Aus dem stillen Gast wurde ein sehr lauter

Aus dem stillen Gast wurde ein sehr lauter
Kritik zum Tatort Kiel „Borowski und der gute Mensch“
ARD/NDR Tatort “Borowski und der guten Mensch”: Schladitz (Thomas Kügel, l.), Borowski (Axel Milberg, M.) und Mila Sahin (Almila Bagriacik). (Foto: NDR/Thorsten Jander)
Kai Korthals (Lars Eidinger) zettelt einen Aufstand in der JVA an und kann fliehen. (NDR/Thorsten Jander).

„Der stille Gast“ ist allen Fans des Tatorts Kiel in guter Erinnerung. Kai Korthals (großartiger Lars Eidinger) verschaffte sich als Paketbote Zugang zu den Wohnungen von alleinstehenden Frauen, schlich sich in ihr Leben, um sie am Ende grausam zu ermorden. Das alles fand „still“ statt. Sein letztes Opfer war Klaus Borowskis (Axel Milberg) Verlobte Frieda Jung (Maren Eggert), die zwar gerettet wurde, aber völlig traumatisiert die Hochzeit abgesagte und Kiel und Borowski verließ. Im dritten Teil mit dem Titel „Borowski und der gute Mensch“ treffen die beiden erneut aufeinander. Diesmal aber war der ehemals stille Gast ein sehr lauter. Korthals marschiert als „der gute Mensch“ laut und aufdringlich durch die Geschichte, ohne von dem Heer von Polizisten und SEK-Leuten überhaupt bemerkt zu werden, die auf seine Ergreifung angesetzt werden.

Kai Korthals flieht in Feuerwehrkleidung mit Turnschuhen in einem Einsatzwagen der Feuerwehr aus der forensischen Klinik, in der er zuvor einen Brand gelegt hatte. Die Kameraden bemerken weder, dass einer der ihren fehlt, noch fallen ihnen die Turnschuhe auf. Das war schon sehr unglaubwürdig. Auf der Flucht tötet Korthals, wer immer ihm in die Quere kommt und verschafft sich Zutritt zur Wohnung seiner blinden Verehrerin Teresa Weinberger (Sabine Timoteo), die ihm in Briefen ihre Zuneigung versichert hatte. Teresa ist indes nicht die einzige Frau, die Kai Korthals begehrt, zahlreiche Frauen hatten ihm geschrieben.

Im Fokus der Ermittlungen: Teresa (Sabine Timoteo), mit Almila Bagriacik (r.), Axel Milberg (M.), Thomas Kügel (l.) (Foto: NDR/Thorsten Jander)

Warum Korthals sich ausgerechnet Teresa ausgesucht hat, wurde genauso wenig klar, wie Borowskis anfänglicher Unwillen, sich einer erneuten Auseinandersetzung mit Korthals zu stellen. In Erinnerung an die Geschehnisse rund um seine Verlobte hätte man doch zumindest eine gehörige Portion Zorn von Borowski erwartet. Stattdessen beschränkte er sich aufs Kaugummikauen und schenkte seine Aufmerksamkeit seiner neuen Haushälterin Alma Kovacz (Victoria Trauttmansdorff). Seine Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) hingegen unterschätzte Borowskis Warnungen zum Trotz die Gefahr, die von Kai Korthals ausging und geriet am Ende tatsächlich in seine Fänge.

Wie Korthals aber ungesehen in die Tiefgarage des Polizeipräsidiums und Sahins Auto gelangen konnte, blieb das Geheimnis von Drehbuchautor Sascha Arango und Regisseur Ilker Catak. Und auch der große Showdown war eher ein Fall von Fragezeichen: Korthals und der Vater eines der zahlreichen Mordopfer spazierten zu guter Letzt beide schwer bewaffnet aber völlig unbehelligt ins Polizeipräsidium und lieferten sich ein hysterisches „Lassen Sie die Waffe fallen“-Wortgefecht mit Borowski in dessen Dienstzimmer. Ein Schuss in die Decke und ein weiterer in Korthals Kopf beendeten das blutige Gemetzel.

Als stiller Gast zog Kai Korthals die Zuschauer durch seine subtile Art in den Bann. Als guter Mensch wusste die Figur nicht zu überzeugen. Zu viele Ungereimtheiten lösten die Spannung auf, ehe sie sich richtig entwickeln konnte. Gruseln fällt schwer, wenn man ständig die Glaubwürdigkeit in Frage stellen muss. An das Niveau der ersten beiden Teile konnte Teil 3 jedenfalls nicht heranreichen. /sis

ARD/NDR Tatort “Borowski und die Angst der weißen Männer”: Stehen noch vor Rätseln: Klaus Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik) (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Im letzte Fall mit dem Titel “Borowski und die Angst der weißen Männer” bekamen es Klaus Borowski und Mila Sahin mit Frauenhassern und Neonazis zu tun.

 

Interessant, aber keine Krimimeisterleistung

Interessant, aber keine Krimimeisterleistung
Kritik zum Tatort Kiel „Borowski und die Angst der weißen Männer“
ARD/NDR Tatort “Borowski und die Angst der weißen Männer”: In der Nähe eines Clubs wird eine junge Frau tot aufgefunden. Sie wurde schwer misshandelt. Klaus Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik) nehmen die Ermittlungen auf. (Foto: NDR/Christine Schroeder)
Borowski (Axel Milberg, vorne) gerät in die Fänge von Frauenhasser Hank Massmanns (Arnd Klawitter) Gefolgschaft. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Der neue Tatort aus Kiel mit dem Titel „Borowski und die Angst der weißen Männer“ aus der Feder von Peter Probst und Daniel Nocke wollte viel, eigentlich zu viel für einen 90 Minuten Krimi. Im Mittelpunkt stand der Frauenhass militanter Gruppen wie „Incel“, die vom Verfassungsschutz noch immer nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die sie dringend bekommen müsste. Hinter „Incel“ verstecken sich Männer, denen ihrer Meinung nach ein natürliches Recht auf Sex zusteht. Wenn nicht freiwillig, dann eben mit Gewalt. Um das krude Frauenbild zu untermauern, brachten die Autoren dann aber auch noch Neonazis der Gruppe „14 Words“ ins Spiel. Völlig unnötig, auch wenn sich die Interessen der Frauenhasser und die der Rechtsradikalen in einigen Bereichen überschneiden. Denn in diesem Fall war der selbsternannte Frauenversteher und Dating-Coach Hank Massmann (großartiger Arnd Klawitter) Beispiel genug, welch zerstörerische Wirkung Frauenhasser auf junge, verunsicherte Männer haben können. Mario Lohse (Joseph Bundschuh), von vielen Frauen und seiner Chefin ausgelacht und verspottet, ließ sich von Massmanns lautem Hassgeschrei mitreißen und, verstärkt von rechtsradikalen Hassposts im Internet, zu einem Amoklauf inspirieren. Hinzu kam, dass Klaus Borowski (Axel Milberg) und seine Assistentin Mila Sahin (Almila Bagriacik) den jungen Mann ausgerechnet in dem Augenblick zum Verhör abholten, als er erste zarte Bande zu einer sympathischen Frau knüpfen wollte. Mario Lohse war mit dem in der Nähe eines Kieler Clubs aufgefundenen Mordopfer auf einer Überwachungskamera zu sehen. Tatsächlich hatte Lohse den Club mit dem späteren Mordopfer verlassen. Umgebracht hatte er sie dennoch nicht, wohl aber schwer misshandelt.

Wie schon in den letzten Tatorten spielte der Tod des jungen Mädchens eine untergeordnete Rolle. Er wurde nur sehr am Rande abgehandelt und stellte sich am Ende auch wieder nicht als Mord heraus. Und auch die Vergewaltigung und der Mordanschlag auf eine Politikerin und ihre Assistentin fanden keine Aufklärung. Während das Mädchen wegen Drogenmissbrauchs einfach tot umgefallen ist, waren es im anderen Fall in weiße Schutzanzüge gehüllte Gestalten, die Frauen auf einer Liste angriffen, darunter eben auch die Politikerin Birte Reimers (Jördis Triebel). Anders als bei der Assistentin konnte in diesem Fall die mutige und diesmal besonders kampfeslustige Mila Sahin Birte Reimers aber vor Schlimmeren bewahren. Und auch Borowski stoppte Lohses geplanten Amoklauf ziemlich unspektakulär mit einem Schuss ins Knie des Angreifers. Spannung kam erst gegen Ende des Films auf, als Mila Sahin das Leben der Politikerin in deren Haus beschützen musste.

Keine gute Figur gab auch diesmal wieder der Verfassungsschutz ab, der die Ermittlungen wo es nur ging behinderte und ausgerechnet den Anführer Hank Massmann als „unbedenklich und gut“ einstufte. Die Gründe dafür blieben genauso im Dunkeln, wie die Identität der Angreifer in ihren weißen Anzügen. Die Spannung am Ende machte die langatmigen Schilderungen über weite Strecken aber durchaus wett. Das Thema „Frauenhass“ wurde hinreichend beleuchtet und die Verführung junger Menschen durch charismatische Anführer gut verständlich aufgezeigt. Alles in allem ein interessanter Streifen passend zum Weltfrauentag am 8. März, aber nicht unbedingt eine Krimimeisterleistung, wie man sie sonst aus Kiel kennt. /sis

Eine besonders kampfeslustige Mila Sahin (Almila Bagriacik) schützt Politikerin Birte Reimers (Jördis Triebel).
(Foto: NDR/Christine Schroeder)

Der vorherige Tatort aus Kiel “Borowski und der Fluch der weißen Möwe” war spannend von der ersten bis zur letzten Minute. Das kann man vom neuen Tatort zum Weltfrauentag nicht gerade sagen.

ARD/NDR Tatort “Der Fluch der weißen Möwe”: Haben Borowski (Axel Milberg) und Sahin (Almila Bagriacik) versagt? (Foto: NDR/Gordon Timpen)

Starker Tatort vor perfekter Kulisse

Starker Tatort vor perfekter Kulisse
Kritik zum Tatort „Borowski und der Fluch der weißen Möwe“
ARD/NDR Tatort “Borowski und der Fluch der weißen Möwe”: Die Ermittlungen sind nervenaufreibend: Mila Sahin (Almila Bagriacik), Klaus Borowski (Axel Milberg, rechts) und Roland Schladitz (Thomas Kügel) (Foto: NDR/Christine Schroeder)
Borowski und Mila Sahin versuchen, Nasrin (Soma Pysall) zu beruhigen (Foto: NDR/Christine Schroeder)

„Der Fluch der weißen Möwe“ heißt der neue Tatort aus Kiel mit Klaus Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik). Die weiße Möwe symbolisiert eigentlich die Sehnsucht nach Freiheit und Unendlichkeit. Die junge Frau namens Jule, die gleich zu Beginn des Tatorts vor den Augen ihrer ehemaligen Freundin Nasrin Erkmen (Soma Pysall) und den beiden Polizeischülern Tobias Engel (Enno Trebs) und Leroy Schüttler (Stefan Hergli) von einem Hochhausdach springt, sehnt sich aber vermutlich mehr nach Vergessen. Sie war vor Jahren Opfer einer Vergewaltigung geworden, ein traumatisches Erlebnis, dessen Erinnerung sie nicht länger ertragen kann. Ausgerechnet ihre Freundin Nasrin hatte sie damals den beiden Tätern zugespielt. Nasrin ist inzwischen Polizeimusterschülerin, die zusammen mit ihrem Freund Tobias, Leroy und Sandro (Louis Held) das Leben genießt. Bis zu diesem Zeitpunkt. Denn während einer Übung an der Polizeischule, die Borowski und Mila Sahin leiten, sticht Nasrin wie von Sinnen auf Sandro ein, niemand kann sie stoppen, Sandro stirbt.

Bis dahin eine spannende Geschichte mit dramatischen Szenen. Dann nimmt die Story aber einen eher unrealistischen Verlauf: Statt Nasrin in die Psychiatrie zu stecken und Borowski und Sahin als unmittelbare Zeugen des Geschehens von den Ermittlungen auszuschließen, schickt das erfahrene Autorenduo Eva und Volker Zahn Nasrin ins Gefängnis und lässt die beiden Kieler Kommissare die Hintergründe der Tat beleuchten. Dabei pflastern noch mehr Leichen ihren Weg. Nasrins Freund Tobias, der ebenfalls keinen psychologischen Beistand bekommt und völlig ungehindert seine Dienstwaffe mit nach Hause nehmen kann, übt blutige Rache an den beiden mutmaßlichen Vergewaltigern, Mitschüler Leroy hilft beim Vertuschen, das alles vor der fantastischen Kulisse Kiels, von dem in diesem Tatort endlich einmal etwas mehr zu sehen war. Überhaupt hat Regisseur Hüseyin Tabak seinen ersten Tatort grandios in Szene gesetzt, die Spannung von der ersten bis zur letzten Minute gehalten, trotz der Ausflüge ins Unrealistische. Für sein Debüt stand ihm ein großartiges Schauspielerensemble zur Verfügung, neben Axel Milberg und Almila Bagriacik ganz besonders auch Soma Pysall. Davon würde man sehr gerne sehr viel mehr sehen! /sis

Haben Borowski (Axel Milberg) und Sahin (Almila Bagriacik) versagt? Wie konnte es zu dem Vorfall kommen? (Foto: NDR/Gordon Timpen)

Ohne Spannung, aber dennoch unterhaltsam

Ohne Spannung, aber dennoch unterhaltsam
Kritik zum Tatort Kiel „Borowski und das Haus am Meer“
ARD/NDR Tatort “Borowski und das Haus am Meer”: Fall gelöst: Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik) (Foto: NDR/Sandra Hoever)
Kinderpsychologin Karen Matthiesen (Ute Hannig) befragt Simon (Anton Peltier, mit Axel Milberg) (Foto: NDR/Sandra Hoever)

In und um Kiel haben allerlei gestörte Mitbürger Unterschlupf gefunden. Das jedenfalls könnte man meinen, schaut man sich die Kieler Tatorte mit Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) an. Immer wieder bekommt er es mit Psychopathen der unterschiedlichsten Art zu tun, so auch in seinem neuesten Fall „Borowski und das Haus am Meer“. Jeder der Beteiligten hatte sein Päckchen Wahnsinn zu tragen: Großvater und Mordopfer Heinrich (Reiner Schöne) leidet an Alzheimer, ist aggressiv und möchte mit seinem Sohn Johann (Martin Lindow) und dessen Frau Nadja (Tatiana Nekrasov) nichts zu tun haben. Johann ist Pastor, als solcher aber recht eigensinnig in seiner Interpretation von Nächstenliebe, seine Frau Nadja erträgt geduldig seine Macken. Einzig Enkel Simon (Anton Peltier) hat einen Draht zu Opa Heinrich. Er bekommt mit, wie sich Johann und Heinrich streiten und der Großvater schließlich in einem Bachbett landet und nicht mehr aufsteht. Simon läuft weg, direkt vor das Auto von Borowski und dessen Assistentin Mila Sahin (Almila Bagriacik), erzählt von einem Hund, der den Großvater angegriffen und einem Indianer, der ihn beschützt hat. Am nächsten Morgen wird Großvater Heinrich tot an der Seite eines Hundeskeletts oberflächlich am Strand vergraben aufgefunden. Zu den Verdächtigen zählen außer Johann und seiner Familie auch die ehemalige dänische Lebensgefährtin von Heinrich, deren Tochter und ein von Heinrich und seinen rigiden Erziehungsmethoden misshandelter und seither stummer und behinderter Indianer.

Drehbuchautor und Regisseur Niki Stein hat den an sich guten Kriminalfall überfrachtet mit all den kranken Ansichten seiner Figuren, die von massiv übertriebener, religiös verwurzelter Vergebung bis hin zu fanatischer Ablehnung aller Nazinachkommen reichten. Mittendrin ein traumatisiertes Kind, Borowski mit seinen zum Teil recht eigenwilligen Verhörmethoden und schließlich eine Assistentin, die über den Status einer ungeordneten Hilfsarbeiterin nicht hinauskam. Spannung kam bei so vielen menschlichen Abgründen natürlich keine auf, kurzweilig war der Tatort aber dennoch, nicht zuletzt wegen des wie immer großartigen Axel Milberg. Bleibt nur noch anzumerken, dass Almila Bagriacik ihre Vorgängerin Sibel Kekilli auch in dieser Folge noch nicht vergessen machen konnte. Aber was nicht ist, kann ja noch werden! /sis

Mila Sahin (Almila Bagriacik), Borowski (Axel Milberg) mit Pastor Flemming (Martin Lindow) (Foto: NDR/Sandra Hoever)
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