Was hat die Emanzipation wirklich gebracht?

Was hat die Emanzipation wirklich gebracht?
Frau heute: Festgezurrt zwischen Haushalt, Familie und Beruf. (Foto: Piyapong Saydaung auf Pixabay)

Zum Internationalen Frauentag

Frauen dürfen wählen und selbst politische Ämter ausfüllen, sie dürfen arbeiten gehen ohne Erlaubnis ihrer Ehemänner oder Väter, auch wenn sie noch immer deutlich weniger verdienen als ihre männliche Kollgen. Sie haben ein Recht auf Bildung und gesellschaftliche Teilhabe. Alles Errungenschaften der Emanzipation. Aber was hat ihnen die Emanzipation wirklich gebracht? Rein rechtlich sind sie – zumindest in der westlichen Welt – den Männern gleichgestellt. Sie sind frei zu tun und zu lassen, was sie möchten. Aber eben nur, solange das in den Alltag als Hausfrau, Mutter, Ehe- und Karrierefrau passt. Und das tut es nur selten.

Der Zwang zur Erwerbstätigkeit

Fast Dreiviertel der Mütter in unserem Land sind berufstätig, 66 Prozent in Teilzeit – Altersarmut inklusive. Nur die wenigsten Frauen arbeiten, weil sie es wirklich wollen oder es gar gerne tun. Sie müssen arbeiten, das Geld wird für die Haushaltskasse und den ein oder anderen kleinen Luxus gebraucht. Ein Vollzeitgehalt reicht heute nur noch selten für ein ganz normales Leben mit Kindern aus, von Alleinerziehenden ganz zu schweigen. Wie diese Frauen den Spagat zwischen Familie und Beruf bewältigen, ist zwar immer mal wieder Thema hitziger Diskussionen. Die Politik verspricht in regelmäßigen Abständen mehr Betreuungsangebote und Arbeitgeber mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Es tut sich aber wenig. Noch immer gibt es nicht genug Kita-Plätze, noch immer ist die Ganztagsbetreuung lückenhaft und nicht selten ein teurer Spaß.

Haus- und Familienarbeit ist Frauensache

Außerdem hilft es Frau nur wenig, wenn die Kinder während der Erwerbstätigkeit gut betreut sind, die Familienarbeit nach Feierabend aber doch fast ausschließlich bei ihnen hängen bleibt. Die Corona-Pandemie hat es überdeutlich gemacht: Der Löwenanteil der Haus- und Familienarbeit wird noch immer von der Frau erledigt. Männer machen es sich trotz aller emanzipatorischer Bemühungen weiterhin bequem in der Hängematte überkommen geglaubter Rollenbilder. Einer neueren Umfrage zufolge stehen knapp 70 Prozent der Frauen nach wie vor alleine mit der Hausarbeit da. Über 50 Prozent sind auch alleine für die Kindererziehung verantwortlich. Kein Wunder also, dass gut die Hälfte der berufstätigen Mütter sich nicht erst seit der Pandemie an der Grenze der Belastbarkeit wähnt.

Die Erwartungen der Gesellschaft

Sicher ist die Hausarbeit durch moderne Technik leichter als sie noch vor 100 Jahren war. Weniger ist sie aber nicht geworden. Ganz im Gegenteil. Waren die Frauen früher gezwungen, über das ein oder andere Staubkörnchen in der Wohnung hinwegzuschauen – sie wurden auf dem Feld gebraucht –, muss die Hausfrau heute perfekt sein. Nicht für sich, sondern für die Gesellschaft. Es wird einfach vorausgesetzt, dass alles blitzt und blinkt im Heim. Gemütlich muss es sein, hygienisch rein und alles an seinem Platz. Auch die Kinder müssen immer sauber und adrett gekleidet sein, dazu brav und wohlerzogen. So jedenfalls suggeriert es die Werbung Tag für Tag. Der Druck, der dadurch auf die ganz normale Frau ausgeübt wird, ist enorm und spornt sie zu Höchstleistungen im Dauerstress an.

Mode und Kosmetik im Spiegel der Zeit

Und dann wäre da noch das eigene Aussehen, das bei all dem Stress nicht vernachlässigt werden darf. Frau muss immer aussehen, als wäre sie gerade der neuesten Modezeitschrift entsprungen, frisch vom Friseur und der Kosmetikerin. Zwar holen die Männer in dieser Hinsicht auf, aber Mode und Kosmetik ist noch immer Frauensache und das scheint sich auch nicht zu ändern. Die allermeisten Influencerinnen, die auf ihren Kanälen Werbung machen, sind blutjunge Mädchen! Schön, schlank, modisch up to date, so hat Frau auszusehen, immer noch und wohl auf lange Zeit. Denn vor den Bildschirmen sitzen jene jungen Mädchen und Frauen, die ihren virtuellen Idolen nacheifern und ganz genauso aussehen wollen. Kosmetische Unzulänglichkeiten werden genauso wenig akzeptiert, wie ein paar Pfunde zu viel.

Die eigenen Vorstellungen bleiben auf der Strecke

Was hat sie also gebracht, die Emanzipation? Mehr Arbeit, noch mehr Druck, noch weniger Zeit für eigene Interessen und Vorstellungen. Zwar sind Frauen heute wesentlich besser gebildet als noch vor hundert Jahren, aber nur die wenigsten können sich im Beruf „selbst verwirklichen“, können das tun, was ihnen Spaß macht oder wofür sie wirklich brennen. In den Führungsetagen großer Unternehmen sind sie ebenso rar wie in der Politik. Nicht, weil sie nicht in der Lage wären, diese Positionen auszufüllen oder weil sie es nicht wollten, sie tun es nicht, weil ihnen schlicht Nerv und Zeit fehlt. Sie reiben sich auf zwischen den Erwartungen und Anforderungen der Zeit, während sie selbst auf der Strecke bleiben.

Solange Frau die Kinder bekommt, wird sie für deren Wohlergehen unverzichtbar sein und bleiben. Daran werden auch all die übereifrigen „Woken“ mit ihrer gendersensiblen Sprache nichts ändern, mag das neue Selbstbestimmungsgesetz auch noch so viele Geschlechter erlauben: Die Mutter ist nicht zu ersetzen, durch nichts und niemanden.

Viel zu kurz gedacht

Viel zu kurz gedacht
Rezension Mary Beard: Frauen und Macht

Das entscheidende Buch zu Feminismus und Gleichberechtigung, ein leidenschaftlicher Aufruf an Frauen, sich jetzt die Macht zu nehmen, ein Buch, das weltweit Furore macht – so und ähnlich lauten die Schlagzeilen zu Mary Beards Büchlein „Frauen und Macht“. Das macht natürlich neugierig, doch leider ist die Enttäuschung nach der Lektüre auch entsprechend groß. Denn das gerade einmal 112 Seiten umfassende Heftchen, eine Zusammenstellung aus Vorträgen der sehr bekannten britischen Historikerin Mary Beard, verfängt sich in Geschichten einer längst vergessenen Zeit, sucht den Ursprung für die bis heute nachwirkende Frauenfeindlichkeit ausschließlich im Leben der Frauen im antiken Griechenland und Rom. Frauen, denen Dichter wie Homer in der Odyssee das Recht auf die öffentliche Rede absprachen, Frauen, die die Macht an sich gerissen, sie missbraucht und ein entsprechend großes Chaos angerichtet haben. Wahre Monsterfrauen, die von den Männern in ihre Schranken gewiesen werden mussten. Frauen, deren gespenstische Abbilder noch heute dazu benutzt werden, um führende Politikerinnen wie Theresa May, Hillary Clinton oder auch Angela Merkel zu diskreditieren: Das drastischste Beispiel dafür ist die Abbildung einer Medusa, die die Gesichtszüge von Hillary Clinton trägt und deren abgeschlagener Kopf von Donald Trump siegessicher in die Höhe gereckt wird.

Unser kulturelles Modell einer mächtigen Persönlichkeit ist männlich, Schwachheit ist weiblichen Ursprungs, schreibt die Autorin. Und so ist es schon die schrille, winselnde Stimme der Frau, die ihr das Recht auf freie, öffentliche Rede seit der Antike abspricht und damit den Zugang zur Macht verwehrt. Äußert eine Frau eine abweichende Meinung, dann schreibt man das ihrer Dummheit zu. Machen Frauen einen Fehler gibt man sie zum Abschuss frei, männliche Patzer hingegen werden mit Nachsicht behandelt, hatte er eben einen schlechten Tag. Frauen, die das Rederecht fordern, gelten noch heute als Mannweiber. Und tatsächlich präsentieren sich mächtige Frauen meist in Hosenanzügen. Ein Fehler, wie Mary Beard meint. Es gelte vielmehr gerade nicht dem männlichen Muster zu entsprechen. Als positives Beispiel für diese These führt sie Margaret Thatcher mit ihrem Handtaschen-Tick an, die sich damit klar von ihren männlichen Konkurrenten abzugrenzen wusste. Die Autorin kommt zu dem Schluss, der Ausschluss der Frauen von der Macht sei tief in Kultur, Sprache und Geschichte des Abendlandes verwurzelt. Als Lösung bietet sie an, den Begriff der Macht vom damit verbundenen Prestige zu trennen und neu zu definieren. Wie das zu erreichen und was damit gewonnen wäre, bleibt die Autorin ihren Lesern aber schuldig.

Mein Fazit: Das Buch ist eine sicher interessante Zusammenstellung weiblicher Diskriminierung in der Antike. Nur greift es viel zu kurz, wenn die Autorin deren Auswirkungen noch heute im defizitären Verhältnis von “Frau und Macht” sieht. Denn im Laufe der Jahrtausende gab es immer wieder und immer mehr Frauen, die Gehör fanden und über erhebliche Macht verfügten ohne zerstörerische Absichten, Herrscherinnen, Kämpferinnen, Wissenschaftlerin und Forscherinnen, unzählige Beispiele von Cleopatra über Hildegard von Bingen bis Katharina die Große ließen sich anführen. Wer sich für  Geschichte und Geschichten antiker Frauen interessiert, wird nicht enttäuscht. Wer neue Ideen und Ansätze für Gleichberechtigung und Feminismus erwartet, sollte sich nach anderer Literatur umschauen. /sis

Bibliographische Angaben:
Mary Beard: Frauen und Macht: Ein Manifest gegen das Schweigen
S. Fischer Verlag, 2019, 112 Seiten
ISBN 978-3-10-397399-0

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