Zwei Würstchen im Schlafrock

Zwei Würstchen im Schlafrock
Kritik zum Tatort Münster „Rhythm and Love“
ARD/WDR Tatort “Rhythm and Love”: Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl, links) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, rechts) ermitteln in einer Bauwagenkolonie, in der auch Alpakas gehalten werden. (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)
Bei Tee, Keksen und Rum gestehen sich Silke Haller (ChrisTine Urspruch) und Mirko Schrader (Björn Meyer) ihre jeweiligen Lügen. (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

Tatort Münster ist immer sehenswert – so auch die neueste Folge mit dem Titel „Rhythm and Love“, in der Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) erstmals seine Unzulänglichkeiten beweint. Doch nicht nur er kämpft mit den Tücken des neuen Falls, auch Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) gerät an seine Grenzen, weil Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) einmal mehr nichts von Thiels Verdächtigungen hält. So sitzen Thiel und Boerne im Versagensschmerz vereint auf dem Seziertisch und geben sich die Kante. Gemeinsam kommen sie zur Ansicht, sie seien „kleine Würstchen“, ja sogar Würstchen im Schlafrock. So viel Selbstkritik ist man aus Münster nicht gewohnt. In diesem Zusammenhang erscheint das unsägliche „Allesdichtmachen-Video” von Jan Josef Liefers in einem ganz anderen Licht. Und so verwundert es nicht, dass die Figur Boerne plötzlich mit den Aussagen Liefers gleichgesetzt wurde, obwohl beide sogar nichts miteinander zu tun haben. Leider kann man da nur sagen. Denn ausgerechnet in diesem Fall muss der Professor gehörig Federn lassen und kommt zu der Erkenntnis, dass er „seine eigene Inkompetenz eben wegen seiner Inkompetenz“ nicht erkennen kann.

Nachdem Thiel und Boerne also in Selbstmitleid baden, übernehmen Thiels Assistent Mirko Schrader (Björn Meyer) und Boerne-Assistentin Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch) das Geschehen und stellten den Mörder von Maik Koslowski,

In seinem Element: Herbert “Vadder” Thiel (Claus D. Clausnitzer, rechts) beliefert auf dem Erlen-Hof “Rasta-Mann” (Stefan Gorski, links) mit Ware aus eigenem Anbau. (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

einem Verfechter freier Liebe in einer Bauwagenkolonie mit dem schönen Namen Erlen-Hof und dem Pfarrer Tobias Flügge (großartiger Nikolai Kinski). Dabei verbindet Schrader und Haller nicht etwa das Interesse am Fall, sondern jeweils ein Fehler mit Folgen. Alberich hat eine wichtige Spur verschlammt, Schrader sich den Zugang zur Polizei mit einer Lüge erschlichen. Am Ende stehen sie dem Mörder gegenüber – und kommen natürlich beide heil aus der Sache heraus.

Als Milieu für den neuen Fall aus Münster hat sich Drehbuchautorin Elke Schuch eine recht skurrile, fast schon sektenartige Gemeinschaft ausgesucht. Die Gruppe hat sich nicht nur freier Liebe, sondern auch der Natur verschrieben. Die Mitglieder pflegen gleich mehrere Liebesbeziehungen untereinander, leben in Bauwagen, bestellen das Feld, halten Gänse und Alpakas. Dieser Lebensstil lockt auch andere Interessenten an, darunter Pfarrer Flügge und der Münsteraner Polizeipressesprecher Johannes Hagen (August Wittgenstein). Während Thiel schon bald dem Pressesprecher nachjagt, sieht sich Boerne obendrein einem Plagiatsvorwurf ausgesetzt. Nur „Vaddern“ Herbert Thiel (Claus D. Clausnitzer) ist im Erlen-Hof in seinem Element: Er darf undercover ermitteln und dabei seinen eigenen Geschäften nachgehen. Denn die Freikörperkultur-Fans lieben nicht nur die Liebe, ihre Tiere und die Natur, sondern auch einen gepflegten Joint. Das ist genau Vadderns Ding!

Der Münsteraner Tatort ist bekannt für seinen feinsinnigen Humor. Diese Erwartung wurde auch mit dem neuen Fall nicht enttäuscht. Spannung gab es eher nicht, dafür aber äußerst interessante Charaktere mit Tiefgang. Die Geschichte hatte einiges zu bieten und so kann man dem Tatort „Rhythm and Love“ durchaus großartiges Unterhaltungspotenzial bescheinigen. Gerne mehr davon! /sis

Schon beim letzten Tatort aus Münster mit dem Titel “Es lebe der König” standen andere Krimi-Elemente im Vordergrund – Spannung war weniger wichtig.

ARD/WDR Tatort “Es lebe der König”: Eine Leiche in Ritterrüstung, das sahen selbst Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, links) , Silke Haller (ChrisTine Urspruch) und Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) noch nie auf einem Seziertisch. (Foto: WDR/Thomas Kost)

Münster war schon besser!

Münster war schon besser!
Kritik zum Tatort Münster „Es lebe der König!“
ARD/WDR Tatort “Es lebe der König!” Eine Leiche in Ritterrüstung, das sahen selbst Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, links) , Silke Haller (ChrisTine Urspruch) und Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) noch nie auf einem Seziertisch. (Foto: WDR/Thomas Kost)
Das lässt Boerne sich natürlich nicht entgehen: Silke Haller (ChrisTine Urspruch) hilft ihm dabei, die Ritterrüstung anzulegen. (Foto: WDR/Thomas Kost)

Der Tatort Münster ist immer mit viel Humor gespickt, das kennt und mag der Zuschauer. Dennoch ließen Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Pathologe Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) bisher nie die nötige Ernsthaftigkeit bei der Arbeit und vor allem auch den Respekt vor den Opfern vermissen. Im neuesten Tatort „Es lebe der König!“ aus der Feder von Benjamin Hessler allerdings ging es nur noch um Klamauk, teils wirklich recht lustig, teils aber auch einfach nur flach. Thiels Äußeres war schon immer eher leger, jetzt aber kam er nicht nur mit ausgeleierter Kleidung, sondern auch mit wucherndem Bart und ungeschnittenen Haaren daher, kein Anblick, der seine Zeugen und Verdächtigen großartig beeindruckt hätte, eher im Gegenteil. Boerne hingegen zeigte sich wie immer geschniegelt und gebügelt, aber eben doch mehr als sonst zu Übertreibungen aufgelegt. Übertrieben gebärdete sich auch Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann), die ihren Kollegen Lutz Söltenfuss (Christian Hockenbrink) wegen seiner offensichtlichen Abneigung gegen Zigarettenrauch gerne als Komplizen der verdächtigen Familie Radtke und des Drogenbarons Hugo Draak (Paul Faßnacht) gesehen hätte. Eigentlich fehlte es der gesamten Geschichte an Tiefgang: Der Kirmeskönig Radtke erpresst sich eine altehrwürdige Burg und will dort mit seiner Familie künftig Mittelalterspiele abhalten. Doch dann wird er in seiner Ritterrüstung im Burggraben tot aufgefunden. Natürlich kann Boerne nicht umhin, die Rüstung selbst anzuprobieren – natürlich nur um zu beweisen, dass Ritter Radtke beim Ankleiden einen Helfer gehabt haben muss. Ansonsten aber deutet alles auf Tod durch Ertrinken hin. Da sich Staatanwalt Söltenfuss auffällig für den Fall interessiert und auch noch ein gesuchter Drogenboss involviert zu sein scheint, nehmen Thiel und Boerne die Familie des Toten genauer unter die Lupe. Die Ermittlungen gipfeln in einer doch eher lächerlichen Observation der Burg samt Festgästem durch das gesamte Team inklusive Staatsanwältin und Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch). Bei so viel Klamauk konnten auch der überraschende Ausgang mit Verwicklung des LKA und die unerwartete Enttarnung des Mörders, dessen Motiv obendrein nur Mitleid war, die Story nicht mehr retten.

Nicht spannende Verwicklungen standen im Mittelpunkt, sondern Boernes Hang zur Besserwisserei, Frau Klemms Abneigung gegenüber Nichtrauchern und die unumstößliche Grundgesetztreue von Thiels neuem Assistenten Mirko Schrader (Björn Meyer), der mit seinen großspurigen Staatsrechtskenntnissen die Ermittlungen eher bremst als sie voranbringt. Man hätte sich eine junge, dynamische Assistentin für Thiel gewünscht, die dem alternden Kommissar etwas mehr Schwung verleiht, statt seine Bemühungen zusätzlich abzuwürgen. Dazu reicht schon Boerne. Noch ein Besserwisser wäre nicht nötig gewesen, auch wenn er guten Kaffee kochen kann. /sis

Gespräch in der Mittagspause – mit Blick über Münster: Staatsanwalt Lutz Söltenfuss (Christian Hockenbrink) mit seiner Kollegin Wilhelmine Klemm (Mechthild Grossmann). (Foto: WDR/Thomas Kost)
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