Interessante Geschichte, aber kein Krimi

Kritik zum Tatort aus Berlin „Ein paar Worte nach Mitternacht“
ARD/rbb Tatort “Ein paar Worte nach Mitternacht”: Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke, li.) finden Klaus Keller (Rolf Becker) an seinem 90. Geburtstag tot auf. Um seinen Hals hängt eine seltsame Nachricht. (Foto: rbb/Stefan Erhard)
Robert Karow (Mark Waschke) sucht nach Moritz Keller. (Foto: rbb/Stefan Erhard)

Da meinte es Drehbuchautor Christoph Darnstädt etwas zu gut mit dem Tatort zu 30 Jahre deutsche Einheit und packte die komplette jüngere Geschichte Deutschlands in seinen Film „Ein paar Worte nach Mitternacht“. Worte, in denen ein 90-jähriger Bauunternehmer auf seiner Geburtsfeier eigentlich seine Schuld aus Nazitagen gestehen will, stattdessen aber am nächsten Morgen tot auf seinem Balkon aufgefunden wird. In der Folge kommt dann neben Hitlerjugend, Stasi, Neonazis, Antisemiten, Rechtsradikale auch der gern bemühte Ost-West-Überbietungskonflikt zur Sprache, reicher Westbruder verschmäht den armen Ostbruder samt Übertragung auf die nächste und übernächste Generation. Und obendrein gab es den klassischen Vater-Sohn-Konflikt ebenfalls gleich in doppelter Ausführung und nicht zu vergessen: eine demente Großmutter im Heim. Mehr ging wirklich nicht. 90 Minuten sollten für eine derart breite Themenpalette schlicht zu wenig sein. Waren sie aber nicht. Das Berliner Kommissars-Duo Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) hatten noch Zeit für private Dates, während sie in aller Ruhe den Schuldigen in den Reihen der beiden betroffenen Familien suchten, die eine sehr erfolgreiche aus dem Westen, die andere aus dem Osten, mehrfach gescheitert und entsprechend wütend auf den Westen und alles was damit zu tun hat. Klischees soweit das Auge reichte. Es gab aber gar keinen Schuldigen, sondern nur eine Schuld, die – typisch deutsch – von den Großeltern auf die Eltern und weiter auf die Enkel übertragen worden war. Der Enkel der reichen Wessis, Moritz Keller (Leonard Scheicher) wiederum war hin und hergerissen zwischen der Liebe zu seinem Großvater Klaus Keller (Rolf Becker), der eben die schwere Schuld mit sich trug und der Liebe zu seiner Freundin Ruth (Victoria Schulz), die ebenfalls mit der Schuld des Alten zu tun hatte. Sie versuchte Moritz zu manipulieren. Er sollte auf seinen Großvater einwirken, dass der seine Schuld öffentlich bekennt und so der frühe Tod eines ihrer Familienmitglieder in der Nazizeit endlich gerecht würde. Und das alles in 90 Minuten! Man musste höllisch aufpassen, wollte man den Geschehnissen bis zum erhellenden Ende folgen. Und dann standen Rubin und Karow zu guter Letzt auch noch mit leeren Händen da. Kein Mord, kein Täter, trotz zweier Toter.

Die Geschichte an sich war sehr interessant. Warum man sie aber in einen Tatort verpacken musste, bleibt das Geheimnis der Macher. Denn statt der für einen Krimi erforderlichen Spannung gab es nur beklemmende Gefühle und tiefes Mitleid für den zwischen den Welten stecken gebliebenen Enkel. /sis

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