (Rick Okon), Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, v.l.n.r.) beobachten die Befragung von Juliane Modica. (WDR/Frank Dicks)

Hundeerziehung ohne Stress für Mensch und Tier (Teil I)

Hundeerziehung ohne Stress für Mensch und Tier (Teil I)
Huskys sind keine Couchpotatos! (Foto: Pixabay/Adina Voicu)

Geht es um die richtige Methode bei der Erziehung unserer Hunde, scheiden sich die Geister. Noch immer sind viele Hundehalter davon überzeugt, dass ein Hund unterworfen werden muss. Diese Methode des absoluten Gehorsams wird nach wie vor auf vielen Hundeplätzen angewandt, wo selbsternannte Hundetrainer dem Anfänger zeigen, wie er sich bei seinem Hund zum Chef oder „Rudelführer“ macht. Die Forschung ist aber in den letzten Jahrzehnten nicht stehen geblieben. So manche Erziehungsmethode erwies sich als gänzlich ungeeignet und wurde längst revidiert. Die Ergebnisse sind indes noch nicht überall angekommen, wie die Zahl der Problemhunde in deutschen Tierheimen eindrucksvoll belegt. Diese Arbeit soll den Wandel in der Hundeerziehung voranbringen und dazu beitragen, die Erziehung unserer Hunde mit den neuesten Erkenntnissen der Verhaltensforschung in Einklang zu bringen. Gewalt in der Hundeerziehung ist völlig indiskutabel, Zwang nicht nötig. Hundeerziehung kann ganz ohne Strenge und Stress erfolgen. Ziel dieser Arbeit ist es, unsere Hunde anhand einiger wichtiger Grundregeln besser zu verstehen und ihnen so möglicherweise ein künftiges Schicksal als „Problemhund“ zu ersparen.

Der Hund macht nichts falsch

Grundsätzlich gilt: Der Hund macht nichts falsch! Der Halter des Hundes ist gefordert. Der Hund verfügt über eine unglaubliche Anpassungsfähigkeit. Er ist in der Lage, sich in eine Familie oder auf einzelne Menschen einzustellen und sich so zu verhalten als sei das für ihn das Selbstverständlichste der Welt. Das funktioniert aber nur, wenn der Mensch die Körpersprache des Hundes versteht und schon bei der Auswahl eines Hundes an dessen Bestimmung, das eigentliche Zuchtziel, denkt.

Das heißt konkret: Ich kann keinen Husky bei 30 Grad im Schatten acht Stunden lang in einer 2-Zimmer-Dachwohnung einsperren. Wenn ich dann nach Hause komme und der Hund hat das Mobiliar zerlegt, dann schlicht deshalb, weil er sich gelangweilt hat. Ein Husky liebt Kälte und ein Husky will und muss laufen. Wenn ich mir einen Hütehund aussuche, dann muss ich wissen, dass dieser Hund sein “Rudel” hütet, und zwar ohne Wenn und Aber. Wenn ich mir einen Jagdhund aussuche, dann muss ich wissen, dass dieser Hund hinter allem her hetzt, was sich bewegt.

Aus der falschen Wahl eines Tieres entstehen also die ersten Probleme, die die Hunde schließlich in die Tierheime bringen. Bei der Anschaffung eines Hundes, ganz egal ob als Welpe von einem renommierten Züchter (niemals aus dubiosen Quellen im Internet!) oder aus dem Tierheim darf nicht das Aussehen des Hundes und die Sympathie („der ist ja so niedlich!“) im Vordergrund stehen, sondern das Zusammenspiel “Hund in seiner rassespezifischen Verhaltensweise” und “Mensch mit seinen Erwartungen an den Hund”. Wer sich einen Hund aus dem Tierheim holt, sollte deshalb auf die Aussagen der Mitarbeiter vertrauen. Sie kennen die Hunde und können meist schon im Voraus sagen, ob „Hund” und „neue Familie” miteinander können werden oder nicht.

Jeder Hund kann lernen

Natürlich ist nicht jedes Fehlverhalten eines auch schon älteren Hundes unumkehrbar. Tatsächlich ist der Hund nur deshalb zum besten Freund des Menschen geworden, weil er sich durch Lernen an die jeweilige Situation in einer Familie anpassen kann. Ein junger Hund lernt schneller, aber auch ein „alter” Hund ist durchaus in der Lage, in unseren Augen “falsches” Verhalten durch “richtiges” zu ersetzen. Dazu haben sich drei Methoden herausgebildet. Der Hund lernt durch Nachahmen, Erklären mit Geduld und Ruhe und durch Versuch und Irrtum. Ein Pauschalprogramm gibt es nicht. Die Frage des jeweiligen Trainers muss also lauten: “Was bringt mich zum Erfolg?“

Distanz wahren!

Wichtig ist, dass man die “Distanz” zum Tier wahrt. Jedes Lebewesen hat einen natürlichen Distanzrahmen. Kein Mensch würde es dulden, wenn ein Fremder ihm freundlich, aber heftig über den Kopf streichelt, nach dem Motto: “Na, Du bist aber ein feiner Mensch!” Ein Beispiel macht das Bedürfnis nach Distanz deutlich: Warum erschrecken wir Menschen so unglaublich, wenn wir plötzlich eine Spinne auf unserer Schulter sehen? Weil eine Spinne – als eines der wenigen Lebewesen – in der Lage ist, unseren Distanzrahmen zu durchbrechen, ohne dass wir es merken! Daran erkennt man die Bedeutung des Distanzrahmens. Gewähren wir unseren Hunden deshalb auch den ihren. Wenn wir also einem Hund etwas beibringen wollen, dann bitte mit der nötigen Distanz. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass wir unsere Hand dem Hund mit dem Handrücken nähern. Er empfindet das nicht als so bedrohlich, wie die offene Innenseite der Hand, die ihm entgegengestreckt wird.

Zurück zu den Lernmethoden. Nachahmen ist ein klar definierter Begriff: Der Hund sieht ein Verhalten, irgendwann – nach der hundertsten oder tausendsten Wiederholung – macht er es nach. Das gilt vor allem für Welpen. Sie machen ihre Mutter und Geschwister nach: Wenn einer der kleinen Racker es geschafft hat, mit einer bestimmten Technik die Wurfkiste auf eigene Faust und so ganz ohne Erlaubnis des Menschen zu verlassen, darf man sicher sein, dass seine Geschwister ihm alsbald nacheifern werden. Dieses Lernen durch Nachahmen wird beispielsweise in der Ausbildung von Blindenhunden eingesetzt. Die Welpen lernen durch das bloße Abgucken der Aufgaben eines Blindenhundes, was sie zu tun haben. Zuhause wird sich ein Welpe oder auch ein älterer Hund von einem vorhandenen Hund auch rasch abschauen, wie er sich in der Familie zu verhalten hat.

Der Hund spricht nicht unsere Sprache

Ein häufiges Missverständnis in der Hundeausbildung ist noch immer, dass der Hund beim Wort “Sitz” oder “Platz” weiß, was er zu tun hat. Bei “Sitz” drückt man ihm solange den Hintern auf den Boden, bis er es kapiert hat, bei “Platz” wird in der klassischen Hundeausbildung der Hund solange am Halsband nach unten gezogen, bis er sich freiwillig hinlegt. Nun ist es aber so, dass der Hund nicht unsere Sprache spricht. Er weiß also nicht, was “Platz” und “Sitz” heißen, er erkennt nur die Bedeutung der Worte im Zusammenhang mit den Taten. Überhaupt ist bei den Menschen das Zusammenspiel von Stimme und Körpersprache sehr häufig sehr willkürlich. Doch dazu kommen wir später noch. Mit Ruhe und Zeit kann man dem Hund “Sitz” und “Platz” beibringen, ohne Gewalt auszuüben. Das funktioniert durch Motivation. Motivieren kann ich den Hund durch Futterbelohnung (dabei sollte auf die Tagesration geachtet werden), durch Spielmotivation (Training und Spiel verbinden) und durch positive Zuwendung (Streicheln). Wenn das alles nicht hilft, durch Ritualisierung. Ich muss ihm den Begriff “Sitz” beibringen, indem ich ihn mit dem Wort “Sitz” auffordere, sich zu setzen. Gleichzeitig halte ich ein Leckerli in der Hand. Der Hund wird vor mir stehen bleiben in Erwartung seines Leckerlis. Das bekommt er aber nicht. Sondern ich wiederhole das Wort “Sitz”. Wenn nun ein Hund uns anschauen will, dann muss er – ob er will oder nicht – den Kopf nach oben richten und damit setzt er sich in aller Regel automatisch auf seinen Hintern, damit er sich nicht die Halswirbel verrenken muss. Plumps, sitzt er schon. Ich lobe ihn ausführlich und er bekommt sein Leckerli. Das muss solange wiederholt werden, bis das Hörzeichen “Sitz” mit der positiven Erfahrung, jetzt bekomme ich ein Leckerli, oder es wird gespielt, oder ich werde gelobt, im Kopf des Hundes in Verbindung gebracht werden. Dabei gilt die Regel: Ich habe drei Sekunden, um dem Hund die “Verbindung – auf das Hörzeichen gehorchen und Gabe des Leckerlis/Lob” – klar zu machen. Nach diesen drei Sekunden wird der Hund die Belohnung nicht mehr mit seinem zuvor gezeigten Verhalten in Verbindung bringen. Noch eines ist in diesem Zusammenhang wichtig: Ich muss den Befehl “Sitz” wieder aufheben, den Hund also explizit zur Aufgabe der Sitzposition bewegen. Das erreicht man, indem man das Leckerli nicht von oben im Sitzen einfach in den Rachen des Hundes schiebt, sondern es ihn durch die nach unten/hinten geführte Hand holen lässt. Erklären mit Ruhe und Zeit! Sich Zeit zu nehmen und in Ruhe mit dem Hund zu arbeiten, ist dabei das wichtigste. Wenn der Hund nicht kapiert, dann muss ich eine Methode suchen, die ihn verstehen lässt.

Versuch und Irrtum ist die klassische durch Verhaltensforschung entwickelte Lernmethode, wie wir sie von Pawlows Mäusen kennen. Darüber hinaus kennt die Verhaltensforschung noch die klassische und operante Konditionierung, bei denen dem Tier eben so lange immer mit einem bestimmten Verhalten etwas beigebracht wird, bis es das Tier kapiert hat und nachahmt.

Es gibt keine Garantie

“Erklären mit Ruhe und Zeit” hat sich durch viele positive Erfahrungen von renommierten Hundeexperten in den letzten Jahren als beste Methode zur Erziehung von Hunden herausgebildet. Aber Achtung: Selbst wenn der Hund etwa die „Begleithundeprüfung“ mit Bravour absolviert hat, ist das noch lange keine Garantie für die Verkehrs- und Alltagstauglichkeit eines Hundes. Was ein Hund auf dem Hundeplatz oder im Training perfekt beherrscht, muss nicht unbedingt auch auf den Alltag und in verschiedene Verkehrssituationen übertragbar sein. Eines sollte jeder Hundehalter immer im Hinterkopf behalten: “Es kann immer etwas passieren. Und wer das nicht glauben will, hat das Wesen des Hundes nicht verstanden!”

Im zweiten Teil geht es um ungeeignete Erziehungsmethoden. Link zu Teil II

Spannungsfreie Unterhaltung zur besten Krimizeit

Spannungsfreie Unterhaltung zur besten Krimizeit
Kritik zum Tatort „Die Ferien des Monsieur Murot“
ARD/HR Tatort “Die Ferien des Monsieur Murot”: Magda Wächter (Barbara Philipp) hat kein Verständnis für Felix Murots Alleingang (Ulrich Tukur). (Foto: HR/Bettina Müller)
Felix Murot (Ulrich Tukur) trifft seinem Dopperlgänger. (Foto: HR/Bettina Müller)

Ein Tatort mit Murot ist immer experimentelles Kino, das weiß man, bevor der Film beginnt. Mit Krimi hat Murot meist wenig bis nichts zu tun. Was genau Murot sein soll, wissen vermutlich auch die Macher nicht. Die Kritik spricht meist von einer „Hommage“ – diesmal wohl an „Das doppelte Lottchen“. Denn Felix Murot (Ulrich Tukur) begegnet im beschaulichen Urlaub seinem Doppelgänger, einem recht nervigen Autohändler, der Murot aber eines voraushat: Ein ganz gewöhnliches Leben mit Haus, Frau, Hund und Freunden in ländlicher Idylle. Nach einer durchzechten Nacht, in der Doppelgänger Walter Boenfeld Murot die Befürchtung gesteht, seine Frau wolle ihn umbringen, wacht Murot völlig verkatert in der Kleidung Boenfelds in dessen Garten auf. Auf dem Weg zurück in sein Hotel wird er von Polizisten gestoppt, die einen Unfall aufnehmen. Murot erkennt schnell, dass Boenfeld in seinem Anzug und mit seiner Dienstmarke in der Tasche tot auf der Straße liegt. Murot kehrt zurück in Boenfelds Haus und in dessen Leben, das ihm zunehmend besser gefällt. Von da an geht es recht vorhersehbar und daher doch eher langweilig bis zum bitteren Ende weiter. Murots Kollegin Magda Wächter (Barbara Philipp) ist natürlich empört als Murot auf seiner eigenen Beerdigung auftaucht. Boenfelds Frau Monika (Anne Ratte-Polle) genießt die Aufmerksamkeit, die sie von ihrem vermeintlichen Ehemann plötzlich bekommt, die Mitarbeiter im Autohaus wundern sich über ihren neuerdings etwas verpeilten Chef und Doppelgänger Boenfeld spukt in Murots Träumen und appelliert an sein schlechtes Gewissen. Niemand scheint Boenfelds Veränderung wahrzunehmen. Allerdings sind Murots Undercover-Ermittlungen auch nicht gerade besonders intensiv, er geht lieber Tennisspielen. Dafür behält Magda Wächter den Überblick. Als dann auch noch ein Mitarbeiter aus dem Autohaus sein Leben lassen muss, nachdem er Monika erpresst hatte, ist Wächter nicht länger bereit, Murots Spielchen mitzuspielen. Für sie besteht an Monikas Schuld nicht der geringste Zweifel – für die Zuschauer im Übrigen auch nicht.

Selten war die Aufklärung eines Falles so vorhersehbar. Man kann es gar nicht glauben, dass den Autoren Ben Braeunlich und Regisseur Grzegorz Muskala kein anderes Ende eingefallen ist, eine überraschende Wendung vielleicht, ein anderer Täter mit nachvollbarem Motiv, eine geheimnisvolle Geschichte aus der Vergangenheit. Stattdessen wird dem Zuschauer eine Täterin serviert, die von Anfang an unter Verdacht stand. Und so lösen sich auch die wenigen Krimi-Elemente des neuen Murot-Experiments in Rauch auf. Was am Ende bleibt ist die nette Geschichte eines Rollentauschs zweier ungleicher Charaktere mit gleichem Aussehen. Eine Geschichte, die mit der Besetzung gut als Mittwochsfilm oder unaufgeregte Unterhaltung am Freitagabend gepasst hätte, als Krimi am Sonntagabend zur Tatortzeit war sie aber völlig fehl am Platz. /sis

Felix Murot/Walter Boenfeld (Ulrich Tukur) findet das normale Leben an der Seite seiner vermeintlichen Ehefrau Monika Boenfeld (Anne Ratte-Polle) zunehmend attraktiver. (Foto: HR/Bettina Müller)

Horrorthriller statt Krimi

Horrorthriller statt Krimi
Kritik zum Tatort Dresden Parasomnia
ARD/MDR Tatort “Parasomnia”: Die Ermittlerinnen Leonie Winkler (Cornelia Gröschel, li.) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) finden die Tatwaffe, an der das Blut von mehr als einer Personen haftet. (Foto: MDR/MadeFor/Daniela Incoronato)
Talia (Hannah Schiller, re.) fürchtet sich im Dunkel und hat deshalb immer eine Taschenlampe um den Hals hängen. (Foto: MDR/MadeFor/Daniela Incoronato)

Unter Parasomnie versteht man eigentlich verschiedene Schlafstörungen. Dazu gehören Schlafwandeln, Albträume und der sogenannte Schlafterror, auch Nachtangst genannt. Dahinter versteckt sich das aus Horrorfilmen bekannte Bild: Ein Mensch sitzt kerzengerade im Bett, schreit, ist völlig von der Rolle und lässt sich kaum beruhigen. Die Hauptfigur des neuen Dresdener Tatorts mit dem Titel „Parasomnia“ litt an einer Mischung aus tief verwurzelten Schuldgefühlen in Verbindung mit Nachtangst, sie sah ihre Gespenster aber nicht nur in der Nacht, sondern selbst am helligten Tag in der Schule zum Beispiel. Und so war denn auch die Geschichte ziemlich unwirklich und zielte lediglich auf den Gruselfaktor der Nachtangst ab. Talia (Hannah Schiller) und ihr Vater Ben (Wanja Mues) kämpfen mit dem Unfalltod der Mutter, jeder der beiden hält sich für schuldig. Während Ben seine Schuld in seinen dämonischen Bildern verarbeitet, beginnt Tochter Talia eine tote Frau zu sehen, nachdem sie direkt beim Einzug in ihr altes, halb verfallenes Haus einen Mörder überrascht hat. Seit dem Tod der Mutter hat sie sich angewöhnt, Unangenehmes zu verdrängen. Und so kann sie den Kommissarinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) nicht wirklich bei der Aufklärung des Mordes an dem unbekannten Mann helfen, der in einem leeren Zimmer des Hauses gefunden wird. Weil sich Talia aber durch die Ähnlichkeit mit ihrer Mutter zu Leonie Winkler hingezogen fühlt, offenbart sich das junge Mädchen nach und nach der Kommissarin und führt die Ermittler so zu einem Serienmörder aus DDR-Zeiten.

Die Geschichte an sich hatte einiges an überraschenden Wendungen zu bieten, bezog die gesamte Spannung aber aus den Gruselszenen. Die „Untote“ trieb nicht nur in Talias Kopf ihr Unwesen, sondern spukte recht real durch das ohnehin gruselige Haus. Während die Kommissarinnen und ihr eigenwilliger Chef Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) das Gruselhaus immer wieder verlassen konnten, ließ Drehbuchautor Erol Yestilkava die Zuschauer Talias Nachtangst miterleben. Die gesamte Geschichte drehte sich auch mehr um Talias Trauma durch den Tod ihrer Mutter und Leonie Winklers Versuche, sie zu beruhigen und zu ermutigen, sich ihren Ängsten zu stellen. Ermittlungen fanden eher am Rande statt und bezogen sich auch rasch nicht mehr auf den ursprünglichen Fall. Es ging nur noch um die Identifizierung der toten Frau, die Talia verfolgte und die die Ermittler mit mehr als unglaubwürdigen Mitteln letztlich zu weiteren im Garten verscharrten Leichen und dem Serienmörder führten. Alles in allem handelt es sich bei „Parasomnia“ um einen gut gemachten Horrorthriller, der aber einmal mehr so gar nichts mit einem spannenden Krimi gemein hat. Nicht jeder, der Spannung liebt, mag auch Horror! /sis

Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach, li) und Kollegen der Spurensicherung finden im Garten des Gruselhauses noch mehr Leichen. (Foto: MDR/MadeFor/Daniela Incoronato)

Ungemein spannend und unterhaltsam

Ungemein spannend und unterhaltsam
Kritik zum Tatort Münster „Limbus“
ARD/WDR Tatort “Limbus”: Silke Haller (Christine Urspruch, links), Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann, 2.v.l.) und Frank Thiel (Axel Prahl, 2.v.r.) verlassen das Restaurant und verabschieden Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, rechts), der einen dreimonatigen Urlaub nimmt. Seiner Urlaubsvertretung soll Silke Haller die Wohnungsschlüssel von Boerne übergeben. (WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Valentin Menke)
 Boerne (Jan Josef Liefers, rechts) versucht, zu Silke Haller (Christine Urspruch, links) durchzudringen, die ihn aber nicht sehen kann.
(Foto: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Valentin Menke)

Das ist schon ein ganz besonderer Tatort aus Münster. Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) landet nach einen Autounfall in der Vorhölle (Limbus), büxt aber immer wieder aus, um Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und seiner Mitarbeiterin Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch) bei den Ermittlungen über die Ursache des Unfalls auf die richtige Spur zu bringen. Dabei wird er immer wieder vom Wärter der Vorhölle, der – oh Wunder – genauso aussieht wie Thiel, aber penetrant bürokratisch agiert und überhaupt keinen Spaß versteht, eingefangen und zurückgebracht. Interessanterweise hat die Vorhölle einen Ausgang mitten in Münster! Das klingt auf den ersten Blick nach viel Klamauk und tatsächlich stört Boerne „den natürlichen Lauf der Dinge“ als Geist genauso nervig wie sonst auch. Der Kern und der Ablauf der Geschichte von Magnus Vattrodt, grandios umgesetzt von Max Zähle, sind aber höchst interessant und ungemein spannend.

Boerne ist eigentlich auf dem Weg in einen längeren Urlaub, um ein Buch über den Tod zu schreiben, als ihn sein Vertreter Dr. Jens Jacoby (Hans Löw), der sich rasch als gemeiner Hochstapler entpuppt, auf offener Straße mit einer Insulin-Spritze fahruntüchtig macht und dadurch den Unfall verursacht. Thiels Bauchgefühl, dass an dem Unfall etwas nicht stimmt, wovon Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) natürlich erst einmal nichts wissen will, und Alberichs Gespür für die Anwesenheit von Boernes Geist führen letztlich zu Boernes Rettung in letzter Minute. Dazwischen wird der arme Professor immer wieder mit der Vorhölle konfrontiert, einer typisch deutschen Version mit Formularen für jede Eventualität inklusive Widerspruch, in der man ganz ordentlich eine Nummer ziehen und dann geduldig bis ewig warten muss, bis man an der Reihe ist. In der Vorhölle hat auch Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) ihren letzten Auftritt. Sie begegnet Boerne ein letztes Mal, ehe es für sie „nach oben“ geht, während der Professor etwas später 229 Etagen nach unten geschickt wird.

Auch wenn man anfänglich der Vorhöllen-Geschichte etwas skeptisch gegenüberstehen mag, im Verlauf der Ereignisse wird eine ungeheure Spannung aufgebaut, der man sich kaum entziehen kann. Dazu die wie immer grandiosen Sprüche, das großartige Zusammenspiel des Münsteraner Teams, das herzige letzte Zusammentreffen mit Nadeshda und Boernes Widerwille, sich mit seinen charakterlichen Schwächen auseinanderzusetzen, machen den Tatort „Limbus“ außergewöhnlich unterhaltsam. Bitte mehr davon! /sis

 Boerne (Jan Josef Liefers, rechts) findet sich im Limbus – der Vorhölle – wieder. Der Herr, der hier das Sagen hat, sieht Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) zum Verwechseln ähnlich, ist aber ein Bürokrat, wie er im Buche steht. (Foto: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin Valtentin Menke)

Ein Bauernopfer dreht durch

Ein Bauernopfer dreht durch
Kritik zum Tatort Stuttgart „Der Welten Lohn“
ARD/SWR Tatort “Der Welten Lohn”: Sebastian Bootz (Felix Klare) und Thorsten Lannert (Richy Müller) finden am Tatort das Pfefferspray, mit dem das Opfer versucht hat sich zu verteidigen. (Foto: SWR/Benoît Linder)
Ein Bombenattentat auf den Wagen des Vorstandsvorsitzenden hat stattgefunden. Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) vermuten, dass das mit ihrem Fall zu tun hat, Miriam Mätzler von der KTU (Diane Marie Müller) sammelt Indizien dafür. (Foto: SWR/Benoît Linder)

Die Kommissaren Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) stehen für solide Tatort-Unterhaltung. Solide, ja fast schon unaufgeregt, war der neue Tatort mit dem Titel „Der Welten Lohn“ auch diesmal, erfreulicherweise ganz ohne persönliche Verstrickungen des Ermittlerduos, wenn auch mit einem recht unbeherrschten Sebastian Bootz. Tatsächlich stellte der ekelhaft arrogante und maßlos selbstverliebte Joachim Bässler (Stephan Schad), Vorstandschef eines Stuttgarter Automobilzulieferers, die Geduld der Kommissare auf eine harte Probe. Und auch der sehr rasch aufgespürte Hauptverdächtige für einen Bombenanschlag auf Bässler, Oliver Manlik (Barnaby Metschurat), erwies sich als wenig kooperativ. Es dauerte einfach zu lange, bis Lannert und Bootz hinter den persönlichen Kleinkrieg von Bässler und Manlik kamen. Eigentlich suchten sie den eventuellen Mörder von Bässlers Personalchefin. Der Tod der Personalchefin aber trat im Verlauf der Geschichte völlig in den Hintergrund. Die Erzählung aus der Feder von Drehbuchautor Boris Dennulat konzentrierte sich mehr auf Manlik, der von Bässler für dessen dunkle Geschäfte missbraucht, gerade aus dem amerikanischen Gefängnis entlassen, Wiedergutmachung in Form von einer gewaltigen Geldsumme forderte. Der unantastbare Bässler aber setzte lieber einen Killer auf Manlik an, dessen übermäßige Aggressivität auch vor seiner Familie nicht Halt machte. Und so stolperten Lannert und Bootz den Ereignissen hinterher, hefteten sich an Manliks Fersen, verhinderten den Mord an ihm, konnten ihm aber weder die Ermordung der Personalchefin noch den Bombenanschlag auf Bässler nachweisen. Am Ende zwang Manlik Bässler zu einem Geständnis mit vorgehaltener Waffe, ehe er, überraschend und in der aufgeheizten Stimmung des Showdowns nicht nachvollziehbar, einfach aufgab.

Lannert und Bootz standen mit leeren Händen da. Der Mord an der Personalchefin entpuppte sich als Unfall, sie war von Manlik aufgeschreckt auf ihrer Joggingstrecke einfach abgestürzt. Manlik war allenfalls wegen der Bedrohung mit Waffengewalt ein strafrechtlich relevanter Vorwurf zu machen, der Bombenanschlag blieb gänzlich unaufgeklärt. Und das von Bässler erzwungene Geständnis führte zwar zu dessen Verhaftung, dürfte aber in der Folge ebenfalls keine Konsequenzen gehabt haben. Nur die Aufforderung an seinen Sicherheitschef, Manlik endgültig zu beseitigen, blieb als Ermittlungserfolg für die Kommissare übrig. Und so fragte sich der geneigte Zuschauer am Ende dann doch nach der Sinnhaftigkeit eines Tatorts, der nicht als spannender Krimi, sondern allenfalls als interessante Studie eines durchdrehenden Bauernopfers daherkam. Trotz der Längen und des unbefriedigenden Endes aber wussten Richy Müller, Felix Klare und vor allen Dingen Barnaby Metschurat schauspielerisch zu überzeugen und die Längen in der Erzählung aufzufangen. Solide eben, wie immer beim Tatort aus Stuttgart. /sis

Showdown: Oliver Manlik (Barnaby Metschurat) erzwingt von Joachim Bässler (Stephan Schad) ein Geständnis. (Foto: SWR/Benoît Linder)

Das “personifizierte höherwertige Interesse”

Das “personifizierte höherwertige Interesse”
Kritik zum Tatort “Krank” aus Wien
ARD Degeto Tatort “Krank”: Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und seine Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser). (Foto: ARD Degeto/ORF/Lotus Film/Anjeza Cikopano).
Maria Ana Moreno (Sabine Timoteo) prügelt sich durch Wien, um sich für den Tod ihrer Tochter zu rächen. (Foto: ARD Degeto/ORF/Lotus Film/Anjeza Cikopano)

Die Wiener Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) waren bisher immer Garant für einen besonderen Krimiabend. Das gelang auch mit ihrem neuesten Tatort mit dem Titel „Krank“ aus der Feder von Hubert Henning, der auch Regie führte. Ungetrübt war das Vergnügen aber nicht. Zwar spiegelte der Fall den immer aktuellen und brandgefährlichen Konflikt zwischen Schul- und Alternativ-Medizin, verstrickte sich aber in zu viele Nebenschauplätze. Nicht zuletzt der übermäßige Einsatz der Voice-over-Technik behinderte das Verständnis der Zusammenhänge. Voice-over sorgt für Tempo. Die nächste Szene beginnt, während der Dialog der vorherigen Szene noch weiter zu hören ist oder umgekehrt. Wenn aber mehr als die Hälfte des Films Bild und Ton nicht dasselbe erzählen, wird es sehr kompliziert. Im Vordergrund laufen Bilder bereits vergangener oder nächster Geschehnisse – auch das war nicht immer auf den ersten Blick unterscheidbar – und im Hintergrund werden durch Sprache Informationen oft sogar zu einem ganz anderen Geschehen geliefert. Hier hat es Regisseur Hubert Henning schlicht und ergreifend übertrieben und die hochemotionale Geschichte um den Tod eines kleinen Mädchens und die Verzweiflung der Mutter, die ihr Kind nicht sehen und ihm nicht helfen durfte, nur unnötig belastet. Weniger ist meist eben doch mehr. Und das wäre es in diesem Fall gewiss gewesen. Denn die Story an sich bot genug Sprengstoff für einen spannenden Krimi mit überraschenden Wendungen. Dazu hätte es weder der südamerikanischen Guerillamethoden von Maria Ana Moreno (Sabine Timoteo) bedurft, noch des Erzfeindes von Eisner Heinz Roggisch (Jan Erik Rippmann), auch wenn es ohne ihn Eisners Entführung und Fast-Ermordung am Ende der Geschichte nicht gegeben hätte. Wenn ein ernsthaft erkranktes Kind in die Fänge von unseriösen Heilern gerät und sich daraus ein Rachefeldzug der vom Vater gänzlich aus dem Leben ausgeschlossenen Mutter entwickelt, dann reicht das für eine Geschichte. Die von den Heilern entwickelte Judas-Strategie, um mit Hilfe einer Fusion mit einem Pharmakonzern und der Unterstützung durch eine dubiose Beraterfirma auch künftig satte Gewinne zu generieren, hätte eine eigene Geschichte verdient.

Spannend war es allemal, auch wenn die Spielereien des Regisseurs das Verständnis der Zusammenhänge erst im zweiten Anlauf ermöglicht. Krassnitzer und Neuhauser verstehen es aber wie kein zweites Tatort-Ermittlerteam, die Schwächen einer Geschichte durch starkes Spiel mehr als auszugleichen. Es macht Spaß, den beiden zuzuschauen, sie sind einfach das „personifizierte höherwertige Interesse“. /sis

Heinz Roggisch (Erik Jan Rippmann) will sich an Moritz Eisner (Harald Krassnitzer, re.) rächen dafür, dass er ihn einst verfolgt und damit aus Wien und der Nähe seiner Mutter vertrieben hat. (ARD Degeto/ORF/Lotus Film/Anjeza Cikopano)

Noch viel Luft nach oben

Noch viel Luft nach oben
Kritik zum Tatort aus Zürich „Züri brännt“
ARD Degeto Tatort “Züri brännt”: Sind sich nicht sicher, ob es sich um einen zweiten Mord handelt v. l. n. re.: Kommissarin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher), Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler) und Staatsanwältin Anita Wegenast (Rachel Braunschweig) (Foto: ARD Degeto/SRF/Sava Hlavacek)

Neues Team, neues Tatortglück für die Schweiz? Das hatten die Tatort-Fans zumindest gehofft. Der erste Fall der beiden neuen Ermittlerinnen Tessa Ott (Carola Schuler) und Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) war dann aber doch etwas wirr, um wirklich zu begeistern. Die Story führte zurück in die Züricher Geschichte der 1980er Jahre und konstruierte die nicht immer nachvollziehbaren Nachwehen einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe damals Jugendlicher und der Polizei. Und wie schon so oft gelesen und gesehen, kommt nach 40 Jahren ein inzwischen totkranker Beteiligter zurück, um sein Gewissen zu erleichtern, den Mord an einem jungen Mädchen zu gestehen und die weiteren Beteiligten ebenfalls zur Offenbarung zu zwingen. Das wiederum führt zu seiner Ermordung, klar, was auch sonst.

Bei „Züri brännt“ standen aber gar nicht die beiden Morde im Mittelpunkt, sondern der obligate Zickenkrieg der Ermittlerinnen. Die eine, weil aus einer bekannten Familie stammend, entsprechend von allen Seiten die Karriereleiter hinaufgeschubst, die andere schon viel länger im Job, obendrein zurückhaltend, beinahe schon devot und nicht unbedingt angetan vom jungen Protegé. Einmal mehr bedienten die Drehbuchautoren Lorenz Langenegger und Stefan Brunner sowie Regisseurin Viviane Andereggen das Klischee von Frauen, die einfach nicht miteinander arbeiten können und das in wirklich übertriebener Art und Weise. Zudem fiel die eine durch ziemliche Respektlosigkeit sowohl ihrer älteren Kollegin als auch verhörten Zeugen gegenüber auf. Grandjean bestand auf das höfliche „Sie“, was Ott aber nicht im mindesten störte. Sie duzte ihre Kollegin munter weiter, egal wie oft ihr ein “Sie” entgegnet wurde. Die streckenweise erschreckend langweiligen Ermittlungsversuche jedenfalls machte dieser Umstand nicht wirklich interessanter.

Wie daraus eine gedeihliche Zusammenarbeit werden soll, wissen wohl nur die Autoren. Aber bekanntlich ist aller Anfang schwer und so sollte man dem neuen Tatort-Team aus Zürich auch erst einmal eine Chance auf Entwicklung geben. Es kann ja immer noch besser werden! /sis

Interessante Geschichte, aber kein Krimi

Interessante Geschichte, aber kein Krimi
Kritik zum Tatort aus Berlin „Ein paar Worte nach Mitternacht“
ARD/rbb Tatort “Ein paar Worte nach Mitternacht”: Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke, li.) finden Klaus Keller (Rolf Becker) an seinem 90. Geburtstag tot auf. Um seinen Hals hängt eine seltsame Nachricht. (Foto: rbb/Stefan Erhard)
Robert Karow (Mark Waschke) sucht nach Moritz Keller. (Foto: rbb/Stefan Erhard)

Da meinte es Drehbuchautor Christoph Darnstädt etwas zu gut mit dem Tatort zu 30 Jahre deutsche Einheit und packte die komplette jüngere Geschichte Deutschlands in seinen Film „Ein paar Worte nach Mitternacht“. Worte, in denen ein 90-jähriger Bauunternehmer auf seiner Geburtsfeier eigentlich seine Schuld aus Nazitagen gestehen will, stattdessen aber am nächsten Morgen tot auf seinem Balkon aufgefunden wird. In der Folge kommt dann neben Hitlerjugend, Stasi, Neonazis, Antisemiten, Rechtsradikale auch der gern bemühte Ost-West-Überbietungskonflikt zur Sprache, reicher Westbruder verschmäht den armen Ostbruder samt Übertragung auf die nächste und übernächste Generation. Und obendrein gab es den klassischen Vater-Sohn-Konflikt ebenfalls gleich in doppelter Ausführung und nicht zu vergessen: eine demente Großmutter im Heim. Mehr ging wirklich nicht. 90 Minuten sollten für eine derart breite Themenpalette schlicht zu wenig sein. Waren sie aber nicht. Das Berliner Kommissars-Duo Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) hatten noch Zeit für private Dates, während sie in aller Ruhe den Schuldigen in den Reihen der beiden betroffenen Familien suchten, die eine sehr erfolgreiche aus dem Westen, die andere aus dem Osten, mehrfach gescheitert und entsprechend wütend auf den Westen und alles was damit zu tun hat. Klischees soweit das Auge reichte. Es gab aber gar keinen Schuldigen, sondern nur eine Schuld, die – typisch deutsch – von den Großeltern auf die Eltern und weiter auf die Enkel übertragen worden war. Der Enkel der reichen Wessis, Moritz Keller (Leonard Scheicher) wiederum war hin und hergerissen zwischen der Liebe zu seinem Großvater Klaus Keller (Rolf Becker), der eben die schwere Schuld mit sich trug und der Liebe zu seiner Freundin Ruth (Victoria Schulz), die ebenfalls mit der Schuld des Alten zu tun hatte. Sie versuchte Moritz zu manipulieren. Er sollte auf seinen Großvater einwirken, dass der seine Schuld öffentlich bekennt und so der frühe Tod eines ihrer Familienmitglieder in der Nazizeit endlich gerecht würde. Und das alles in 90 Minuten! Man musste höllisch aufpassen, wollte man den Geschehnissen bis zum erhellenden Ende folgen. Und dann standen Rubin und Karow zu guter Letzt auch noch mit leeren Händen da. Kein Mord, kein Täter, trotz zweier Toter.

Die Geschichte an sich war sehr interessant. Warum man sie aber in einen Tatort verpacken musste, bleibt das Geheimnis der Macher. Denn statt der für einen Krimi erforderlichen Spannung gab es nur beklemmende Gefühle und tiefes Mitleid für den zwischen den Welten stecken gebliebenen Enkel. /sis

Schlechter ging sowieso nicht mehr

Schlechter ging sowieso nicht mehr
Kritik zum Tatort „Rebland“
ARD/SWR Tatort “Rebland”: Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau) haben Informationen von französischen Kollegen, mit deren Hilfe sie den Kreis der in ihrem Fall Verdächtigen einschränken. (Foto: SWR/Benoit Linder)
Die Kommissare (Hans-Jochen Wagner und Eva Löbau) hoffen, dass Beate Schmidbauer (Victoria Trauttmansdorff) bei einem Vor-Ort-Termin noch etwas zum Hergang des Überfalls auf sie einfällt. (Foto: SWR/Benoit Linder)

Schlechter als sein Vorgänger (Ich hab im Traum geweinet), das war von vornherein klar, konnte der neue Tatort aus dem Schwarzwald nicht werden. Und tatsächlich war „Rebland“ ein solider Krimi mit einer interessanten Story, die am Ende aber zu langatmig geriet. Die Vergewaltigung von Beate Schmidbauer (Victoria Trauttmansdorff), Freundin von Kripochefin Cornelia Harms (Steffi Kühnert), sollten Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Joachim Wagner) aufklären. Als Täter infrage kamen drei Verdächtige, die Tobler und Berg mithilfe erweiterter DNA-Analyse ausfindig gemacht hatten. Inzwischen dank einer Reform auch in Deutschland erlaubt, war diese Ermittlungspraxis zum Zeitpunkt der Entstehung des Drehbuchs von Nicole Armbruster durchaus noch verboten und damit bewegten sich Tobler und Berg auf verbotenem Terrain. Die Informationen hatten sie sich illegal von ihren französischen Kollegen geholt, die seit langem einen Mörder mit gleicher DNA suchten. Warum die Methode noch immer sehr umstritten ist, zeigte die Geschichte dann auch überdeutlich: Das Leben der drei Verdächtigen lief vollkommen aus dem Ruder. Am Anfangen hatten die Kommissare auch nicht mehr als ein paar ungefähre Angaben wie Alter, Haut- und Augenfarbe. Mit diesen groben Angaben wählten sie die drei Verdächtigen aus rund 80 DNA-Proben-Verweigerern aus und stolperten dann im Laufe der Geschichte auf immer mehr Ungereimtheiten im Leben der drei. Der Streifenpolizist Mario Lewandowsky (Marek Harloff) war wegen unkontrollierter Aggressivität aufgefallen, Frisör Victor Baumann (Roman Knizka) hatte bereits Kontakt mit der Polizei wegen sexueller Belästigung und der alleinerziehende Vater Klaus Kleinert (Fabian Busch) tat sich schwer mit den Auflagen des Jugendamtes. Durch die Ermittlungen gerieten alle drei in völlig unnötige Turbulenzen mit Nachbarn und Kollegen, die ihnen massiv zusetzten. Hinzu kamen die verzweifelten Kinder, die die Welt plötzlich nicht mehr verstanden. Polizeitaktisch mag die „erweiterte Merkmalsuntersuchung“ ihren Sinn haben, ethisch und moralisch ist sie höchst fragwürdig, weil die Ermittlungen eben auch Unschuldige treffen und deren Leben völlig zerstören können.

Die Geschichte war schlüssig, wenn auch in Teilen überholt. Allerdings geriet die Inszenierung von Regisseurin Barbara Kulcsar zu langatmig, streckenweise gar langweilig. Einzig die netten Landschaftsaufnahmen vom „Rebland“ versöhnten den Zuschauer ein wenig, wenn der Film auch sonst so gar nichts mit Wein zu tun hatte. Lediglich der Tatort befand sich in einem Weinberg. Dass Beate Schmidbauer überhaupt zum Opfer werden konnte, erschloss sich dem Zuschauer auch nicht wirklich. Keine erwachsene Frau würde mitten in der Nacht ganz allein durch einen Weinberg nach Hause laufen, mag sie auch noch so mutig sein. Es handelte sich bei ihr ja beileibe nicht mehr um ein naives junges Mädchen. Das machte den Tatort vorn vorherein wenig glaubwürdig. Dazu schien die Ermittlungsarbeit mehr vom Zufall als von Erkenntnissen geleitet und Tobler und Berg konnten auch diesmal wieder nicht überzeugen, weder einzeln noch im Zusammenspiel. /sis

Sind es die Ermittlungen, die das Leben von Viktor Baumann (Roman Knizka) umgestülpt haben? Jedenfalls hat seine Frau ihn verlassen und den Sohn mitgenommen. (Foto: SWR/Benoit Linder)

Überzeugende Geschichte mit viel Spannung

Überzeugende Geschichte mit viel Spannung
Kritik zum Polizeiruf 110 aus Magdeburg „Tod einer Toten“
ARD/MDR Polizeiruf 110 “Tod einer Toten”: Doreen Brasch (Claudia Michelsen) muss den Mord an einer jungen Frau aufklären, die eigentlich schon seit vier Jahren tot sein soll. Das jedenfalls behauptet ihr Vater Werner Mannfeld (Christian Kuchenbuch). Maria (Madeleine Tanfal), die Tochter der Toten, hat plötzlich einen Großvater. (Foto: MDR/filmpool fiction/Stefan Erhard)
Kriminalrat Lemp (Felix Vörtler) lässt sich gehen und verursacht prompt alkoholisiert einen Unfall. (Foto: MDR/filmpool fiction/Stefan Erhard)

Spannende Unterhaltung, das hatte der neue Polizeiruf 110 aus Magdeburg mit dem Titel „Tod einer Toten“ zu bieten. Die Geschichte spielte im Drogenmilieu mit all seinen hässlichen Gesichtern zwischen Erpressung und Hinrichtung. Angenehm unkompliziert zeigte sich diesmal Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen), die ganz ohne private Probleme und schlechte Laune dafür aber mit viel Gefühl ermittelte. Recht eigenwillig gab sich Kriminalrat Uwe Lemp (Felix Vörtler). Er litt unter den Folgen einer Alkoholfahrt mit vorhersehbarem Unfall. Zwar zeigte er sich selbst an, am Ende spielte dieses Ereignis im Gesamtzusammenhang aber keine Rolle mehr. Unverständlicherweise. Dafür aber rückten die Drogenfahnder Pia Sommer (Luisa-Céline Gaffron) und Anton Lobrecht (Steffen C. Jürgens) in den Mittelpunkt des Geschehens. Brasch und Sommer verstanden sich ausnehmend gut und der Zuschauer glaubte schon an ein künftiges Ermittlerduo, als die junge Drogenfahnderin völlig überraschend von ihrem Partner erschossen wurde. Ein Partner, der voller Hass seinen privaten Rachefeldzug angetreten hatte und für vier Tote verantwortlich war.

Etwas fraglich war die Aktion des Jugendamtes, die Tochter der Toten unvermittelt bei ihrem Großvater abzugeben. Die erst vierjährige Maria hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Realistisch war das gewiss nicht, dramaturgisch aber eine reizvolle Wende. Maria und Opa Werner Mannfeld (Christian Kuchenbuch) verstanden sich wider Erwarten auf Anhieb sehr gut. Und Werner Mannfeld bekam die Gelegenheit, an der Enkelin und dem Schwiegersohn Alex Zapf (Ben Münchow) wieder gut zu machen, was er bei seiner Tochter Jessica versäumt hatte. Eine gute Geschichte, mit durchgängiger Spannung und einem zufriedenstellenden Ende. So, wie ein echter Krimi eben sein muss. /sis

Lemp (Felix Vörtler) erscheint geschockt am Tatort und erfährt von Brasch (Claudia Michelsen) von dem Mord an Jessica. Er musste befürchten, dass es sich um das Unfallopfer handelt. (Foto: MDR/filmpool fiction/Stefan Erhard)

Die Entdeckung der Langsamkeit

Die Entdeckung der Langsamkeit
Kritik zum Tatort Frankfurt Funkstille
ARD/HR Tatort “Funkstille”: (v.l.n.r.) Raymond Fisher (Kai Scheve), Gretchen Fisher (Tessa Mittelstaedt) im Gespräch mit Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch). Was eine Befragung werden sollte, entpuppt sich als nette Plauderei bei Milch und Keksen. ( Foto: HR/Bettina Müller)
Raymond Fisher (Kai Scheve) und seine Frau Gretchen (Tessa Mittelstaedt) wollen die Welt retten, indem sie sich als Doppelagenten betätigen. (Foto: HR/Bettina Müller)

„Funkstille“ herrschte im wahrsten Wortsinn zur besten Krimizeit am Sonntagabend: Es gab keinerlei Spannung im neuen Tatort aus Frankfurt mit den Kommissaren Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch). Tatsächlich entdeckten die Drehbuchautoren Stephan Brüggenthies und Andrea Heller mit Regisseur Stanislaw Mucha die Langsamkeit als Stilmittel für sich. Und diese Langsamkeit zog sich durch den ganzen Film, der statt Krimi gerne Agententhriller gewesen wären. Lange, völlig belanglose Kameraeinstellungen sorgten beim Zuschauer für einen heftigen Kampf mit den Augenlidern. Tessa Mittelstaedt ist zwar eine schöne Frau, ihr aber ausgiebig beim Kauen zuzusehen, erfüllt nicht unbedingt den Anspruch an gute Unterhaltung. Worum ging es in diesen Krimi? Die junge Emily Fisher (Emilia Bernsdorf), Tochter der amerikanisch-russischen Doppelagenten Gretchen (Tessa Mittelstaedt) und Raymond Fisher (Kai Scheve), durchlebt ihre erste Liebe, die durch den Mord an ihrem Freund ein dramatisches Ende findet. Im Laufe der Ermittlungen stoßen Janneke und Brix auf das Agentenehepaar, das am Ende tatsächlich den Tod des Jungen verursacht hat. Bis die Kommissare das aber herausfinden dürfen, muss sich der Zuschauer die geheimen Treffen der Agenten anschauen, ohne zu wissen, was sie da gerade ausspionieren. Sie spionieren einfach, hören ab, geben ihre Erkenntnisse an beide Seiten weiter und sind ansonsten mit ihrer rebellischen Tochter beschäftigt, die nicht verstehen will, wieso ausgerechnet ihre Eltern die Welt retten müssen. So großspurig, wie sich das anhört, kam der ganze Film daher. Übertrieben in jeder Hinsicht. Sebastian musste sterben, weil Emilys Mutter eine Affäre mit ihm hatte und er dabei aus Versehen auf ihr geheimes Abhörequipment gestoßen war. Emilys Vater fällt dann auch noch der Mordlust seiner Frau zum Opfer, weil Mitwisser in der Agentenszene per se unerwünscht sind. Er wird vergiftet und stirbt stilecht im Fahrstuhl.

Vielleicht wollten die Macher dieses Tatorts zu viel: Agenten, erste Liebe, Mutter hat Affäre mit Freund der Tochter, das alles in einer Geschichte, das kann in 90 Minuten nur oberflächlich abgehandelt werden. Hinzu kamen die langen Kameraeinstellungen, die keineswegs interessante Aspekte offenbarten, sondern für weitere unnötige Längen sorgten. War hier wieder eher Kunst statt Krimi beabsichtigt? Wenn ja, dann ging auch das daneben: „Funkstille“ ist einfach nur langweilig!

(v.l.n.r.) Paul Brix (Wolfram Koch), Anna Janneke (Margarita Broich), Fanny (Zazie de Paris) und Kriminalassistent Jonas (Isaak Dentler) gönnen sich eine Pause. (Foto: HR/Bettina Müller)

 

Einfach nur solide Unterhaltung

Einfach nur solide Unterhaltung
Kritik zum Tatort Wien “Pumpen”
ARD Degeto Tatort “Pumpen”: Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und seine Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) befragen Rainer Kovacs (Anton Noori). (Foto: ARD Degeto/ORF/Allegro Film/Hubert Mican)
Moritz Eisner und Bibi Fellner ermitteln im Umfeld eines Fitnessstudios (Foto: ARD Degeto/ORF/Allegro Film/Hubert Mican

Der Auftakt in die neue Tatort-Saison fiel eher etwas gediegen aus. Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) ermittelten in der Body Builder-Szene, oberflächlich ging es um den Handel mit illegalen Anabolika einer schon rein optisch recht „aufgepumpten“ Gangstersippe vom Balkan. Klischees über Klischees – wäre da nicht das grandiose Ermittlerteam, man hätte frühzeitig abgeschaltet. Eisner und Fellner bekamen in diesem Fall Unterstützung von ihrem übereifrigen Assistenten Manfred Schimpf (Thomas Stipsits), der seinen Undercover-Einsatz im Fitnessstudio mit einer ordentlichen Tracht Prügel bezahlte, und dem Ex-Kollegen Rainer Kovacs (Anton Noori), der aber von Anfang an anderes im Sinn hatte, als die Kommissare mit seinen Erkenntnissen zu erhellen. Tatsächlich ging es nämlich nur auf den ersten Blick um den Anabolika-Handel. Die Kraftprotze vom Balkan ergaunerten sich ihr üppiges Einkommen durch klassischen Sozialbetrug. Kranke Menschen aus Osteuropa bezahlten sie unter anderem für die Benutzung falscher Identitäten, um so in den Genuss guter medizinischer Versorgung zu kommen. Der vermeintliche Selbstmörder, das Opfer Nummer 1, schien hinter die Machenschaften der Balkan-Connection gekommen zu sein, Opfer Nummer 2, der Chef des Fitnessstudios dagegen, wurde aus Rache ermordet. Die Benutzung elektronischer Gesundheitskarten durch Unbefugte kann durchaus auch unangenehme Folgen haben, wenn unwissentlich Risiken und Nebenwirkungen beim eigentlichen Inhaber der Karte wegen falscher Eintragungen übersehen werden. Ein höchst interessantes Thema, das bislang noch nicht richtig in der Öffentlichkeit angekommen ist. Für einen Krimi aber waren das zu viele Themen auf einmal. Recht unterhaltsam hingegen war die Nebengeschichte: Bibi Fellner unterstellt ihrem neuen Freund Franz Heiss (Christoph Kail) eine Affäre, weil sie einfach nicht anders kann, als misstrauisch zu sein.

Verwirrend war der Tatort aus Wien, aber doch solide Unterhaltung. Viele Klischees, einige Längen und dazu die rein akustisch nicht immer gut zu verstehenden Dialoge riefen nicht direkt Begeisterungsstürme hervor, auch wenn es gegen Ende doch noch spannend wurde. Krassnitzer und Neuhauser aber sind ein unschlagbares Team, das mit seiner ganz eigenen Ausstrahlung und viel Wiener Charme den ersten Tatort der Saison dann doch noch zu einem sehenswerten Krimi machten. /sis

“Pumpen” für die Fitness war duchaus wörtlich gemeint: Manfred Schimpf (Thomas Stipsits) ermittelt undergover im Fitnessstudio und trifft auf den Mitarbeiter Markus Hangl (Laurence Rupp), der nicht nur die Betreuung der Mitglieder im Sinn hat. (Foto: ARD Degeto/ORF/Allegro Film/Hubert Mican)

Traum oder Albtraum?

Traum oder Albtraum?
Rezension Andreas Eschbach „Eine Billion Dollar“

Es ist schon eine sensationelle Geschichte, die Andreas Eschbach in seinem 2001 erschienen Roman „Eine Billion Dollar“ erzählt. Eine Geschichte, von der vermutlich sehr viele Menschen träumen. Für John Salvatore Fontanelli wird dieser Traum wahr. Er ist am 23. April 1995 der jüngste Nachfahre des Kaufmanns Giacomo Fontanelli und damit der Erbe eines vor genau 500 Jahren angelegten Vermögens. Und dieses Vermögen ist gigantisch, größer als ein Mensch es sich vorstellen kann: Eine Billion Dollar. Damit wird John Fontanelli auf einen Schlag zum reichsten Mann der Erde.

John erfährt von dieser Erbschaft in einer Zeit, in der er in seinem noch jungen Leben ganz unten angekommen ist. Nach einer unglücklichen Liebe findet er Unterschlupf bei seinem Freund Marvin, einem recht eigenwilligen Musiker. Er fährt Pizzen aus, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Darum kann er sein Glück kaum fassen, als er von der italienischen Anwaltsfamilie Vacchi, die das zu Beginn noch recht bescheidene Vermögen des Giacomo Fontanelli seit 1495 bewahrt und dafür gesorgt hat, dass es sich reichlich mehrt, in einem nobel New Yorker Hotel von der Erbschaft erfährt. Eduardo Vacchi, dessen Vater Gregorio und Onkel Alberto sowie Großvater Cristoforo Vacchi, der Padrone der Familie, führen John während der Testamentseröffnung kurz nach dem 23. April 1995 behutsam an die tatsächliche Höhe seines Erbes heran. Es dauert eine ganze Weile, bis John das Ausmaß begreift. Und auch mit der Prophezeiung, die sich an das Erbe knüpft, kann er lange nichts anfangen. Giacomo Fontanelli hat in seinem Testament festgeschrieben, dass der Erbe mit dem Geld der Menschheit die verlorene Zukunft zurückgegen soll. John reist mit den Vacchis nach Florenz und genießt erst einmal seinen Reichtum. Alles könnte so schön sein, wäre da nicht die Prophezeiung. Ausgerechnet er, der arme Schlucker aus New York, der noch nie mit Geld umgehen konnte, soll der Menschheit ihre Zukunft zurückgeben? Und dann taucht Malcom McCaine in Johns Leben auf und behauptet, einen Plan für die Erfüllung der Prophezeiung zu haben.

Andreas Eschbach versteht es, den Leser mit seiner Hauptfigur mitleiden zu lassen. Über fast 900 Seiten lang fürchtet der Leser, dass der sympathische John Salvatore Fontanelli sein Vermögen wieder verlieren könnte. Und tatsächlich finden sich außer den Geheimnissen um McCaine weitere Neider, die ihm sein Vermögen abjagen wollen und jede Menge Ungereimtheiten, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Erbschaft aufkommen lassen. Die Geschichte bleibt spannend bis zum Schluss und entführt den Leser in die Welt der Reichen und Mächtigen. Sehr deutlich wird die umfassende Macht großer Konzerne, die mit ihrem Geld Staaten in die Knie zwingen und über das Wohl und Wehe ganzer Völker entscheiden können. Dazu liefert Eschbach in den Seitenzahlen Informationen über riesengroße Geldbeträge, wie etwa die Gesamtausgaben im Gesundheitswesen in Deutschland oder die Auslandsschulden Mexikos. Eigentlich interessante Informationen, die aber den Lesefluss unterbrechen und deshalb eher störend wirken. Dennoch sollte man „Eine Billion Dollar“ unbedingt lesen, es lohnt sich! /sis

Bibliographische Angaben
Andreas Eschbach: Eine Billion Dollar
Roman, Lübbe, 2001, 896 Seiten
ISBN 3-7857-2049-1

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