Dringendes Problem in eine spannende Geschichte verpackt

Dringendes Problem in eine spannende Geschichte verpackt
Kritik zum Tatort Dresden „Rettung so nah“
ARD/MDR Tatort “Rettung so nah”: Karin Gorniak (Karin Hanczewski, re.), Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) und Leo Winkler (Cornelia Gröschel) inspizieren das Lager einer Obdachlosen unter den Elbbrücken (Foto: MDR/MadeFor/Daniela Incoronato)

Schwieriges Thema, spannende Umsetzung und ein Ermittlerduo auf Augenhöhe, so wünscht man sich den Tatort. Drehbuchautor Christoph Busche hatte sich für den Tatort mit dem Titel „Rettung so nah“ die Probleme der Rettungsdienste ausgesucht. Welchen Bedrohungen die Retter Tag für Tag ausgesetzt sind, stand dabei im Vordergrund. Busche machte aber auch nicht vor der Beschreibung der anderen Seite halt. Er stellte die Eignung von Rettungssanitätern in Frage, die unter Drogeneinfluss Kranken oder Schwerverletzten zur Hilfe eilen. Können sie ihren Dienst dann noch im Interesse der Patienten ausführen? Was ist mit der moralischen Eignung von Rettern, die sich aus Angst vor Übergriffen bei ihren Einsätzen bewaffnen oder die die Rettungswache als kostenlosen Lieferanten von Medikamenten betrachten. In diesem Umfeld müssen die Dresdner Kommissarinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) nach dem Mörder des Rettungssanitäters Tarik Wasir (Zeihun Demirov) suchen. Auch ein ausländerfeindlicher Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, nachdem seine Kollegin Greta Blaschke (Luise Aschenbrenner) davon sprach, dass Tarik sich offenbar verfolgt fühlte. Tatsächlich aber ist es Greta selbst, die von Jens Schlüter (großartiger Golo Euler) ins Visier genommen wurde, nachdem Greta bei der Versorgung von Schlüters Tochter, die einen allergischen Schock erlitten hatte, im Drogenrausch vielleicht einen Fehler gemacht und damit den Tod des kleinen Mädchens verursachte. Nach einem weiteren Anschlag auf einen Rettungswagen der Wache, stellt Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) die gesamte Wache unter Polizeischutz und schickt Karin Gorniak mit Greta zu den Einsätzen. Nachdem der vermeintliche Täter gefasst ist, wird der Polizeischutz aufgehoben. Greta aber weiß, dass Schlüter weiter auf Rache sinnt und bietet dem vermeintlichen Mörder in dessen Haus die Stirn. Das kostet sie fast das Leben.

Dem Tatort gelang es, die Probleme der Rettungsdienste in eine berührende und zugleich ungemein spannende Geschichte zu verpacken. Der Zuschauer blieb mit der Frage zurück, was in einer Gesellschaft falsch läuft, die diejenigen angreift, beschimpft und bedroht, die anderen helfen wollen. Eine Frage, die dringend einer Antwort bedarf. Für beste Krimiunterhaltung sorgten dabei Gorniak und Winkler, die erstmals auf Augenhöhe agierten. Gorniak bekam mehr Raum in diesem Tatort, Winkler stand nicht mehr allein im Mittelpunkt. Dazu gab es noch ein bisschen Hygieneerziehung für das Publikum: Ganz Dresden litt zur Spielzeit an einer Grippe, nieste aber vorbildlich in die Armbeuge und desinfizierte sich die Hände! Corona lässt schön grüßen! /sis

Karin Gorniak (Karin Hanczewski, li.) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) ermitteln in “Rettung so nah” erstmals auf Augenhöhe. (Foto: MDR/MadeFor/Daniela Incoronato)

Das war in den bisherigen Tatorten der beiden aus Dresden nicht der Fall. In “Parasomnia” zum Beispiel stehen Talias Tagträume und Leonie Winklers Versuche, das Mädchen zu beruhigen im Vordergrund.

ARD/MDR Tatort “Parasomnia”: Talia (Hannah Schiller, re.) leuchtet aus dem Schlaf aufgeschreckt mit einer Taschenlampe, neben ihr im Bett schläft Leonie Winkler (Cornelia Gröschel). (Foto: MDR/MadeFor/Daniela Incoronato)

Horrorthriller statt Krimi

Horrorthriller statt Krimi
Kritik zum Tatort Dresden Parasomnia
ARD/MDR Tatort “Parasomnia”: Die Ermittlerinnen Leonie Winkler (Cornelia Gröschel, li.) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) finden die Tatwaffe, an der das Blut von mehr als einer Personen haftet. (Foto: MDR/MadeFor/Daniela Incoronato)
Talia (Hannah Schiller, re.) fürchtet sich im Dunkel und hat deshalb immer eine Taschenlampe um den Hals hängen. (Foto: MDR/MadeFor/Daniela Incoronato)

Unter Parasomnie versteht man eigentlich verschiedene Schlafstörungen. Dazu gehören Schlafwandeln, Albträume und der sogenannte Schlafterror, auch Nachtangst genannt. Dahinter versteckt sich das aus Horrorfilmen bekannte Bild: Ein Mensch sitzt kerzengerade im Bett, schreit, ist völlig von der Rolle und lässt sich kaum beruhigen. Die Hauptfigur des neuen Dresdener Tatorts mit dem Titel „Parasomnia“ litt an einer Mischung aus tief verwurzelten Schuldgefühlen in Verbindung mit Nachtangst, sie sah ihre Gespenster aber nicht nur in der Nacht, sondern selbst am helligten Tag in der Schule zum Beispiel. Und so war denn auch die Geschichte ziemlich unwirklich und zielte lediglich auf den Gruselfaktor der Nachtangst ab. Talia (Hannah Schiller) und ihr Vater Ben (Wanja Mues) kämpfen mit dem Unfalltod der Mutter, jeder der beiden hält sich für schuldig. Während Ben seine Schuld in seinen dämonischen Bildern verarbeitet, beginnt Tochter Talia eine tote Frau zu sehen, nachdem sie direkt beim Einzug in ihr altes, halb verfallenes Haus einen Mörder überrascht hat. Seit dem Tod der Mutter hat sie sich angewöhnt, Unangenehmes zu verdrängen. Und so kann sie den Kommissarinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) nicht wirklich bei der Aufklärung des Mordes an dem unbekannten Mann helfen, der in einem leeren Zimmer des Hauses gefunden wird. Weil sich Talia aber durch die Ähnlichkeit mit ihrer Mutter zu Leonie Winkler hingezogen fühlt, offenbart sich das junge Mädchen nach und nach der Kommissarin und führt die Ermittler so zu einem Serienmörder aus DDR-Zeiten.

Die Geschichte an sich hatte einiges an überraschenden Wendungen zu bieten, bezog die gesamte Spannung aber aus den Gruselszenen. Die „Untote“ trieb nicht nur in Talias Kopf ihr Unwesen, sondern spukte recht real durch das ohnehin gruselige Haus. Während die Kommissarinnen und ihr eigenwilliger Chef Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) das Gruselhaus immer wieder verlassen konnten, ließ Drehbuchautor Erol Yestilkava die Zuschauer Talias Nachtangst miterleben. Die gesamte Geschichte drehte sich auch mehr um Talias Trauma durch den Tod ihrer Mutter und Leonie Winklers Versuche, sie zu beruhigen und zu ermutigen, sich ihren Ängsten zu stellen. Ermittlungen fanden eher am Rande statt und bezogen sich auch rasch nicht mehr auf den ursprünglichen Fall. Es ging nur noch um die Identifizierung der toten Frau, die Talia verfolgte und die die Ermittler mit mehr als unglaubwürdigen Mitteln letztlich zu weiteren im Garten verscharrten Leichen und dem Serienmörder führten. Alles in allem handelt es sich bei „Parasomnia“ um einen gut gemachten Horrorthriller, der aber einmal mehr so gar nichts mit einem spannenden Krimi gemein hat. Nicht jeder, der Spannung liebt, mag auch Horror! /sis

Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach, li) und Kollegen der Spurensicherung finden im Garten des Gruselhauses noch mehr Leichen. (Foto: MDR/MadeFor/Daniela Incoronato)

Zu viele Nachlässigkeiten

Zu viele Nachlässigkeiten
Kritik zum Tatort Dresden „Die Zeit ist gekommen“
ARD/MDR Tatort “Die Zeit ist gekommen”: Gemeinsam mit Peter Schnabel (Martin Brambach) verfolgen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) die Geschehnisse im Kinderheim. (Foto: MDR/W&B Television/Michael Kotschi)
Die Kommissarinnen Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) befinden sich gerade unterwegs, als sie die Nachricht von Louis Bürgers Flucht erreicht. (Foto: MDR/W&B Television/Michael Kotschi)

War es Nachlässigkeit? Oder doch die Überzeugung, dass der Zuschauer es nicht merkt? Wie kann ein und dasselbe Fluchtauto am Ende des Tatorts „Die Zeit ist gekommen“ – ohne Möglichkeit zum Austausch – zwei verschiedene Nummernschilder haben, an der Tankstelle gut sichtbar “TF” und kurze Zeit später im Feld dann “DD”? Derart grobe Fehler dürften eigentlich bei einem Tatort nicht passieren. Das und einige offene Fragen, etwa woher Louis Bürger (Max Riemelt) überhaupt das Auto zur Flucht und Klebeband und Schnur zum Fesseln seines Entführungsopfers Nico (Emil Belton) hatte, trübten den Eindruck der an sich guten Geschichte der Drehbuchautoren Stefanie Veith und Michael Comtesse doch erheblich. Auch die Durchschaubarkeit der Tathintergründe und die entsprechend nachlässigen Ermittlungen des Ausgangsmordes nahmen der Geschichte sehr viel Dynamik. So blieb am Ende nur eine Geiselnahme fast schon aus Versehen, die den Dresdner Kommissariatsleiter Peter Schnabel (Martin Brambach) und die immer noch sehr auf Distanz bedachten Kommissarinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) weit mehr interessierten als der Fall selbst. Immerhin führte dieser Tatort den Zuschauern sehr deutlich vor Augen, was es für einen vermeintlich Verdächtigen heißt, wenn sich die Polizei auf ihn als Täter einschießt, weitere Spuren gar nicht mehr verfolgt, sondern ohne Rücksicht auf Verluste versucht, ihren Verdächtigen zu überführen. Für den armen Louis Bürger, den Gorniak und Winkler sich anhand weniger fragwürdiger Indizien als Mörder seines Nachbarn auserkoren hatten, war das offenbar nicht der erste Fall von Justizirrtum. Schon einmal will er zu Unrecht verurteilt worden sein. Fest entschlossen nicht noch einmal für ein Verbrechen ins Gefängnis zu gehen, das er nicht begangen hat, hilft ihm seine Frau Anna (großartige Katia Fellin) aus der Untersuchungshaft zu entkommen. Mit ihrem zwölfjährigen Sohn Tim (Claude Heinrich), der in einem Kinderheim untergebracht ist, wollen sie nach Kroatien fliehen und dort ein neues Leben beginnen. Doch im Kinderheim treffen die drei auf ein Großaufgebot an Polizei, das geradezu unfähig permanent für weitere Eskalation sorgt, völlig unnötig! Genauso unnötig wie die äußerst grobe Verhaftung Louis Bürgers am Ende seiner Flucht. Zwar hatte er sich nun doch einer Geiselnahme mit Waffengewalt schuldig gemacht, doch konnte man mit ihm und seiner Familie nur Mitleid haben. Und wofür die Zeit denn nun gekommen war, ließ sich auch nicht unbedingt erkennen. War es die Zeit für Louis und seine Familie zu fliehen oder die Zeit für Annas Schwägerin, Tim endgültig von Jugendamt zugesprochen zu bekommen? War es die Zeit für Annas Bruder, seiner Eifersucht freien Lauf zu lassen oder die Zeit für das bis an die Zähne bewaffnete Sondereinsatzkommando, die Geiseln nach langem Zögern doch mit Gewalt aus den Händen der Geiselnehmer zu befreien? Wer weiß?

Die vielen kleinen und großen Nachlässigkeiten jedenfalls reduzierten die grundsätzlich interessante Geschichte leider nur auf Mittelmaß. Dazu kamen einige Längen und wieder einmal viel zu viel Brutalität, die leicht hätte vermieden werden können. /sis

Während der Großteil der Heimkinder in Sicherheit gebracht wird, nähern sich Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) dem Ort der Geiselnahme – einige Kinder befinden sich noch im Gebäude. (Foto: MDR/W&B Television/Michael Kotschi)

Kommissare auf Irrwegen

Kommissare auf Irrwegen
Kritik zum Tatort aus Dresden „Nemesis“
ARD/MDR Tatort “Nemesis”: Auf der Suche nach Nazarians Kreditkarte findet die Barkeeperin Lissy (Dena Abay) den ermordeten Joachim Benda in dessen Büro. Foto: MDR/W&B Television/Daniela Incoronato.
Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) haben den entscheidenden Beweis gefunden und sind auf dem Weg, um den Täter zu verhaften. Foto: MDR/W&B Television/Daniela Incoronato.

„Nemesis“ hieß der erste neue Tatort nach der Sommerpause mit dem ebenfalls noch neuen Dresdener Ermittlerduo Oberkommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczweski) und Oberkommissarin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel). Und der Titel war Programm, denn die Gattin des Mordopfers, Katharina Benda (Britta Hammelstein), entpuppte sich als wahre „Rachegöttin“. Nur leider verwies eben dieser Titel auch schon von Anfang an auf die Hintergründe der Tat und das nahm der Geschichte aus der Feder der Drehbuchautoren Mark Monheim und Stephan Wagner, der zugleich Regie führte, viel der möglichen Spannung. Und so zogen sich die Ermittlungen doch etwas in die Länge, die die Kommissarinnen erst einmal auf einen Irrweg ins Mafia-Milieu mit klassischer Schutzgelderpressung und Geldwäsche führten. Leider wurden in diesem Zusammenhang auch gleich wieder die alten Klischees von verdienten Polizisten bedient, die früher gerne einmal ein Auge zugedrückt haben. So soll Leonie Winklers Vater Otto Winkler (Uwe Preuß) eben solchen Geldwäschegeschäften einfach zugeschaut haben, was natürlich der Tochter überhaupt nicht schmecken wollte. Auch Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (großartiger Martin Brambach) hatte mit „Befangenheit“ zu kämpfen, entpuppte er sich doch als guter Freund und Vertrauter des Opfers und dessen rachsüchtiger Ehefrau. Dass sowohl Leonie Winkler als auch Chef Schnabel von den Ermittlungen hätten ausgeschlossen werden müssen, sei nur am Rande erwähnt. Spätestens als die Ermittlungen nur noch in Richtung Ehefrau des Opfers und deren beiden Söhne Valentin (Caspar Hoffmann) und Viktor (Juri Sam Winkler) wiesen, wäre das Aus für Schnabel angezeigt gewesen. Doch er glaubte hartnäckig an die Unschuld seiner Freundin Katharina Benda und legte seinem Team einige Steine in den Weg, bis es beim dann endlich auch spannenden, wenn auch etwas übertriebenen Finale keinen Zweifel mehr an ihrer Schuld gab.

Nicht hinweg sehen kann man über die Tatsache, dass Oberkommissarin Gorniak an der Seite ihrer neuen Kollegin eigentlich nur noch die zweite Geige spielt, ja fast schon zur Nebenfigur degradiert wird. Schade, mit Leonie Winklers Vorgängerin Hennie Sieland (Alwara Höfels) gab es zwar gelegentliche Reibereien, aber sie arbeiteten doch zumindest auf Augenhöhe. Bleibt zu hoffen, dass sich in den nächsten Folgen aus Dresden das Niveau des neuen Ermittlerduos wieder angleicht. /sis

Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) und Peter Schnabel (Martin Brambach) koordinieren die Einsatzkräfte am Einsatzort. Schnabel beschreibt der Feuerwehr die Lage. Foto: MDR/W&B Television/Daniela Incoronato

Psychothriller mit hohem Gruselfaktor

Psychothriller mit hohem Gruselfaktor
Kritik zum Tatort Dresden „Das Nest“
ARD/MDR Tatort “Das Nest”: Das neue Dresdner Tatort-Team v.l.: Karin Gorniak (Karin Hanczewski), Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) und Leonie “Leo” Winkler (Cornelia Gröschel), (Foto: MDR/Wiedemann und Berg/Daniela Incoronato)

Logisch geht es nicht zu in diesem Tatort aus Dresden mit dem Titel „Das Nest“ aus der Feder des erst kürzlich mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Drehbuchautors Erol Yesilkava. Gleich zum Auftakt passiert ein schwerer Unfall und die offenbar unverletzte Fahrerin läuft einfach weg, mitten in der Nacht auf einer Straße im Nirgendwo. Sie marschiert zufällig genau in das verlassene Hotel, in dem eine Anzahl präparierter Leichen als fröhliche Gästerunde drapiert ist. Menschen, die offenbar niemand vermisst in einer Umgebung, die nicht so leicht zu finden ist! Gleich anschließend versucht die Polizei den Mörder zu stellen, indem sie Oberkommissarin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) als neue und völlig unerfahrene Kollegin an der Seite von Oberkommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) ganz allein in besagtem Hotel auf den Massenmörder warten lässt. Gorniak wird bei dieser Aktion von dem Täter mit einem Messer schwer verletzt, das SEK schaut untätig zu und Kollegin Winkler wird statt suspendiert auch noch hoch gelobt. Damit nicht genug, zwei Monate nach diesen Ereignissen wird einem potenziell Verdächtigen das Messer mit dem Blut von Gorniak untergeschoben, zwei Monate, in denen der wahre Täter Christian Mertens (Benjamin Sadler), ein intelligenter Chirurg, besagte Tatwaffe nicht etwa gereinigt und entsorgt, sondern schlicht in einer Plastiktüte verpackt samt Blut aufbewahrt hat. Wozu? In einer weiteren Szene trägt eben dieser Christian Mertens seine bereits erwachsene, schwer übergewichtige Tochter wie ein Fliegengewicht quer durchs Haus und auch seine Frau Nadine (Anja Schneider) kommt nicht auf die Idee, dass es mit ihrem wiederholt plötzlichen Tiefschlaf nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann. Und zu guter Letzt hat der Täter für all den Irrsinn nur eine Erklärung: Er will töten, das ist seine Natur. Komisch nur, dass er nicht schon früher aufgefallen ist. Ein schlüssiges Motiv fehlt ebenso wie die Erläuterung, warum er die Leichen konserviert und zur Schau stellt. Für wen?

Mit Logik hatte dieser Tatort also absolut gar nichts zu tun, dafür aber viel mit Psychoterror. Der Massenmörder kannte keine Gnade und machte aus seinen Mordgelüsten keinen Hehl. Auch die neue Kollegin legte leicht profilneurotische Züge an den Tag, war mehr darauf bedacht, ihrem Chef Peter Schnabel (Martin Brambach) und dem ehrgeizigen Vater Otto Winkler (Uwe Preuss) zu gefallen, statt ihrer Partnerin beizustehen. Und selbst Karin Gorniak war am Ende so von Hass und Abscheu erfüllt, dass sie den Täter am liebsten abgeschlachtet hätte. Kein Krimi also, sondern ein astreiner Psychothriller, der mit einem hohen Gruselfaktor die fehlende Spannung aber mehr als wett machte. Es bleibt zu hoffen, dass die „Neue“ sich noch ins Dresdner Team einfindet und nicht der Zickenkrieg zwischen Winkler und Gorniak künftig den Tatort aus Dresden bestimmt.  

Ganz nebenbei kann „Das Nest“ aber wunderbar als Lehrstück für angehende Drehbuchautoren dienen, enthält dieser Tatort doch den kompletten Bauplan für einen gelungenen Film. Sämtliche Wendepunkte sitzen genau da, wo sie zu sitzen haben, der Höhepunkt in der Mitte wird schön herausgearbeitet mit der Enttarnung des Täters und von da an geht es lehrbuchmäßig bergab bis zum unvermeidlichen Showdown am Ende. So klar erkennbar sind die einzelnen Bestandteile, aus denen ein Film gestrickt wird, nur sehr selten. /sis

Karin Gorniak ist voller Hass und Abscheu für den Täter. Das Ende des Films bleibt offen, ob Gorniak und ihre neue Partnerin Leonie Winkler den gestellten Massenmörder aus Notwehr erschießen oder ihn doch gezielt hinrichten. (Foto: MDR/Wiedemann und Berg)
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