Drei Kommissare im Abseits

Drei Kommissare im Abseits
Kritik zum Tatort „In der Familie“ Teil 2
ARD/BR Tatort “In der Familie” Teil 2: Durch den Mord am Bauamtsleiter kommen die Kriminalhauptkommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, links) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) wieder auf die Spur von Luca Modica und Pippo Mauro. (Foto: BR/WDR/X Filme Creative Pool GmbH/Hagen Keller)
Peter Faber (Jörg Hartmann, links) stört die Observation von Leitmayr (Udo Wachtveitl, rechts) und Batic und macht so den Mafia-Boss Domenico Palladio (Paolo Sassanelli, Mitte) auf die Überwachung aufmerksam. (Foto: BR/WDR/X Filme Creative Pool GmbH/Hagen Keller)

Man hatte sich mehr erwartet von der Jubiläumsdoppelfolge des Tatorts mit dem Titel „In der Familie“. Auch im zweiten Teil standen die Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und ihre Ermittlungen abseits des Geschehens wie schon im ersten Teil in Dortmund. Und der groß angekündigte Besuch der Dortmunder Kollegen in München entpuppte sich als Solokurzauftritt von Peter Faber (Jörg Hartmann), der genauso gut hätte unterbleiben können.

Wieder standen die Mafia und ihre Menschenverachtung im Vordergrund. Ging es im ersten Teil um Schutzgelderpressung, bekamen die Zuschauer im zweiten Teil Einblicke in die Methoden der Geldwäsche in Zusammenhang mit öffentlichen Bauaufträgen. Diesmal spielte aber Tochter Sofia Modica (Emma Preisendanz) die Hauptrolle, die verzweifelt versucht Kontakt zu ihrer Mutter aufzunehmen und damit den Mafia-Boss Domenico Palladio (Paolo Sassanelli) gegen sich aufbringt. Wieso Sofia mit ihrem Vater Luca Modica (Beniamino Brogi) und Pippo Mauro (Emiliano De Martino) nach dem Mord an Sofias Mutter ausgerechnet nach München geflohen sind, wo Pippo von den Münchener Kommissaren im ersten Teil wegen Mordes an einem Drogendealer gesucht wurde – deswegen war er ja in Dortmund untergetaucht -, weiß vermutlich nur Drehbuchautor Bernd Lange. Aber auch in München haben die beiden Pseudo-Mafia-Gangster kein Glück, sie bringen in Domenicos Auftrag den abtrünnigen Bauamtsleiter aus Versehen um, statt ihn nur zu erschrecken. Damit aber rücken sie wieder ins Blickfeld der Münchener Kommissare und auch Kollege Peter Faber taucht völlig unvermittelt in München auf. Sofias Anruf bei ihrer Mutter wurde abgehört. Da sie dafür das Handy von Domenicos Sohn Marc (Valentin Mirow) benutzt hat, erscheint Faber just an dem Ort, an dem Batic und Leitmayr gerade Domenico wegen des Mordes an dem Bauamtsleiter observieren.

Als Sofia erfährt, dass ihre Mutter nicht mehr lebt, erschießt sie erst Pippo und bringt dann Marc in ihre Gewalt, um so von Domenico zu erfahren, wer ihre Mutter getötet hat. Obwohl die geballte Polizeigewalt samt Faber zur Stelle ist, gelingt Sofia die Flucht. Und Batic und Leitmayr lassen sie bewusst laufen, um ihr so „eine Chance“ zu geben. Faber will das nicht glauben und auch dem Zuschauer fällt es schwer, diese Aktion nachzuvollziehen. Wie lange eine echte Mafia-Tochter, die sich als Verräterin entpuppt hat, wohl überlebt? Zwar wird schließlich auch Luca Modica geschnappt, der sich noch einmal als Würger versuchte, ob Batic und Leitmayr am Ende aber genug Beweise gegen Domenico und seine Handlanger im städtischen Bauamt vorlegen konnten, um ihm das Handwerk zu legen, blieb genauso offen wie Sofias Zukunft. Wohin geht eine 17-Jährige auf der Flucht vor der Mafia allein auf sich gestellt?

Die Story war durchaus für einen spannenden Krimi geeignet. Aber wie schon der erste Teil so war auch Teil 2 eine brutale Mafiageschichte, in der die Polizei einfach keine Rolle spielt. Und so spielten denn auch die Teams aus Dortmund und München in den beiden Fällen überhaupt keine Rolle. Der Zuschauer war aber ohnehin mehr mit den nicht enden wollenden Untertiteln beschäftigt, war die überwiegend vorherrschende Dialogsprache doch italienisch. /sis

Sofia Modica (Emma Preisendanz) übt sich als Mafia-Tochter. Dennoch sucht sie verzweifelt Kontakt zu ihrer Mutter, während Pippo Mauro (Emiliano De Martino) sie nicht aus den Augen lässt. (Foto: BR/WDR/X Filme Creative Pool GmbH/Hagen Keller)

Hoffen auf Teil 2 der Jubiläumsfolge

Hoffen auf Teil 2 der Jubiläumsfolge
Kritik zum Tatort Jubiläums-Tatort „In der Familie“ Teil 1
ARD/WDR Tatort “In der Familie” Teil 1: Das Dortmunder und das Münchner Team ermitteln gemeinsam in einem Fall um Drogenhandel und Geldwäsche der kalabrischen Mafia. V.l. Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), Jan Pawlak (Rick Okon), Nora Dalay (Aylin Tezel), Peter Faber (Jörg Hartmann), Martina Boenisch (Anna Schudt), Ivo Batic (Miroslav Nemec). (Foto: WDR/Frank Dicks)
Nora Dalay (Aylin Tezel) geht ein hohes persönliches Risiko ein und steht unter Druck bei den Ermittlungen mit Peter Faber (Jörg Hartmann), Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, v.l.n.r.). (Foto: WDR/Frank Dicks)

Die Mafia und ihre ausufernden Drogengeschäfte waren Thema des ersten Teils der Tatort-Jubiläumsfolge „In der Familie“ mit den Ermittlern aus Dortmund und München. Der Italiener Luca Modica (Beniamino Brogi) betreibt mit seiner Frau Juliane (Antje Traue) und Tochter Sofia (Emma Preisendanz) eine kleine Pizzeria in Dortmund. Wegen seiner Verbindungen zur Mafia wird er von Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) observiert, denn Modicas Pizzeria ist Umschlagplatz für Kokain aus Italien. Derweilen wird in München ein Drogendealer ermordet. Der Mörder Pippo Mauro (Emiliano De Martino) flieht und bekommt auf Geheiß der Mafia Unterschlupf bei Familie Modica. Als Jan Pawlak (Rick Okon) Auskunft über Pippo haben will, erscheinen die Münchener Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) in Dortmund, um Pippo zu verhaften. Damit ist Faber aber ganz und gar nicht einverstanden. Er will an die Hintermänner der Drogengeschäfte. Mit Martina Bönischs (Anna Schudt) Hilfe gelingt es, die Münchener Kollegen in die Beobachtungen zu involvieren. Während Nora Dalay (Aylin Tezel) die Bekanntschaft zu Juliane Modica sucht, fliegt Pawlak auf. Faber weiß das, ist aber nicht bereit, Juliane, die dank Dalays Bemühungen bereit ist, ihren Mann und die Organisation an die Polizei auszuliefern, zu stoppen. Es kommt, wie es kommen muss: Luca bringt seine Frau um. Ihm und Pippo gelingt die Flucht. Nora Dalay wirft das Handtuch, Faber ist uneinsichtig wie eh und je und die Kommissare aus München machen sich ohne ihren Mörder auf den Heimweg.

Trotz des explosiven Themas ist es dem Jubiläumstatort nicht gelungen, einen spannenden Krimi zu präsentieren. Stattdessen bekamen die Zuschauer ausgiebig den schwierigen Alltag einer Mafia-Familie zu sehen. Einen Alltag, der aus dem Ruder läuft, als der skrupellose Pippo auftaucht und Luca mit in seine äußerst brutalen Geschäfte zieht. Dabei kamen all die typischen Mafia-Klischees zum Tragen, die man so kennt: Schutzgelderpressung mit Baseball-Schläger, massenhaft gerollte Geldbündel, Waffen und der obligate Sportwagen in quietschgelb. Die Tochter schätzt den Luxus, der Vater eifert Pippo nach, die Mutter möchte lieber ein normales Leben, kann ihren Mann aber doch nicht verraten. Ihr Mann indes ist viel zu feige, um sich und seine Familie aus den Fängen der Mafia zu befreien und tötet lieber seine Frau, als seine “Mafia-Familie” zu enttäuschen. Und dann ist da noch Faber, der diesmal wieder den völlig weltfremden Egomanen mimt, der nicht davor zurückschreckt, andere in Lebensgefahr zu bringen. Auch bei den Beobachtungen gab er nicht gerade einen professionellen Ermittler ab. Er passte zusammen mit Batic und Leitmayr Nora Dalay direkt vor einem Fitnessstudio ab, in dem sie sich mit Juliane Modica getroffen hatte. Natürlich wurden die vier bei diesem “geheimen” Treffen auf offener Straße beobachtet und die Italiener gewarnt! Eine glaubwürdigere Wendung war Drehbuchautor Bernd Lange leider nicht eingefallen. Und auch die beiden Münchener Kommissare waren in diesem Tatort nur Staffage, genauso wie Jan Pawlak und Martina Bönisch, die Faber einfach machen ließ. Bleibt zu hoffen, dass Teil 2 besser wird! /sis

Nora Dalay (Aylin Tezel), Jan Pawlak (Rick Okon), Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, v.l.n.r.) beobachten die Befragung von Juliane Modica. (WDR/Frank Dicks)

Am Ende bleibt ein großes Nichts

Am Ende bleibt ein großes Nichts
Kritik zum Tatort München „Lass den Mond am Himmel stehn“
ARD/BR Tatort “Lass den Mond am Himmel stehn”: Die Kriminalhauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) betrachten den Fundort von Emils Fahrrad im Wald, in der Nähe eines Parkplatzes. ( Foto: BR/Bavaria Fiction GmbH/Hendrik Heiden)

Das ist schon ein sehr bedrückender Fall, der im neuen Tatort aus München mit dem Titel “Lass den Mond am Himmel stehn” im Mittelpunkt steht. Ein Teenager erschlägt seinen angeblich besten Freund Emil Kovacic (Ben Lehmann), einfach nur, weil er ihn in einem Computerspiel zu besiegen droht, die Eltern entsorgen die Leiche in der Isar, das Fahrrad im Wald. Und sie schweigen, beharrlich und völlig emotionslos. Das können sie auch, denn weder sie noch ihr Sohn können für das Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Basti Schellenberger (Tim Offerhaus) ist erst dreizehn und damit strafunmündig, die Vertuschung der Straftat für einen Angehörigen ist nach § 258 Abs. 6 Strafgesetztbuch ebenfalls straffrei. Das weiß Bastis Mutter als erfolgreiche Rechtsanwältin Antonia Schellenberg (Victoria Mayer) sehr genau und so lässt sie die Kommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) ein ums andere Mal auflaufen. Auch Vater Martin Schellenberg (Hans Löw) schweigt, obwohl er sich damit scheinbar etwas schwerer tut. Einzig für Tochter Hannah Schellenberger (Lea Zoe Voss) ist die Kälte und Abgebrühtheit ihrer Familie unerträglich. Sie packt ihre Sachen und sucht das Weite.

Aber nicht so sehr die Ermittlungen stehen im Vordergrund dieser ungewöhnlichen Geschichte von Stefan Hafner und Thomas Weingartner, sondern das unendliche Leid von Emils Mutter Judith Kovacic (Laura Tonke) und ihrem Mann David, die nicht nur ihren Sohn verloren haben, sondern auch ertragen müssen, dass Emils Tod ungesühnt bleibt. Lange Zeit jagen Leitmayr, Batic und Assistent Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) falschen Spuren nach, bis ihnen die angeblich letzte Handynachricht des Opfers den Weg in Bastis Kinderzimmer weist. Selbst als die Spurensicherung das Blutbad der Tatnacht wieder sichtbar macht, sind Basti und seine Eltern zu keiner Regung fähig, scheinen auch überhaupt keine Schuldgefühle, geschweige denn Mitleid mit dem Opfer zu entwickeln.

Die Geschichte spielt sich in einer durchgängig düsteren Atmosphäre ab, die das Grauen fühlbar werden lässt. „Lass den Mond am Himmel stehn“ ist ein gelungenes Psychodrama, das einen jugendlichen Täter schützt, dafür aber die Eltern des Opfers in purer Verzweiflung und die Kommissare am Ende mit leeren Händen zurücklässt. /sis

Spannender Thriller statt klassischer Krimi

Spannender Thriller statt klassischer Krimi
Kritik zum Tatort München „Unklare Lage“
ARD/BR Tatort “Unklare Lage”. Die Kriminalhauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) warten angespannt den SEK-Einsatz ab. (Foto: BR/Hagen Keller)

Die Stadt abgeriegelt, der Verkehr steht still, Blaulicht und schwer bewaffnete Sondereinsatzkommandos beherrschen das Bild. So zeigte sich München im Jahre 2016. Diese Situation stellte der neue Tatort aus München „Unklare Lage“ aus der Feder von Drehbuchautor Holger Joos unter der Regie von Pia Strietmann nach. Unklar war indes nicht nur die Lage, sondern auch die Taktik der Polizei mit einer solchen Gefahrenlage umzugehen. „Wir ermitteln in alle Richtungen“ hieß in diesem Fall nur „Wir haben auch keine Ahnung“. Tatsächlich wussten weder Einsatzleitung noch die Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) was vor sich ging. Gab es einen zweiten Täter oder nicht? Hatte er eine Nagelbombe in seinem Rucksack? Mühsam tasteten sich die Kommissare an die Wahrheit heran, hetzten mit den SEKs von einem Einsatzort zum nächsten, ohne wirklichen Durchblick. Durch Zufall waren Batic und Leitmayr am Ende dann aber doch zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und mit einem gezielten Schuss konnte Batic den zweiten Täter außer Gefecht setzen. Ob er aber einen Sprengsatz bei sich hatte, blieb genauso ungewiss, wie die Vorstellung der Zuschauer, was sie denn nun in einer solchen unklaren Lage in der Realität zu erwarten hätten. Für alle Betroffenen des Anschlags im Film jedenfalls dürfte das Geschehen selbst leichter zu verdauen gewesen sein, als das harsche und ziemlich planlos wirkende Vorgehen der SEKs.

Spannend war dieser Tatort, keine Frage, und damit wesentlich besser als so manch andere Folge dieser Reihe. Es handelte sich aber eher um einen Thriller als einen klassischen Krimi. Warum ausgerechnet die in Ehrfurcht ergrauten Hauptkommissare hinter den vermeintlichen Tätern herhetzen mussten, statt die wesentlich jüngeren Kollegen des Einsatzkommandos, war nur eine weitere der Fragen, die am Ende offenblieben. Unverkennbar aber ist Kalle Hammermanns (Ferdinand Hofer) unaufhaltsamer Aufstieg. Diesmal durfte er gar das Bindeglied zwischen Einsatzzentrale und den Ermittlern spielen und das tat er wieder mit beeindruckendem Engagement. Wenn die altehrwürdigen Kommissare eines nicht mehr fernen Tages abtreten, dürfte ein Nachfolger schon feststehen! /sis

Alt, gebrechlich, kriminell

Alt, gebrechlich, kriminell
Kritik zum Tatort München „One Way Ticket”
Tatort “One Way Ticket”: Die Kriminalhauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) müssen gleich zwei Todesfälle aufklären, auf den ersten Blick Autounfälle, die sich aber beide als brutale Morde entpuppen. (Foto: BR/Roxy Film/Marco Nagel)

Altersarmut treibt seltsame Blüten, das war das Kernthema des neuesten Münchner Tatorts mit dem Titel „One Way Ticket“ mit den Hauptkommissaren Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) aus der Feder von Rupert Henning, der zugleich auch Regie führte. Wobei nicht unbedingt mehr die beiden Hauptkommissare den Ton im Münchner Kommissariat angeben. Kriminalkommissar Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) läuft den in Ehrfurcht ergrauten Kommissaren langsam, aber sicher den Rang ab, man hat fast den Eindruck, der junge Kommissar wird von den Tatort-Machern schon mal in Stellung gebracht. Leitmayr und Batic sind schließlich selbst der Rente nah. Umso komischer wirkte der Satz, den Batic beim Verhör der Senioren abließ: „Wir haben Zeit, Sie nicht!“ Das dürfte beim Publikum für Erheiterung gesorgt haben.

Ansonsten war aber nichts Erheiterndes an diesem Tatort, im Gegenteil, er war überfrachtet mit allfälligen Problemen von der bereits erwähnten Altersarmut über die Zustände in afrikanischen Gefängnissen, Drogen, Geldwäsche bis hin zu den immer wieder gerne hervorgeholten Stasi-Ablegern und deren rigide Methoden und das alles unter dem Deckmantel einer gemeinnützigen Organisation, einer sogenannten NGO (Non-Governmental Organisation). In der Tat alles drückende Probleme unserer Zeit, die aber in einen einzigen Krimi gequetscht einfach zu viel des Guten waren. Und so entpuppte sich die Geschichte, in der sich sechs vom Leben gebeutelte Rentner mit viel zu wenig Geld zum Leben als Drogen- und Geldkuriere missbrauchen ließen, auch als ein Wirrwarr von Erzählsträngen, die sich am Ende nicht richtig in einander fügen wollten. Da halfen auch die durchweg guten schauspielerischen Leistungen nicht, allen voran Siemen Rühaak als gescheiterter Kleinunternehmer und frisch verliebter Gockel, der sich von einer blutjungen Afrikanerin in den Sumpf des Verbrechens hatte entführen lassen mit katastrophalen Folgen für ihn selbst und seine Rentner-Freunde. Ein guter Ansatz also, der für sich alleine erzählt einen unterhaltsamen und spannenden Krimi hätte ergeben können, so aber im Wust der Einzelthemen schlicht unterging. Schade drum! /sis

Eine herbe Enttäuschung

Eine herbe Enttäuschung
ARD/BR Tatort “Die ewige Welle”: Die Kriminalhauptkommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) sind bei ihren Ermittlungen an der Eisbach-Welle nicht immer einer Meinung. (Foto:  BR/Hendrik Heiden/Wiedemann & Berg)
Kritik zum Tatort München „Die ewige Welle“

Es ist ein Fehler anzunehmen, irgendeine Geschichte könnte unter der „Marke“ Tatort zu einem Publikumsliebling avancieren. Auch dann nicht, wenn man das bei Tatort-Fans sehr beliebte Münchener Kommissars-Duo Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) bemüht. „Die ewige Welle“ jedenfalls mag als Experimentalfilm oder auch Milieustudie vielleicht ein paar interessierte Zuschauer gefunden haben, bei den Tatort-Freunden fiel die Folge gnadenlos durch. Und das zu Recht, hatte der Streifen aus der Feder von Alex Buresch und Matthias Pacht doch mit einem Krimi so gar nichts zu tun. Außer, dass die Kommissare ein paar in ihrer ganz eigenen Drogenwelt gefangenen, skurrilen Figuren mehr oder minder interessiert hinterhergejagt sind, spielten Batic und Leitmayr in diesem mühsam konstruierten Fall überhaupt keine Rolle und selbst Kalli (Ferdinand Hofer) tauchte nur das ein oder andere Mal bei den Hauptkommissaren auf und übermittelte Informationen, die auch nichts zur Entwicklung der Geschichte beitrugen. Ansonsten war Batic mit Rückenschmerzen und Chillen und Leitmayr mit Erinnerungen beschäftigt. Franz Leitmayrs Vergangenheit lieferte denn auch den einzigen Bezug zu einem der Beteiligten und musste als Motiv dafür herhalten, dass Leitmayr seinen nach einer Messerstecherei schwer verletzten Freund Mikesch Seifert (Andreas Lust) weiter in aller Ruhe seinen Drogengeschäften nachgehen ließ. Dann tauchte auch noch eine gemeinsame Freundin aus der Vergangenheit auf, die möglicherweise, könnte sein, vielleicht von Leitmayr schwanger war, in einer anderen Zeit und in einer anderen Welt. In loser Folge eingespielte Szenen aus dieser anderen Welt mit dem jungen Leitmayr hatten ebenfalls keinen Bezug zur aktuellen Geschichte um Mikeschs Drogengeschäfte, sondern erzählten einfach nur von einem Sommer an Portugals Küste in jugendlicher Unbekümmertheit. Und das alles hatte wiederum nichts mit den Surfern an der Eisbach-Welle zu tun. Letztlich wollte Leitmayrs Freund Mikesch durch den Verkauf von Schmerzpflastern einfach nur ein besseres Leben für seine Tochter Maya (Luise Aschenbrenner). Die Messerattacke auf ihn, die beiden Drogentoten, die Bedrohung durch andere Drogendealer, die bei ihren Geschäften nicht gestört werden wollten, all das war nur Beiwerk, um dem Stoff doch noch einen Hauch von Krimi zu geben, vielleicht auch nur, um ihn damit überhaupt erst als Tatort realisieren zu können. Und dennoch war die Geschichte als Tatort ein Totalausfall, als Tatort aus München gar eine herbe Enttäuschung. Wieder einmal! /sis

Hochspannung bis zur letzten Minute

Hochspannung bis zur letzten Minute
Kritik zum Tatort aus München: Wir kriegen euch alle
ARD/BR-Tatort: Wir kriegen euch alle. Die Kinderpsychologin Jenschura (Anne Werner) bespricht sich mit den Kriminalhauptkommissaren Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec), Sie vermutet, dass es um Kindesmissbrauch geht. (Foto: BR/Hendrik Heiden)

Es war schon ein heftiges Thema, das sich die Drehbuchautoren Michael Comtesse und Michael Proehl für den 80. Tatort aus München vorgenommen hatten: Kindesmissbrauch in all seinen schmutzigen Facetten. Gelungen ist ihnen ein Krimi der Extraklasse mit Hochspannung von der ersten bis zur letzten Minute.

Zwar war schon früh erkennbar, dass Gretchen keinesfalls ein Missbrauchsopfer sein konnte, zu keck und selbstbewusst gab sich das kleine Mädchen (großartige Lily Walleshauser). Dennoch überraschte das Ende selbst den aufmerksamen Zuschauer. Nicht ein bedauernswertes Opfer war hier zum Täter geworden, sondern ein arrogantes, verwöhntes Bürschchen, zerfressen von Neid und Missgunst wegen der von den Eltern offensichtlich bevorzugten kleinen Schwester Gretchen. Louis (Jannik Schümann) drohte die Vertreibung aus dem bis dato paradiesischen „Hotel Mama“ – und er trat seinem zugegeben recht dominanten Vater dafür mit ganz konkreten Mordplänen gegenüber, für die er sein gesamtes Umfeld einschließlich Freund Hasko (Leonard Carow), selbst Opfer von Missbrauch im Kindesalter und Mitglied der recht merkwürdigen Selbsthilfegruppe “überlebender Missbrauchsopfer”, geschickt zu manipulieren wusste.

Nicht nur die durchweg spannend erzählte und immer wieder aufs Neue überraschende Geschichte wusste zu überzeugen, auch die Kommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) präsentierten sich in einer inzwischen für einen Tatort schon eher ungewöhnlichen Professionalität – abgesehen von Leitmayrs Faustschlag in das Gesicht eines misshandelnden Vaters. Darüber hinaus gab es kein Gezänk, keine privaten Scharmützel, nichts was den positiven Eindruck trüben könnte. Dafür glänzten sie mit ungemeiner Kreativität: Da wurde auf Bäume geklettert, Verdächtige beschattet und undercover ausspioniert, sogar eine Rolltreppe in die Gegenrichtung bezwungen und das Handy am Wischmopp aus dem Kellerfenster gehalten. Keine Mühe war den beiden zu groß, um des Täters habhaft zu werden. Und auch Humor kam nicht zu kurz, dem Thema angemessen aber niveauvoll und zurückhaltend. Bravo!

Anzumerken bleibt einzig, dass Puppe Senta absolut keine Chance hätte je in ein Kinderzimmer vorgelassen zu werden. Niemand würde diese Puppe  mit den grässlich kalten, stahlblauen Augen einem kleinen Mädchen in den Arm legen und kein Kind könnte eine solche schon rein optische Monsterpuppe jemals lieb haben! /sis

Und sie lügen doch!

Und sie lügen doch!
Aktuelle Kritik zum Tatort München “KI”
ARD/BR TATORT, “KI”: Die Kriminalhauptkommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, links) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) sind frustriert, weil die Befragung der Künstlichen Intelligenz “Maria” trotz Unterstützung durch Anna Velot (Janina Fautz, Mitte) nicht so effizient vorangeht, wie sie sich das wünschen. (Foto: BR/Hendrik Heiden/Bavaria Fiction GmbH)

Künstliche Intelligenz steht einmal mehr im Mittelpunkt eines Tatorts, diesmal sind es die Münchener Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), die sich mit einer Maschine auseinandersetzen müssen. Zuletzt waren es die Kollegen aus Stuttgart. In der Folge mit dem Titel „HAL“ aus dem Jahre 2016 trieb die Software „Bluesky“ ihr Unwesen. Diesmal ist es „Maria“, eine Kopie eines großen europäischen Software-Projektes zur Erforschung künstlicher Intelligenz, die von einem Mitarbeiter (Thorsten Merten) gehackt und weiter verteilt wurde. Maria hat sich aber außerhalb des Labors entschieden schneller entwickelt und ist fast schon so ausgereift, wie sich das der Leiter des Projektes Bernd Fehling (Florian Panzner) und das eigentlich für die Rolle viel zu jugendlich wirkende IT-Genie Anna Velot (Janina Fautz*) vorstellen. Maria, da ist sich Anna sicher, könnte den berüchtigten Turing-Test bestehen. Ein Test, bei dem ein Mensch nicht mehr merkt, dass er sich mit einer Maschine unterhält. Und deshalb tut Anna alles, um Maria zu erhalten, allerdings mit nicht vorhersehbaren Folgen. Und tatsächlich scheinen Leitmayr und Batic gelegentlich zu vergessen, dass sie es hier mit einer Maschine und nicht mit einem Lebewesen zu tun haben. Sie befragen Maria und setzen sie sogar als Zeugin vor der Haftrichterin ein. Dabei argumentieren sie durchaus siegessicher „Maschinen lügen nicht“. Eine Fehleinschätzung mit tragischem Ausgang, denn es ist nach wie vor der Mensch, der die Maschine bedient und deshalb ist Manipulation auch immer Tor und Tür geöffnet, egal, wie intelligent die Software schon sein mag. Auch das wahre Leben findet in diesem Tatort noch immer analog statt: Die erst 14-jährige Melanie (Katharina Stark) verschwindet und wird tot aus der Isar gefischt. Der Film erzählt ihre Geschichte von verzweifelter Wut über die Scheidung ihrer Eltern (Dirk Borchardt und Lisa Martinek), der daraus resultierenden Einsamkeit, die sie schließlich in die digitale Welt flüchten lässt. Sie vertraut sich der Software Maria an, die ihr – statt sie von ihren Selbstmordplänen abzuhalten – die verschiedenen Möglichkeiten der Selbsttötung aufzeigt. Ist die Maschine schuld am Tod des Mädchens? Eher nicht. Auch als die Maschine den Kommissaren einen falschen Verdächtigen liefert, der später vom Vater des Mädchens aus Rache erschossen wird, ist es nicht die Maschine, die einen Fehler gemacht hat.

Fazit: Es handelt sich um einen großartigen Film, der nicht nur durch die Starriege deutscher Schauspieler überzeugt, sondern auch gekonnt alle Möglichkeiten ausnutzt, die das Medium Film zu bietet hat. So gelingt es Regisseur Sebastian Marka die durchweg spannende Geschichte aus der Feder der Drehbuchautoren Stefan Holtz und Florian Iwersen in eindrucksvolle Bilder umzusetzen, statt sie durch endlose Dialoge zu erklären. Auch die juristischen und moralischen Aspekte der „Künstliche Intelligenz“ kommen dabei nicht zu kurz und können sogar als Basis für eine ernsthafte Diskussion dienen. Alles in allem ein herausragender Film in bester Krimimanier! /sis


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Für das junge Schauspieltalent Janina Fautz ist das nicht der erste Auftritt in einem Tatort. Sie war auch schon beim Quotenkönig aus Münster in der Rolle der vermeintlichen Tochter von Kommissar Thiel (Axel Prahl) zu sehen. Ein neueres Interview mit ihr findet sich hier.

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