Hundeerziehung ohne Stress für Mensch und Tier (Teil III)

Hundeerziehung ohne Stress für Mensch und Tier (Teil III)

Missverständnisse beherrschen den Alltag

Wölfe müssen auf der Jagd zusammenarbeiten. Verletzungen zum Beispiel wegen Kämpfen um die Rudelführerschaft würden das ganze Rudel schwächen. Foto: Vincent Boulanger/Pixabay)
Wölfe müssen auf der Jagd zusammenarbeiten. Verletzungen zum Beispiel wegen Kämpfen um die Rudelführerschaft würden das ganze Rudel schwächen. (Foto: Vincent Boulanger/Pixabay

 

Ging es in den ersten beiden Teilen der Reihe um Lern- und ungeeignete Erziehungsmethoden, wollen wir uns im dritten Teil mit den Missverständnissen beschäftigen, die uns den Alltag mit unseren Hunden schwer machen. Wenn Erziehung nicht ordentlich stattgefunden hat und das Verständnis für den Hund fehlt, dann kommen die Tiere nicht selten ins Tierheim mit dem Argument: Der Hund ist aggressiv, er bedroht oder beißt gar die Familienmitglieder. „Der Hund ist dominant“, heißt es dann meist! Er will den Menschen beherrschen, ihn unterordnen. Das machen alle Hunde so, sie wollen im “Rudel bestimmen”. Wenn diese Überlegung stimmt, dann hieße das: Jeder Hund steht morgens auf, um zu schauen, ob er inzwischen die Herrschaft übernehmen kann! Und das ist natürlich ein völliger Unsinn. Nie hat es im Verhältnis Mensch/Hund je ein größeres Missverständnis gegeben als mit Blick auf die so genannte Dominanz. In diesem Zusammenhang wird dann gerne auf den Alphawolf im Wolfsrudel verwiesen. Aber: In dem Moment, in dem der Alphawolf sein Rudel mit Dominanz beherrschen muss, verliert er auch schon! Der Alphawolf ist souverän und niemals dominant! Im Wolfsrudel gilt das Prinzip des “Überlebens”. Überleben kann ein Rudel nur dann, wenn es gemeinsam – also mit allen verfügbaren Kräften – jagen kann. Streitigkeiten im Rudel mit Dominanz auszuräumen, hieße eine Unmenge Energie zu vergeuden, Energie, die zur Jagd gebraucht wird. Auf den Hund gebracht heißt das wiederum: Wenn Herrchen und Frauchen ihren Hund nur mit Dominanz beherrschen, braucht der Hund nur auf eine Schwäche zu warten, um den “Alpha” abzusetzen! Einen Hund dominieren zu wollen, ist mithin auch mit Blick auf das in diesem Zusammenhang gern zitierte Wolfsrudelverhalten absolut falsch. Dazu ein Tatsachenbericht: Ein Hundetrainer rühmte sich lange Zeit, alle Hunde zu “dominieren”! Mit Strenge herrschte er über die Tiere, mit Strenge und unbedingtem Verlangen nach Gehorsam erzog er sie. Die Hunde ließen sich das über einen langen Zeitraum widerstandslos gefallen. Bis der Trainer eines Tages mit einer Grippe auf den Trainingsplatz kam. Einer der Hunde griff ihn an! Er hatte die “Schwäche” des “Alphas” erkannt und ihn abgesetzt! Dieser Trainer ist nie mehr auf einen Trainingsplatz gegangen. Gut so! Und hier sind wir wieder an dem Punkt, den wir schon einmal hatten: Es kann immer etwas passieren! Man steckt nicht im Kopf seines Hundes. Wenn wir also weiter unsere Hunde auf den unzähligen Hundeplätzen und in Hundeschulen mit dem Ziel der “Dominanz” erziehen, dann schaffen wir uns die Monster, die Menschen angreifen letztlich selbst. Wer den Hund mit Dominanz behandelt, verliert seine Souveränität. Und wer seine Souveränität verliert, dessen Alpha-Position ist schon angekratzt! Der Hund braucht nur noch auf die Schwäche zu warten!

Ein Alphaproblem hat auch jeder “Wachhund”. Sie schaffen sich einen Hund an, der Sie bewachen soll. Dann müssen Sie ihm auch die berühmt-berüchtigte “Alpha-Position” in Ihrem Leben einräumen. Denn: In einem Wolfsrudel verteidigt nur ein einziger Hund eventuell attackierte andere Rudelmitglieder: der Alpha! Wenn Sie Ihrem Hund diese Alpha-Position nicht einräumen, dann müssen Sie ihn verteidigen. Wenn Sie also auf der Straße einem anderen Hund begegnen, der Ihren Hund angreift, dann müssen Sie dazwischen gehen und Ihren Hund verteidigen! Verlangen Sie, dass Ihr Hund Sie beschützt, dann können Sie nicht die Nummer eins im Rudel sein! Wenn Sie die Nummer eins sein wollen, dann müssen Sie auch die Aufgaben der Nummer eins übernehmen! Das sind die typischen Missverständnisse zwischen Mensch und Hund, die nicht selten in Aggressionen münden.

 Der Hund spricht nicht unsere Sprache!

Ein Husky muss laufen, jeden Tag! (Foto: StockSnap/Pixaby)

Die Hauptprobleme mit den Hunden entstehen, weil sie zu wenig Auslauf haben. Hier muss man den eingangs in Zusammenhang mit der Auswahl des Tieres näher beleuchteten Aspekt des “Lebenssinns des Hundes” im Auge haben. Ein Husky muss laufen! Und ein Hund muss beschäftigt werden! Man kann nicht erwarten, dass er den ganzen Tag friedlich in der Ecke liegt, bis man selbst Lust und Laune verspürt, ein paar Schritte mit ihm um den Block zu trollen! Und Probleme entstehen, weil wir die Körpersprache der Hunde nicht beherrschen. Der Hund aber “liest” den Menschen. Wenn nun Stimmlage und Körpersprache nicht zusammenpassen, dann kommt es zwangsläufig zu Konfliktsituationen, die natürlich beileibe nicht immer besonders ernsthaft ausfallen müssen. Also: Hunde lesen unsere Körpersignale ganz exakt. Beispiel: Der Hund soll zu uns kommen, er ist uns vielleicht beim Spaziergang zu weit weggelaufen. Wir brüllen mit lauter Stimme und gestikulieren mit den Arm: Kommst du jetzt endlich her! Der Hund hört unsere durch die Lautstärke und Aufregung hohe Stimme und versteht: “Das machst du aber gut! Mach weiter!” Die hohe Stimme bedeutet für ihn etwas Positives! “Alles in Ordnung mein Junge, renn nur weiter!” Das Gestikulieren mit den Armen und die Nervosität wertet er aber als negativ: Mann, denkt er, ist Frauchen wütend, da bleib ich doch lieber weg! Noch besser wird es, wenn wir nun hinter dem Hund herrennen. Wir schreien laut “kommst du her!” und rennen los. Der Hund denkt: Tolles Spiel! Mal sehen, ob sie mich kriegt! Das “Sen der Hundeerziehung” ist aber: Tief Luft holen und immer die Ruhe bewahren!

Dass Hunde sehr feine Antennen für Stimmungen haben, weiß jeder, der einen Hund besitzt. Er spürt jede noch so kleine Aufregung. Ein klassisches Beispiel dafür ist die bereits erwähnte Begegnung mit einem anderen Hund: Der Hund wird die Aufregung, Befürchtung, Nervosität, was auch immer, die Frauchen oder Herrchen schon lange vor der eigentlichen Begegnung ausstrahlen spüren, er empfindet diese Aufregung als “Bedrohung”. Und wird gleichfalls nervös! Wenn Sie jetzt auch noch anfangen zu flüstern, haben Sie schon verloren: Hunde (und Wölfe) sind nur aus zwei Gründen ganz leise: Beute oder Feind in der Nähe! Entsprechend hoch ist die Aufmerksamkeit des Hundes, wenn Herrchen oder Frauchen mit leisen Tönen kommen! Deshalb gilt: Sich selbst und die Signale, die man dem Hund übermittelt, genau kontrollieren und mit Blick auf das Hundeverständnis abstimmen.

Aggressionsauslöser finden und vermeiden

Wer von seinem Hund beschützt werden will, muss ihm auch die Rolle des Beschützers lassen. (Foto: Pehjakroon/Pixabay)

Auf den Alltag übertragen bedeutet dies: Es gilt Aggressionsauslöser zu finden und in der Folge zu meiden. Wenn der Hund also beim Spaziergang auf andere Hunde mit Aggression reagiert, ist es besser, die Begegnung zu vermeiden. Aggressionsauslöser können nun unterschiedlichster Art sein. Sie können auf den beispielhaft aufgeführten und zahlreichen anderen Missverständnissen basieren. Der Hund hat nicht gelernt, dem Menschen zu vertrauen, er ist nicht “erzogen”, er wurde mit Gewalt “erzogen” oder er zeigt rassespezifische Verhaltensprobleme. Hier sind wir also wieder beim Zuchtziel. Ist das Zuchtziel Schutzhund, Wachhund, dann habe ich einen Alpha-Hund. Will ich diese Position, habe ich ein Problem. Jagdhund: Er rennt nach allem, was sich bewegt. Hütehund: Er hat einen ausgeprägten “Schutztrieb”, und so weiter und so weiter. Also muss jeder Hund in erster Linie nach seinen rassespezifischen Merkmalen eingeordnet werden. Auch gab und gibt es bei bestimmten Rassen in der Zucht Probleme: Man erinnere sich in diesem Zusammenhang an die Golden Retriever-Wut. Damit kann man einen Teil der möglichen Aggressionsauslöser schon festschreiben. Dann muss das Verhalten des Tieres beobachtet werden. Nicht gewünschtes Verhalten muss anhand geeigneter, dem Tier entsprechenden Trainingsmethoden abtrainiert werden. Und das mit Ruhe und Geduld!

Häufiger Auslöser von Aggressionen sind auch nicht erkannte Schmerzen. Man kennt das Phänomen von den Jagdhunden: Wenn sich ein Jagdhund während der Jagd verletzt, rennt er so lange der Beute hinterher, bis er sie endgültig hat. Erst dann bricht er zusammen und schreit vor Schmerzen. Der Grund ist ein von der Natur vorgegebener. Die Aggression schüttet im Gehirn das gleiche Hormon aus, wie beim schnellen Hinterherhetzen etwa hinter einer Beute. Dieses Hormon dämpft den Schmerz. Wenn also ein Hund urplötzlich “aggressiv” reagiert und dann nicht selten seine eigenen Familienmitglieder angreift, dann kann das auch auf einen Schmerz hindeuten. Bekannt ist hier beispielsweise der Fall eines Rottweilers: Er griff sein Frauchen völlig unvermittelt nach einem langen Spaziergang an. Der Hund lag müde auf dem Flur. Als sein Frauchen an ihm vorbeigehen wollte, sprang er auf und biss sie in den Arm. Die Frau ließ ihren Hund nicht einschläfern, wie ein bekannter Schlagerstar, sondern brachte ihn zum Tierarzt. Der fand heraus, dass der Hund an einer Hüftgelenksfehlstellung litt. Der Hund wurde operiert und kuriert! Hüftgelenksdysplasie gerne beim Schäferhund, Probleme der Hunde mit Flachnasen, Zahnprobleme und Kopfprobleme bei Hunden mit schmalgezüchtetem Kopf – Dobermann -, übersteigertes Gehör beim Berner Sennenhund, all das sind schon “rassespezifische” Probleme, die bei Aggressionen immer mit ins Kalkül gezogen werden müssen. Auf Aggression gezüchtet werden zum Beispiel sogar die ach so niedlichen West-Highland-Terrier, die einst dazu gebraucht wurden, um Kaninchen aus ihren Bauten zu holen. Wer weiß das aber, wenn er die hübschen kleinen weißen Kerlchen in der Hundefutter-Werbung durch die Wohnung flitzen sieht! Nun kann man einen “wild gewordenen Westie” leicht beherrschen. Einen Rottweiler, Schäferhund, Dobermann oder Mastiff dagegen lässt sich nicht so schnell wieder zur Raison bringen. Aggressionsauslöser zu finden und zu meiden ist da sicher die bessere Lösung. Bleibt noch zu erwähnen, dass mit jedem Aggressionsschub natürlich die Hemmschwelle beim Tier sinkt. Auch hier ist das “Vermeiden” die bessere Lösung als das gewaltsame Beenden einer dann bereits bestehenden Aggressionssituation.

Körpersignale beachten

Die Rasse eines Hundes hat viel mit seinem instinktiven Verhalten zu tun. (Foto: JamesQube/Pixabay)

Aggressionen vermeiden kann man auch durch die ausgesendeten Körpersignale. Zum einen erkennt man an den Signalen des Hundes, in welcher Stimmung er sich befindet. Ein aggressiver Hund stellt das Nackenhaar! Wenn Hunde sich begegnen, sind sehr schön die einzelnen Beschwichtigungssignale zu beobachten: Die Natur hat dem Hund ein ganzes Repertoire an möglichen Signalen mitgegeben, die ihm helfen, einen echten Kampf zu vermeiden. Das gilt im Übrigen auch für die Wölfe. Stellen Sie sich vor, die Kerle würden sich bei ihren Streitereien permanent verletzen, dann wäre wieder der Jagderfolg und damit das Überleben des ganzen Rudels gefährdet. Gehen Hunde frontal aufeinander zu, ist der Kampf vorprogrammiert. Geht einer der Hunde in Schlangenlinien, signalisiert er dem anderen: Ich tu Dir nichts, ich will mal gucken, wer du bist. Interessant in diesem Zusammenhang: Die Kopfstellung. Nicht nur das frontale Aufeinanderzugehen wird vermieden, sondern auch das direkte “Aug um Aug!” Einer der beiden legt den Kopf schief! Diese und zahlreiche andere Signale kann sich auch der Mensch im Umgang mit dem Hund zunutze machen. Ich habe eingangs bereits erwähnt, nie mit der flachen, offenen Hand auf einen Hund zugehen, sondern ihm den Handrücken bieten. Nie dem Hund direkt in die Augen schauen, den Kopf ein wenig schräg halten. Auf die Stimme achten: ruhige, hohe Stimme heißt “alles klar”, tiefe, drohende Stimme “lass das!” Leise Töne bedeuten “Feind oder Beute in der Nähe”. Laute Stimme: “Weiter so”. Es gibt also mit Hilfe der Körpersprache eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um sich auch einem fremden Hund gegenüber einigermaßen ungefährdet nähern zu können. Man muss diese Signale aber kennen! Es gibt ausgezeichnete Fachliteratur zum Thema Körpersprache und Ausdrucksverhalten von Hunden und Wölfen.

 

 

Kurz und bündig

Lassen Sie dem Hund seinen Distanzrahmen

Nähern Sie sich ihm mit dem Handrücken

Beobachten Sie sein Verhalten – über einen längeren Zeitraum

Beobachten Sie Ihr Verhalten

Signalisieren Sie ihm durch die Haltung Ihres Kopfes und Ihrer Stimme: Es ist alles in Ordnung.

Und denken Sie daran: Es kann immer etwas passieren. Sie stecken nicht im Kopf dieses Hundes! Wer das nicht akzeptiert, hat das Wesen des Hundes nicht verstanden!

 

Hundeerziehung ohne Stress für Mensch und Tier Teil I finden Sie hier und Teil II hier

Hundeerziehung ohne Stress für Mensch und Tier (Teil II)

Hundeerziehung ohne Stress für Mensch und Tier (Teil II)
Bild von Dorota Kudyba auf Pixabay

Ungeeignete Erziehungsmethoden

Nach dem ersten Teil, in dem es in erster Linie um die Lernmethodik ging, soll es in diesem zweiten Teil um ungeeignete Erziehungsmethoden gehen. Viele der früher gängigen Methoden sind heute längst überholt. So weiß man heute, dass es in freilebenden Wolfsrudeln zwar einen Leitwolf, aber keinen Chef gibt. Der „unterwirft“ Rudelmitglieder aber nicht, vielmehr hält er sein Rudel durch Souveränität zusammen. Würden Wölfe um den Chefposten kämpfen, wären permanent Tiere verletzt, die schließlich bei der Jagd fehlen. Gerade beim Jagen zeigt sich das ausgeprägte Teamgefüge des Rudels. Mit Dominanz (dazu später mehr) hat das nichts zu tun. Diese Erkenntnisse sind längst auch in die Hundeerziehung eingeflossen. Man führt seinen Hund mit Souveränität, nicht mit Strenge oder unterwirft ihn gar mit Gewalt. Vertrauen ist das Zauberwort. Der Hund muss wissen, dass sein Herrchen oder Frauchen alles für ihn regelt. Das gilt für Besucher zuhause genauso wie für Begegnungen mit aufmüpfigen Artgenossen auf dem Sparziergang. Herrchen macht das! Hilfsmittel, die Druck ausüben, oder Schmerzen verursachen, wie Stachelhalsband und Teletacter sind absolut tabu. Sie richten mehr Schaden an, als sie vorübergehend Nutzen versprechen, auch wenn beides noch immer verkauft wird.

Weg mit der Trillerpfeife

Nicht geeignet in der Hundeerziehung ist die “berühmte Trillerpfeife”. Man muss dabei das sehr empfindliche Gehör des Hundes berücksichtigen. Der Ton der Pfeife schmerzt den Hund und er wertet deshalb alle mit der Pfeife gemachten Erfahrungen als negativ! Sie verursachen ihm Schmerzen. Auf der einen Seite wird die Trillerpfeife zum Rückruf von Hunden propagiert und gleichzeitig machen die Hersteller Werbung für dieselben Pfeifen, um Tiere zu „verschrecken“, sie also zu vertreiben. Und zwar mit dem Argument, dass gerade Hochfrequenzpfeifen bei Hunden, Katzen und Vögel, für ein „unangenehmes Empfinden“ sorgen. Wer kann da noch erwarten, dass der Hund freudig zu Herrchen und Frauchen zurückkehrt, wenn er mit einem „unangenehmen Empfinden“ gerufen wird. Für die Pfeife soll doch sprechen, dass sie einen immer gleichbleibenden Ton erzeugt, während die menschliche Stimme nicht frei ist von Emotionen. Sie soll ja gerade nicht Ärger und Zorn übertragen und so den Hund erst recht davon abhalten zurückzukommen. Natürlich gibt es gute Gründe für eine Hundepfeife, etwa für tatsächlich schwerhörige Hunde. Hunden geht es wie Menschen, im Alter lassen die Leistungsfähigkeit von Augen und Ohren nach. Bei der Jagd mit Hunden kommt die Pfeife traditionell zum Abbruch der Jagd zum Einsatz. Ansonsten gibt es aber keinen Grund, den Hund mit Pfeife zurückzurufen. Wenn er von vornherein gelernt hat, sich nicht zu weit von seinem Herrchen zu entfernen, reicht ein einfaches Rufzeichen. Das berühmte „hier“ funktioniert vielleicht nicht immer und nicht sofort, stimmt aber die Bindung zwischen Mensch und Hund reicht es aus.

Das leidige „Fuß“-Thema

Schmerzen spielen im Übrigen auch eine entscheidende Rolle beim Thema “Fuß gehen” und an der “Leine zerren”. Wenn ein Hund permanent bei Fuß gehen soll, muss er vier Befehle auf einmal ausführen. Das kann er auf Dauer gar nicht. Er ist damit absolut überfordert. Wichtig ist nur, dass der Hund ohne zu zerren an der Leine geht, ob der Kopf dabei auf Kniehöhe ist oder nicht, ist völlig uninteressant. Lediglich in gefährlichen Situationen im Straßenverkehr ist es deshalb angezeigt, den Hund streng bei Fuß gehen zu lassen. Ansonsten sollte man ihm möglichst viel Raum mit einer etwa drei Meter langen Leine lassen, damit er sich bewegen kann. Mit den üblichen kurzen Leinen ist das zum Beispiel gar nicht möglich. Der Hund hat keinen Platz, um sich zu bewegen, also zerrt er an der Leine.

Und noch eine wichtige Erklärung für alle Interessierten: Das berühmte “Zerren” der Hunde an der Leine. Der Hals des Hundes entspricht vom anatomischen Aufbau her dem des Menschen. Nun stellen Sie sich bitte einmal vor, man würde Ihnen ein Hundehalsband umbinden und Sie daran auch noch ruckartig ziehen. Machen Sie sich diese Situation bitte bewusst: Genauso, wie Sie sich jetzt fühlen, fühlt sich auch der Hund. Nun kennt der Hund bei Schmerz ein “Meideverhalten” und das heißt “Flucht”! Er zieht, weil Sie ihm mit dem Halsband und der Leine Schmerzen zufügen. Sie ziehen zurück, der Schmerz für den Hund wird noch größer und er versucht seinem Instinkt folgend noch heftiger von Ihnen weg zu kommen. Und jetzt stellen Sie sich bitte die ganze Situation noch in Verbindung mit einem Stachelhalsband vor! Ich kann Ihnen hier aus meiner eigenen Erfahrung berichten: Einer meiner Hunde – ein ausgewachsener, damals 2 1/2 Jahre alter Dobermann-Rüde – war ein Meister im Zerren und Ziehen am Halsband. Bei seiner Begleithundeausbildung hat der Trainer allen Ernstes noch geraten, ihm ein Stachelhalsband anzulegen. Und wenn er zieht, heftig, ruckartig mit aller Kraft den Hund zurückzuholen. Können Sie sich vorstellen, welche Schmerzen ein Hund damit erdulden muss? Nun kommt es aber häufig vor, dass ein 40 Kilo-Bursche sein Frauchen hinter sich herzieht, wie ein Fähnchen im Wind! Vielen Frauen geht das mit ihren Hunden so: Der Hund geht mit ihnen spazieren, und zwar im wahrsten Sinn dieser Worte. Die Alternative? Ein Geschirr. Der Hund geht zwar nicht bedingungslos bei Fuß. Aber im Rahmen der Reichweite jetzt hoffentlich langen Leine bewegt er sich freudig und ohne großes Gezerre! Und man kann ihn trotzdem halten – zumindest, solange nicht einer seiner Artgenossen ebenfalls gerade spazieren geht und Ihren Weg kreuzt. Und für diesen leider immer sehr wahrscheinlichen Fall gibt es ebenfalls einen Vorschlag: Wann immer es möglich ist, diesen Begegnungen ausweichen – rechtzeitig mit Ruhe und Souveränität! Schämen Sie sich also nicht, wenn Sie lieber den geordneten Rückzug wählen, das ist weder verwerflich noch feige! Es ist einfach taktisch klüger, zumal auch mit Blick auf das Thema “Wachhund”, auf das wir noch zu sprechen kommen. Vielleicht sollten wir das Geschirr vorbehaltlos einfach einmal ausprobieren. Und wer jetzt wissen möchte, wie man sich mit einem Stachelhalsband um den Hals fühlt, darf das auch gerne einmal ausprobieren! Noch ein letztes Wort zum Thema “Fuß”! Der Begriff ähnelt sehr den Negativ-Begriffen “Schluss” und “Aus”. Man sollte den Befehl deshalb in der Kombination “bei Fuß” verwenden, um eventuelle Unterscheidungsschwierigkeiten beim Hund auszuräumen!

Clicker-Training – Vor- und Nachteile

Als nicht unbedingt abzulehnen ist die so genannte “Clicker-Methode, die derzeit unter Hundehaltern geradezu in ist. Vorausgesetzt, sie wird richtig angewandt. Die Vorteile des Clicker-Trainings bestehen darin, durch die Arbeit über positive Verstärkung wird die Aufmerksamkeit des Besitzers darauf gelenkt, was der Hund gut macht, und nicht, was er mal wieder schlecht oder falsch gemacht hat. Jeder von uns kennt das sicher, wie oft sagen wir “Nein”, “Aus”, Pfui” und wie selten loben wir das Tier ausgiebig. Hier sind wir Menschen ganz Mensch: Das Gute ist selbstverständlich, das Schlechte wird bedingungslos beklagt! Weiterer Vorteil: Man kann mit dem Hund kommunizieren, ohne ihn “zuzulabern”! Eine Erklärung erübrigt sich hier. Wir quatschen auf unsere Tiere ein, ohne daran zu denken, dass sie uns ja gar nicht verstehen! Sie könnten genauso gut Chinesisch sprechen, das Ergebnis beim Hund bliebe gleich! Man kann mit dem Clicker-Training ein Vertrauensverhältnis aufbauen: Geclickert wird nur, wenn etwas gut ist. Das Clickgeräusch vermittelt dem Tier “Das hast du gut gemacht!” Es ist ein emotionsloses, neutrales leicht reproduzierbares Geräusch. Emotionslos und neutral sind hier die wichtigen Punkte, das Clickern signalisiert dem Hund: alles okay! Kein Grund zu irgendwelcher Aufregung. Man kann es dazu einsetzen, den Hund zu beschäftigen, ihn mit dem Click-Geräusch beispielsweise ein Spielzeug anschleppen lassen, oder sonst ein Kunststück einüben. Und man kann den Clicker dazu verwenden, sich mit dem Hund zu beschäftigen, ohne an der Leine zu rucken!

Die Methode hat indes auch Nachteile: Man kann sie nicht einsetzen bei geräuschempfindlichen Hunden, bei ängstlichen oder nervösen Hunden, bei hyperaktiven Hunden und einigen Verhaltensweisen mehr. Hinzu kommt, dass inzwischen so viele Hundehalter “clicken”, dass der Hund draußen vermutlich das eigene von den fremden Clickgeräuschen nicht mehr unterscheiden kann! Außerdem hat der Clicker den Nachteil, dass Sie ihn wirklich die ganze Zeit, die Sie mit ihrem Hund zusammen sind, in der Hand halten müssen. Ganz schön lästig!

Ein fataler Irrglaube

Eine absolut ungeeignete Erziehungsmethode, die früher jedem Anfänger-Hundehalter mit auf den Weg gegeben wurde, wenn er seinen Welpen abgeholt hat, das im Genick packen und schütteln. Das, so wurde ihm erklärt, würde die Mutterhündin auch so machen. Aber: Einen Hund im Genick zu schütteln, heißt schlicht “Ich kill dich jetzt”. Mutterhündinnen schütteln ihre Welpen nicht! Das ist ein absoluter Irrglaube, auf den in immer mehr Fachbüchen mittlerweile auch hingewiesen wird. Wenn ein Hund ein Lebewesen im Fang hält, dann handelt es sich um Beute! Und die Beute wird geschüttelt, bis sie sich nicht mehr bewegt, erst dann kann der Hund von der Natur so vorgegeben den Fang öffnen und die Beute fallen lassen. Wer also einen Hund am Genick packt und ihn schüttelt, signalisiert ihm: Ich bring dich jetzt um!” Kaum vorstellbar, was dieser Hund emotional durchmacht. Spätere negative Verhaltensmuster sind da keine Seltenheit, denn noch immer erzählt man angehenden Hundebesitzern, sie sollten den Kleinen, wenn er etwas falsch macht, ordentlich schütteln, das täte die Mutter auch! Tut sie nicht. Die Mutter nimmt ihr Junges nur dann zwischen die Zähne, wenn sie es transportieren will. Und das Kleine verfällt in diesem Augenblick in die sogenannte “Welpenstarre”, es rührt sich nicht: Übertragen heißt das, “ich bin schon tot, ich zappele nicht mehr, bitte schüttel mich nicht”. Ansonsten verwendet die Hundemutter nur “Drohgebärden”, um den Kleinen zur Raison zu bringen: Sie knurrt, fletscht die Zähne und schnappt nach ihm, ohne es wirklich zu verletzen. Diese Verhaltensmuster stuft die Mutterhündin exakt auf das jeweilige Verhalten des Welpen ab. Erst bei hartnäckigen Provokationen setzt sie das Schnappen ein. Und das kapiert letztlich auch der schlimmste Welpenrüpel! Mit dem Nackengriff und Schütteln raubt man gerade dem Jungtier jegliches Vertrauen in den Menschen!

Alles mit “Maß und Ziel“

Ebenfalls völlig ungeeignet in der Hundeerziehung sind Kommandos aus Lust und Laune, etwa um den Trainingserfolg zu optimieren. Kommandos sollten aber niemals willkürlich gegeben werden, weil man als Mensch das gerade mal so will. Die Probleme entstehen, weil der Mensch mit minimalem Aufwand versucht, den Hund zum Funktionieren zu bringen. Sie lassen ihre Tiere in den unmöglichsten Situationen Sitz und Platz machen, ohne den Sinn oder Unsinn in der jeweiligen Situation zu überlegen. Der Hund muss nicht auf jeden Befehl prompt hören. Man muss vielmehr festlegen, was man an seinem Hund nicht haben will und das dann durch gezieltes Training (mit einer der oben vorgestellten Methoden) abstellen. Klassisches Beispiel: Der Hund freut sich wie verrückt, wenn er endlich raus darf und führt einen derartigen Tanz auf, dass man ihm kaum die Leine anlegen kann. Wenn man sich nun überlegt, dass das Tier den größten Teil des Tages eingesperrt war, ist seine Freude mit Blick auf sein Bewegungsbedürfnis nur all zu verständlich. Auf das Bewegungsbedürfnis eines Menschen übertragen stellt sich die Situation so dar: Stellen Sie sich vor, Sie sind 8 Stunden am Stück in einem Raum, der die Größe eines durchschnittlichen Badezimmers hat, eingesperrt. Und jetzt kommt endlich jemand, der sie rauslässt! Würden Sie nicht auch Luftsprünge vor Freude machen? Und die Freude des Hundes, wenn er endlich raus darf, ist absolut echt! Wenn Sie nun aber gerade diese Luftsprünge stören, dann sollten Sie dem Hund dieses Verhalten nicht abgewöhnen, wenn er sich gerade wie wild freut, dass er endlich raus darf. Viel besser ist es, hier erst zu trainieren, wenn man wieder vom Spaziergang zurück ist. Man nimmt einfach öfter einmal im Haus die Leine und legt sie dem Hund an, ohne mit ihm wegzugehen. Irgendwann begreift er, dass Frauchen oder Herrchen die Leine in die Hand nimmt, heißt nicht, dass ich jetzt raus darf! Also wozu aufregen, ich weiß ja nicht, ob oder ob nicht!

Im 3. Teil der Reihe geht es Missverständnisse im Alltag und wie man ihnen begegnet!

Im ersten Teil geht es um Lernmethoden Link zu Teil I

Weitere Beiträge zum Thema Hund hier

Hundeerziehung ohne Stress für Mensch und Tier (Teil I)

Hundeerziehung ohne Stress für Mensch und Tier (Teil I)
Huskys sind keine Couchpotatos! (Foto: Pixabay/Adina Voicu)

Geht es um die richtige Methode bei der Erziehung unserer Hunde, scheiden sich die Geister. Noch immer sind viele Hundehalter davon überzeugt, dass ein Hund unterworfen werden muss. Diese Methode des absoluten Gehorsams wird nach wie vor auf vielen Hundeplätzen angewandt, wo selbsternannte Hundetrainer dem Anfänger zeigen, wie er sich bei seinem Hund zum Chef oder „Rudelführer“ macht. Die Forschung ist aber in den letzten Jahrzehnten nicht stehen geblieben. So manche Erziehungsmethode erwies sich als gänzlich ungeeignet und wurde längst revidiert. Die Ergebnisse sind indes noch nicht überall angekommen, wie die Zahl der Problemhunde in deutschen Tierheimen eindrucksvoll belegt. Diese Arbeit soll den Wandel in der Hundeerziehung voranbringen und dazu beitragen, die Erziehung unserer Hunde mit den neuesten Erkenntnissen der Verhaltensforschung in Einklang zu bringen. Gewalt in der Hundeerziehung ist völlig indiskutabel, Zwang nicht nötig. Hundeerziehung kann ganz ohne Strenge und Stress erfolgen. Ziel dieser Arbeit ist es, unsere Hunde anhand einiger wichtiger Grundregeln besser zu verstehen und ihnen so möglicherweise ein künftiges Schicksal als „Problemhund“ zu ersparen.

Der Hund macht nichts falsch

Grundsätzlich gilt: Der Hund macht nichts falsch! Der Halter des Hundes ist gefordert. Der Hund verfügt über eine unglaubliche Anpassungsfähigkeit. Er ist in der Lage, sich in eine Familie oder auf einzelne Menschen einzustellen und sich so zu verhalten als sei das für ihn das Selbstverständlichste der Welt. Das funktioniert aber nur, wenn der Mensch die Körpersprache des Hundes versteht und schon bei der Auswahl eines Hundes an dessen Bestimmung, das eigentliche Zuchtziel, denkt.

Das heißt konkret: Ich kann keinen Husky bei 30 Grad im Schatten acht Stunden lang in einer 2-Zimmer-Dachwohnung einsperren. Wenn ich dann nach Hause komme und der Hund hat das Mobiliar zerlegt, dann schlicht deshalb, weil er sich gelangweilt hat. Ein Husky liebt Kälte und ein Husky will und muss laufen. Wenn ich mir einen Hütehund aussuche, dann muss ich wissen, dass dieser Hund sein “Rudel” hütet, und zwar ohne Wenn und Aber. Wenn ich mir einen Jagdhund aussuche, dann muss ich wissen, dass dieser Hund hinter allem her hetzt, was sich bewegt.

Aus der falschen Wahl eines Tieres entstehen also die ersten Probleme, die die Hunde schließlich in die Tierheime bringen. Bei der Anschaffung eines Hundes, ganz egal ob als Welpe von einem renommierten Züchter (niemals aus dubiosen Quellen im Internet!) oder aus dem Tierheim darf nicht das Aussehen des Hundes und die Sympathie („der ist ja so niedlich!“) im Vordergrund stehen, sondern das Zusammenspiel “Hund in seiner rassespezifischen Verhaltensweise” und “Mensch mit seinen Erwartungen an den Hund”. Wer sich einen Hund aus dem Tierheim holt, sollte deshalb auf die Aussagen der Mitarbeiter vertrauen. Sie kennen die Hunde und können meist schon im Voraus sagen, ob „Hund” und „neue Familie” miteinander können werden oder nicht.

Jeder Hund kann lernen

Natürlich ist nicht jedes Fehlverhalten eines auch schon älteren Hundes unumkehrbar. Tatsächlich ist der Hund nur deshalb zum besten Freund des Menschen geworden, weil er sich durch Lernen an die jeweilige Situation in einer Familie anpassen kann. Ein junger Hund lernt schneller, aber auch ein „alter” Hund ist durchaus in der Lage, in unseren Augen “falsches” Verhalten durch “richtiges” zu ersetzen. Dazu haben sich drei Methoden herausgebildet. Der Hund lernt durch Nachahmen, Erklären mit Geduld und Ruhe und durch Versuch und Irrtum. Ein Pauschalprogramm gibt es nicht. Die Frage des jeweiligen Trainers muss also lauten: “Was bringt mich zum Erfolg?“

Distanz wahren!

Wichtig ist, dass man die “Distanz” zum Tier wahrt. Jedes Lebewesen hat einen natürlichen Distanzrahmen. Kein Mensch würde es dulden, wenn ein Fremder ihm freundlich, aber heftig über den Kopf streichelt, nach dem Motto: “Na, Du bist aber ein feiner Mensch!” Ein Beispiel macht das Bedürfnis nach Distanz deutlich: Warum erschrecken wir Menschen so unglaublich, wenn wir plötzlich eine Spinne auf unserer Schulter sehen? Weil eine Spinne – als eines der wenigen Lebewesen – in der Lage ist, unseren Distanzrahmen zu durchbrechen, ohne dass wir es merken! Daran erkennt man die Bedeutung des Distanzrahmens. Gewähren wir unseren Hunden deshalb auch den ihren. Wenn wir also einem Hund etwas beibringen wollen, dann bitte mit der nötigen Distanz. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass wir unsere Hand dem Hund mit dem Handrücken nähern. Er empfindet das nicht als so bedrohlich, wie die offene Innenseite der Hand, die ihm entgegengestreckt wird.

Zurück zu den Lernmethoden. Nachahmen ist ein klar definierter Begriff: Der Hund sieht ein Verhalten, irgendwann – nach der hundertsten oder tausendsten Wiederholung – macht er es nach. Das gilt vor allem für Welpen. Sie machen ihre Mutter und Geschwister nach: Wenn einer der kleinen Racker es geschafft hat, mit einer bestimmten Technik die Wurfkiste auf eigene Faust und so ganz ohne Erlaubnis des Menschen zu verlassen, darf man sicher sein, dass seine Geschwister ihm alsbald nacheifern werden. Dieses Lernen durch Nachahmen wird beispielsweise in der Ausbildung von Blindenhunden eingesetzt. Die Welpen lernen durch das bloße Abgucken der Aufgaben eines Blindenhundes, was sie zu tun haben. Zuhause wird sich ein Welpe oder auch ein älterer Hund von einem vorhandenen Hund auch rasch abschauen, wie er sich in der Familie zu verhalten hat.

Der Hund spricht nicht unsere Sprache

Ein häufiges Missverständnis in der Hundeausbildung ist noch immer, dass der Hund beim Wort “Sitz” oder “Platz” weiß, was er zu tun hat. Bei “Sitz” drückt man ihm solange den Hintern auf den Boden, bis er es kapiert hat, bei “Platz” wird in der klassischen Hundeausbildung der Hund solange am Halsband nach unten gezogen, bis er sich freiwillig hinlegt. Nun ist es aber so, dass der Hund nicht unsere Sprache spricht. Er weiß also nicht, was “Platz” und “Sitz” heißen, er erkennt nur die Bedeutung der Worte im Zusammenhang mit den Taten. Überhaupt ist bei den Menschen das Zusammenspiel von Stimme und Körpersprache sehr häufig sehr willkürlich. Doch dazu kommen wir später noch. Mit Ruhe und Zeit kann man dem Hund “Sitz” und “Platz” beibringen, ohne Gewalt auszuüben. Das funktioniert durch Motivation. Motivieren kann ich den Hund durch Futterbelohnung (dabei sollte auf die Tagesration geachtet werden), durch Spielmotivation (Training und Spiel verbinden) und durch positive Zuwendung (Streicheln). Wenn das alles nicht hilft, durch Ritualisierung. Ich muss ihm den Begriff “Sitz” beibringen, indem ich ihn mit dem Wort “Sitz” auffordere, sich zu setzen. Gleichzeitig halte ich ein Leckerli in der Hand. Der Hund wird vor mir stehen bleiben in Erwartung seines Leckerlis. Das bekommt er aber nicht. Sondern ich wiederhole das Wort “Sitz”. Wenn nun ein Hund uns anschauen will, dann muss er – ob er will oder nicht – den Kopf nach oben richten und damit setzt er sich in aller Regel automatisch auf seinen Hintern, damit er sich nicht die Halswirbel verrenken muss. Plumps, sitzt er schon. Ich lobe ihn ausführlich und er bekommt sein Leckerli. Das muss solange wiederholt werden, bis das Hörzeichen “Sitz” mit der positiven Erfahrung, jetzt bekomme ich ein Leckerli, oder es wird gespielt, oder ich werde gelobt, im Kopf des Hundes in Verbindung gebracht werden. Dabei gilt die Regel: Ich habe drei Sekunden, um dem Hund die “Verbindung – auf das Hörzeichen gehorchen und Gabe des Leckerlis/Lob” – klar zu machen. Nach diesen drei Sekunden wird der Hund die Belohnung nicht mehr mit seinem zuvor gezeigten Verhalten in Verbindung bringen. Noch eines ist in diesem Zusammenhang wichtig: Ich muss den Befehl “Sitz” wieder aufheben, den Hund also explizit zur Aufgabe der Sitzposition bewegen. Das erreicht man, indem man das Leckerli nicht von oben im Sitzen einfach in den Rachen des Hundes schiebt, sondern es ihn durch die nach unten/hinten geführte Hand holen lässt. Erklären mit Ruhe und Zeit! Sich Zeit zu nehmen und in Ruhe mit dem Hund zu arbeiten, ist dabei das wichtigste. Wenn der Hund nicht kapiert, dann muss ich eine Methode suchen, die ihn verstehen lässt.

Versuch und Irrtum ist die klassische durch Verhaltensforschung entwickelte Lernmethode, wie wir sie von Pawlows Mäusen kennen. Darüber hinaus kennt die Verhaltensforschung noch die klassische und operante Konditionierung, bei denen dem Tier eben so lange immer mit einem bestimmten Verhalten etwas beigebracht wird, bis es das Tier kapiert hat und nachahmt.

Es gibt keine Garantie

“Erklären mit Ruhe und Zeit” hat sich durch viele positive Erfahrungen von renommierten Hundeexperten in den letzten Jahren als beste Methode zur Erziehung von Hunden herausgebildet. Aber Achtung: Selbst wenn der Hund etwa die „Begleithundeprüfung“ mit Bravour absolviert hat, ist das noch lange keine Garantie für die Verkehrs- und Alltagstauglichkeit eines Hundes. Was ein Hund auf dem Hundeplatz oder im Training perfekt beherrscht, muss nicht unbedingt auch auf den Alltag und in verschiedene Verkehrssituationen übertragbar sein. Eines sollte jeder Hundehalter immer im Hinterkopf behalten: “Es kann immer etwas passieren. Und wer das nicht glauben will, hat das Wesen des Hundes nicht verstanden!”

Im zweiten Teil geht es um ungeeignete Erziehungsmethoden. Link zu Teil II

Nur ein dummer Hund?

Nur ein dummer Hund?

Schlau oder dumm: Wie man Mensch um den Finger wickelt, wissen alle Hunde!

Noch zu Beginn des Jahrtausends schrieb der kanadische Psychologe und ausgewiesene Hundekenner Stanley Coren: „Die Wissenschaft wird wohl nie ganz verstehen, was Hunde über Kommunikation, Problemlösen, Vergangenheit, Zukunft, Gott, Zeit und Philosophie wissen“. Das deckte sich damals schon nicht mit den Erfahrungen von Hundehaltern, die tagtäglich erleben, dass ihr vierbeiniger Liebling sehr wohl versteht, was man ihm sagt – auch wenn er nicht immer danach handelt und die Ohren, so hat man den Eindruck, ohnehin nur zum Saubermachen da zu sein scheinen. Inzwischen hat aber auch die Wissenschaft Fortschritte gemacht und der Verhaltensbiologe Professor Dr. Norbert Sachser hat mit seinen Erkenntnissen das Weltbild in der Tierverhaltensforschung dramatisch verändert. „Tatsächlich hat die Verhaltensbiologie in den letzten Jahr(zehnt)en große Fortschritte bei der Untersuchung der kognitiven (und emotionalen) Leistungen der Tiere gemacht und unter anderem nachgewiesen: Einige von ihnen können denken, können sich im Spiegel erkennen, können sich in andere hineinversetzen, haben offenbar zumindest Ansätze von Ich-Bewusstsein“, teilt Professor Sachser auf Anfrage von besser-klartext.de mit. Den aktuellen Kenntnisstand hat er in seinem Buch „Der Mensch im Tier“ allgemeinverständlich zusammengefasst (Der Mensch im Tier). Demnach weiß man heute, dass Tiere sich sogar ärgern können, sie trauern und tricksen.

Hundehalter können davon ein Lied siegen – ist es doch dieser tiefsinnige Blick, mit dem jeder Hund sein Herrchen oder Frauchen einmal rund um alle Finger wickelt. Insoweit deckt sich das natürliche Empfinden von Hundefreunden durchaus mit dem derzeitigen Stand der Wissenschaft – zumindest bis die englischen Forscher Dr. Britta Osthaus von der Canterbury Christ Church University und Stephen Lea von der University of Exeter im Oktober 2018 in einer Studien nachwiesen, dass Hunde durchweg nicht so schlau sind wie gedacht, sondern im Vergleich mit anderen Tieren sogar schlechter abschneiden. Die beiden Wissenschaftler haben dazu mehr als 300 Dokumente über die Intelligenz von Hunden und anderen Tieren ausgewertet und fanden heraus, dass man in vielen Fällen die Fähigkeiten von Hunden überbewertet hatte.

Das enttäuscht den Hundeliebhaber – aber nur auf den ersten Blick. Denn letztlich haben Menschen, die ihr Leben mit Hunden verbracht haben, längst selbst die Erfahrung gemacht, dass es erhebliche Unterschiede in den kognitiven Fähigkeiten – also in Wahrnehmung und Denken – von Hunde gibt. Der eine Vierbeiner ist wissbegierig, lernt schnell und gern, ist gehorsam und zu allerlei Späßen aufgelegt. Der andere Hund aber will von all dem einfach nichts wissen. Er spielt nicht, kuschelt nicht und weiß auch sonst nicht viel mit sich und den Menschen in seinem Rudel anzufangen. Er braucht nur seine Spaziergänge, gutes Futter und das möglichst reichlich und ansonsten seine Ruhe! Stanley Coren hat sogar eine Rangliste der intelligentesten und dümmsten Hunderassen aufgestellt (Stanley Coren, Die Intelligenz der Hunde, Rowohlt Taschenbuch 1997, ISBN 9783499602467). Aber haben die unterschiedlichen Verhaltensweisen wirklich etwas mit Intelligenz zu tun? Denkt der Hund über sein Tun nach? Oder macht Hund in jedem Fall einfach nur was er will? Ist der dumme Hund am Ende nicht schlauer als der Gehorsame, weil er sich eben nicht von seinem Menschen zu etwas zwingen lässt, stattdessen instinktgetreu genau das tut, wonach ihm gerade ist? Fragen über Fragen, auf die die Wissenschaft noch immer keine Antworten gefunden hat und vermutlich auch nicht finden wird. Denn auch die Wissenschaft kann das Verhalten von Hunden mit allerlei Experimenten, Untersuchungen und Studien nur interpretieren. Ob die jeweilige Deutung aber tatsächlich stimmt, weiß letztlich doch niemand ganz genau! /sis

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Huskys sind noch mehr als andere Rassen instinktgesteuert. Sie können nicht acht Stunden am Tag in einer kleinen Wohnung unterm Dach alleine darauf warten, dass ihre Besitzer nach Hause kommen. Das grenzt an Tierquälerei!

Ein Hund zieht ein. Welches Körbchen ist das Beste, passt idealerweise auch noch zur Einrichtung und nimmt nicht zu viel Platz weg? Vielleicht mit orthopädischer Matratze? Wie ist es mit den Futternäpfen, Blech oder Porzellan, auf dem Fußboden stehend? Nein, natürlich nicht! Nur mit in der Höhe verstellbarem Ständer, keine Frage! Und das Halsband? Schick sind sie ja schon, die breiten Lederbänder mit Strass oder Goldapplikation! Rollleine oder doch lieber die aus Leder? Trockenfutter, Dose oder doch besser selbst gekocht oder gar nur rohes Fleisch? Wer von solchen Vorbereitungen für den Einzug eines Hundes hört, kann nur mit dem Kopf schütteln. Alles wird mit in die Überlegungen einbezogen, nur der Hund nicht. Und so kommt es vor, dass ein Husky-Rüde im besten Alter zwar in übergroßem Luxus, sehr wohl aber acht Stunden am Tag alleine eingesperrt und permanent jaulend in einer 3-Zimmer-Wohnung unterm Dach ausharren muss, der Dobermann unter ähnlichen Bedingungen zum kreativen Innenarchitekten mutiert, der Rottweiler Löcher in Wände und Türen frisst und der Pekinese die Nachbarn mit seinem ununterbrochenen Gebell in quietschiger Tonlage direkt in den Wahnsinn treibt. Zweimal die Woche müssen diese sogenannten besten Freunde des Menschen obendrein zum Erziehungskurs in die Hundeschule und dort werden von ihnen stundenlang Handlungen verlangt, die ihnen völlig wesensfremd sind: Sitz, Platz, Bleib, Fuß – und das natürlich mit allerlei Artgenossen im Gleichschritt. Von alleine käme kein Hund auf die Idee, solche Befehle auszuführen oder gar den Artgenossen, der keinen Meter entfernt auch gerade Sitz oder Bleib probt, einfach nur zu ignorieren! Das ist völlig gegen ihre Natur, genauso wie Dog Dancing oder Flyball oder was es sonst noch alles an Beschäftigungstherapie für den modernen Hund gibt. Überhaupt ist das ständige Beschäftigt werden wirklich so gut für den Hund, wie moderne Hundetrainer – für die es nach wie vor keine verbindliche Ausbildung gibt – behaupten? Langweilt sich der Hund wirklich, wenn er von uns nicht rund um die Uhr bespaßt wird?

Natürlich näherte sich der Hund dem Menschen – man schätzt vor etwa 10.000 Jahren – von alleine an. Niemand hat ihn dazu gezwungen. Er hat nur schnell erkannt, dass es bei den Zweibeinern gar nicht so übel ist: Regelmäßig Futter und ein Plätzchen im Warmen, wenn es draußen kalt ist, das hat doch was! Er dankte es dem Menschen, indem er wichtige Aufgaben übernahm: Herde hüten, bei der Jagd helfen, Kaninchen aus ihren Bauten treiben, Haus und Hof beschützen. Dazu brauchte es selbstbewusste Hunde, die allein entscheiden konnten und das auch taten. Dafür gab es Futter und ansonsten ließ man sie ganz einfach Hund sein. Erst seit wenigen Jahren wird der Hund immer mehr zur Marionette, zu einer Puppe, die mitunter sogar in vermeintlich niedliche Kleidung gestopft wird, zum Kindersatz, der viel zu viel von unserem ungesunden Essen bekommt, dick und rund und letztlich krank wird, oder zu dem Kind oder Partner erzogen wird, den man so gerne hätte: ein zu einhundert Prozent gehorsamer, einfach perfekter Begleiter. Seine einzige Aufgabe besteht darin, unsere Mitmenschen von seinen oder besser unseren Qualitäten zu überzeugen: Seht her, was ich für ein toller Typ bin. Mein Hund macht was ich will und zwar nur wann ich es will! Toll, oder?

Sicher gibt es gewisse Voraussetzungen für das Zusammenleben von Mensch und Hund in der heutigen Zeit. Aber übertreiben es die Menschen nicht längst mit ihren Forderungen? Warum dürfen unsere Hunde nicht einfach mal wieder Hund sein! Warum soll ein Hund nicht bellen, wenn Fremde an die Tür kommen? Das war einst sein Job! Warum sollen sich Hunde, die sich nicht mögen, nicht auch mal fetzen? Wir Menschen tun das – zumindest verbal – ja auch jeden Tag! Warum darf ein Hund uns nicht mit gefletschten Zähnen klar machen, dass wir gefälligst seinen Knochen in Ruhe zu lassen haben? Wie würden wir wohl reagieren, wenn uns jemand das Brot aus dem Mund klaut? Und warum soll ein Hund fremde Menschen nicht anknurren, die sich vor ihm aufbauen, ihm mehr oder mindert zärtlich über dem Kopf streicheln und ihm „Guter“ direkt in seinen empfindlichen Gehörgang schreien? Was würden wir wohl tun, wenn wir durch die Stadt spazieren und es kommt ein fremder Mensch auf uns zu, streicht uns über dem Kopf und brüllt so laut er kann: „Ja du bist ja ein Guter!“ /sis

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Dobermänner liegen bei Beißattacken auch weit vorne. Ein Steuereintreiber hat diese Rasse 1870 gezüchtet. Damit ist eigentlich alles gesagt. Foto: Schwertner

Wenn sie zubeißen, bekommen sie grausige Schlagzeilen. Von Bestien ist dann die Rede, von unberechenbaren Killern. Gemeint ist der beste Freund des Menschen: der Hund. Was ist er denn nun, Freund oder Feind?

Früher, als jeder Hund noch eine Aufgabe hatte, war er unverzichtbares Nutztier auf jedem Hof. Er bewachte Hab und Gut, hielt die Herde zusammen, holte die erlegte Beute ab oder trieb Hasen aus ihren Bauten. Er wurde gebraucht, wenn auch nicht immer geliebt. Er fraß das, was die Menschen übrig ließen, hauste in Zwinger oder Stall und durfte, wenn er nicht im Einsatz war, einfach nur Hund sein. Und heute? Nur wenige Hunde haben noch eine Aufgabe. Rund 8 Millionen Hunde sind nur noch Haustier. Genaue Zahlen gibt es nicht – was eigenartig anmutet, in Deutschland gibt es sonst für alles und jedes eine genaue Zahl. Zu wissen glaubt man aber, dass von diesen 8 Millionen Hunden 69 Prozent Rassehunde und 31 Prozent Mischlinge sind. Und die Hitliste der beliebtesten Rassen führt der Schäferhund an. Schäferhunde haben auch die Schnauzen vorn, wenn es um Beißattacken geht – angesichts ihrer Verbreitung verwundert das nicht. Also gehörten eigentlich sie auf die „Rasselisten“, gefolgt von Bullterriern und Rottweilern. Unwissend ist man auch, wenn es um die tatsächliche Zahl der Beißattacken geht. Schätzungen gehen von 30.000 bis 50.000 pro Jahr aus. Gesichert ist auch diese Zahl nicht. Man will aber wissen, dass es in den letzten Jahren zu mehr Beißvorfällen gekommen ist. Das liegt vermutlich nur daran, dass über diese Vorfälle auf allen denkbaren Kanälen berichtet wird, über jeden einzelnen gerne mehr als ein Mal. Vielleicht sind es mehr Beißattacken als früher. Bedenkt man aber die Lebensumstände der Hunde heute kann auch das nicht wirklich verwundern.

Natürlich steht kein Hund morgens auf und beschließt mal eben seine Besitzer zu zerfleischen. Es muss schon eine Menge schiefgelaufen sein, ehe ein Hund zubeißt – und jeder halbwegs gesunde Hund warnt vorher. Für Erwachsene ist das gut erkennbar – wenn sie denn hinschauen. Für Kinder nicht. Deshalb gilt: Nie ein Kind mit einem Hund alleine lassen, auch wenn gerade dieser Hund der berühmte, brave Familienhund ist, der gerne mit „Der tut nix“ auf die Menschheit losgelassen wird.

Tatsache ist: Es kann immer etwas passieren! Wer das nicht akzeptiert, hat schlicht das Wesen des Hundes nicht verstanden. /sis

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