Kurze Story, langatmige Nebenhandlungen

Kurze Story, langatmige Nebenhandlungen
Kritik zum Tatort Frankfurt „Die Guten und die Bösen“
ARD/HR Tatort “Die Guten und die Bösen”: Paul Brix (Wolfram Koch) und Anna Janneke (Margarita Broich) vernehmen Ansgar Matzerath (Peter Lohmeyer, sitzend), der den Peiniger seiner Frau brutal ermordet hat. (Foto: HR/Degeto)

Ein Tatort mit der vor fast genau einem Jahr – am 21. April 2019 – leider viel zu früh verstorbenen Hannelore Elsner, das ließ aufhorchen und weckte große Erwartungen. Leider entpuppte sich der neue Tatort aus Frankfurt mit dem Titel „Die Guten und die Bösen“ aber als moralisch-philosophische Diskussionsrunde über Gut und Böse mit einer ganzen Reihe langatmiger und völlig unnötiger Nebenhandlungen. Die Geschichte selbst hätte gut und gerne in eine kurze Vorabendserie gepasst. Drehbuchautor David Ungureit ließ seine Figuren über die Werte diskutieren, die ein Polizist gemeinhin zu vertreten hat, stürzte die Kommissare Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) nach einer durchzechten Nacht und mit einem gewaltigen Kater in eine Identitätskrise, nicht etwa wegen des aktuellen Falls, sondern in Zusammenhang mit einem Coaching, dessen Sinn auch nicht so recht nachvollziehbar war. Aber darum ging es auch nicht in diesem Tatort, nicht um eine spannende Geschichte, nicht um Logik und Nachvollziehbarkeit, sondern ausschließlich darum, ob ein Täter auch ein Opfer sein kann und Mitleid statt Strafe verdient.

Ansgar Matzerath (Peter Lohmeyer) hatte den vermeintlichen Peiniger seiner Frau brutal umgebracht und sich gleich selbst gestellt. Er wollte Strafe, die ihm Janneke und Brix aber einfach nicht ohne weiteres zugestehen wollten, frei nach der Devise: ein Polizist ist immer ein Guter, ein Mörder hingegen ein Böser. Als Kollege konnte Matzerath mithin nicht der Böse sein. Und so suchten die Kommissare nach Erklärungen für sein grausames Tun, nach mildernden Umständen für eine geringere Strafe, allerdings nur im Zwiegespräch, nicht etwa durch polizeiliche Ermittlungen, wie man das in einem Krimi hätte erwarten dürfen. Das war es auch schon. Die dialoglastige Geschichte spielte in einem offenbar völlig heruntergekommenen Gebäude, das unverständlicherweise noch immer als Polizeipräsidium diente, zum größten Teil aber schon leer stand. Im Keller studierte die pensionierte Kommissarin Elsa Bronski (Hannelore Elsner) alte, ungelöste Fälle, auf dem Dach hielt Olivia Dor (Dennenesch Zoudé) ihr Seminar ab, auf einer Etage hatten sich die Kommissare auf dem Flur eingerichtet, auf dem Anna Janneke – warum auch immer – gerade ihre Fotos ausstellte. Zwischen den Stockwerken jagte Bronskis Schäferhund hinter einem roten Ball her und nebenbei erklärten die Kommissare, Assistenten und der Staatsanwalt vor der Kamera im Rahmen des Coaching-Seminars, welche Bedeutung der Polizeiberuf für sie ganz persönlich hat, welche Werte sie vertreten. In diesem Zusammenhang erfuhren die Zuschauer dann auch gleich noch, wie viele frische Hemden Kommissar Brix vorsichtshalber im Auto mit sich führt. Nichts von alledem hatte mit dem Fall zu tun – und nichts war auch wirklich wichtig oder gar spannend. Für ein bisschen Action sorgten lediglich die Handwerker, die mit allerlei Material eifrig durch die Gänge huschten, ohne indes tatsächlich etwas zu reparieren oder renovieren.

Einzig Elsa Bronski ließ so etwas wie kriminalistisches Gespür durchblicken, übernahm Verantwortung für ihr Tun, besonders aber für das Unterlassen. Hätte sie damals den Vergewaltiger von Ansgar Matzeraths Frau dingfest machen können, hätte Ansgar nicht morden und seine Frau sich nicht umbringen müssen. Ursache und Wirkung, der wahre Sinn und Zweck von Polizeiarbeit – großartig dargestellt von einer der besten Schauspielerinnen, die Deutschland je hatte. Man hätte ihr gerne einen würdigeren Abschiedsfilm gewünscht! /sis

Hannelore Elsner als Elsa Bronski mit Anna Janneke (Margarita Broich). (Foto: HR/Degeto)

Was in Dortmund klappt, passt auch für Saarbrücken?

Was in Dortmund klappt, passt auch für Saarbrücken?
Kritik zum Tatort Saarbrücken „Das fleißige Lieschen“
ARD/SR Tatort “Das fleißige Lieschen”: Die neuen Hauptkommissare in Saarbrücken: Adam Schürk (Daniel Sträßer) und Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) (Foto: SR/Manuela Meyer)
Die Neuen in Saarbrücken: v.l. Hauptkommissar Adam Schürk (Daniel Sträßer), Hauptkommissarin Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer), Hauptkommissarin Esther Baumann (Brigitte Urhausen) und Hauptkommissar Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) (Foto: SR/Manuela Meyer)

Mit Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) und Adam Schürk (Daniel Sträßer) präsentieren die Tatortmacher zwei neue Saarbrücker Kommissare, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Beide wirken noch recht jung und unerfahren und teilen eine gemeinsame, dunkle Vergangenheit. Hölzer ist ein Weichei, der nicht in der Lage ist, von seiner Schusswaffe Gebrauch zu machen, offenbar auch dann nicht, wenn es darum geht, seinen Partner zu verteidigen. Schürk dagegen ist der wilde Draufgänger, der einfach zuhaut, wenn ihm danach ist. Beide eint die Geschichte um Schürks gewalttätigen Vater, der aus seinem Sohn einen „ganzen Kerl“ machen wollte, ihn dafür unerträglich quälte, bis Schürks Jugendfreund Hölzer ihn ins Koma prügelte. Nun ist es nie besonders sehenswert, wenn in einem Krimi die persönlichen Konflikte der Kommissare eine größere Rolle spielen als die zu lösenden Mordfälle. Was aber in Dortmund mit dem völlig kaputten Kommissar Faber so prima klappt, kann ja vielleicht in Saarbrücken auch funktionieren, dachten sich die Macher vermutlich. Es bleibt also abzuwarten, wie sich die neuen Kommissare weiterentwickeln, auch wenn sie eigentlich für den Polizeidienst gänzlich ungeeignet sind. Zu den beiden gesellen sich noch zwei Assistentinnen Ester Baumann (Brigitte Urhausen) und Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer), die im ersten Fall ebenfalls mehr durch ihr gezieltes Mobbing denn durch kriminalistisches Gespür aufgefallen sind. Auch hier gibt es noch viel Luft nach oben.

Der erste Fall des neuen Saarbrücken-Duos aber wusste den kritischen Zuschauer dann doch zu überzeugen: Bernhard Hofer (großartiger Dieter Schaad) führt sein Unternehmen und seine Familie in gnadenloser Gehässigkeit. Jeder hasst jeden und hat genug Grund, den anderen umzubringen. Die Ursache für den Mord an Hofers Enkel und Nachfolger aber reicht zurück in die Zeit des Zweiten Weltkriegs, als Hofer seine Fabrik mit Zwangsarbeitern am Leben hielt, Zwangsarbeiter, die seiner herrischen Art hoffnungslos ausgeliefert waren. Die gelungene Story von Drehbuchautor Hendrik Hölzemann geschickt in Szene gesetzt von Regisseur Christian Theede ließ das eher ambivalent wirkende Kommissars-Duo am Ende doch noch ganz gut aussehen, auch wenn die Rückblenden in die Jugendjahre der Kommissare die eigentlichen Geschichte mehr als nötig an den Rand drängten. /sis

Zu viele Nachlässigkeiten

Zu viele Nachlässigkeiten
Kritik zum Tatort Dresden „Die Zeit ist gekommen“
ARD/MDR Tatort “Die Zeit ist gekommen”: Gemeinsam mit Peter Schnabel (Martin Brambach) verfolgen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) die Geschehnisse im Kinderheim. (Foto: MDR/W&B Television/Michael Kotschi)
Die Kommissarinnen Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) befinden sich gerade unterwegs, als sie die Nachricht von Louis Bürgers Flucht erreicht. (Foto: MDR/W&B Television/Michael Kotschi)

War es Nachlässigkeit? Oder doch die Überzeugung, dass der Zuschauer es nicht merkt? Wie kann ein und dasselbe Fluchtauto am Ende des Tatorts „Die Zeit ist gekommen“ – ohne Möglichkeit zum Austausch – zwei verschiedene Nummernschilder haben, an der Tankstelle gut sichtbar “TF” und kurze Zeit später im Feld dann “DD”? Derart grobe Fehler dürften eigentlich bei einem Tatort nicht passieren. Das und einige offene Fragen, etwa woher Louis Bürger (Max Riemelt) überhaupt das Auto zur Flucht und Klebeband und Schnur zum Fesseln seines Entführungsopfers Nico (Emil Belton) hatte, trübten den Eindruck der an sich guten Geschichte der Drehbuchautoren Stefanie Veith und Michael Comtesse doch erheblich. Auch die Durchschaubarkeit der Tathintergründe und die entsprechend nachlässigen Ermittlungen des Ausgangsmordes nahmen der Geschichte sehr viel Dynamik. So blieb am Ende nur eine Geiselnahme fast schon aus Versehen, die den Dresdner Kommissariatsleiter Peter Schnabel (Martin Brambach) und die immer noch sehr auf Distanz bedachten Kommissarinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) weit mehr interessierten als der Fall selbst. Immerhin führte dieser Tatort den Zuschauern sehr deutlich vor Augen, was es für einen vermeintlich Verdächtigen heißt, wenn sich die Polizei auf ihn als Täter einschießt, weitere Spuren gar nicht mehr verfolgt, sondern ohne Rücksicht auf Verluste versucht, ihren Verdächtigen zu überführen. Für den armen Louis Bürger, den Gorniak und Winkler sich anhand weniger fragwürdiger Indizien als Mörder seines Nachbarn auserkoren hatten, war das offenbar nicht der erste Fall von Justizirrtum. Schon einmal will er zu Unrecht verurteilt worden sein. Fest entschlossen nicht noch einmal für ein Verbrechen ins Gefängnis zu gehen, das er nicht begangen hat, hilft ihm seine Frau Anna (großartige Katia Fellin) aus der Untersuchungshaft zu entkommen. Mit ihrem zwölfjährigen Sohn Tim (Claude Heinrich), der in einem Kinderheim untergebracht ist, wollen sie nach Kroatien fliehen und dort ein neues Leben beginnen. Doch im Kinderheim treffen die drei auf ein Großaufgebot an Polizei, das geradezu unfähig permanent für weitere Eskalation sorgt, völlig unnötig! Genauso unnötig wie die äußerst grobe Verhaftung Louis Bürgers am Ende seiner Flucht. Zwar hatte er sich nun doch einer Geiselnahme mit Waffengewalt schuldig gemacht, doch konnte man mit ihm und seiner Familie nur Mitleid haben. Und wofür die Zeit denn nun gekommen war, ließ sich auch nicht unbedingt erkennen. War es die Zeit für Louis und seine Familie zu fliehen oder die Zeit für Annas Schwägerin, Tim endgültig von Jugendamt zugesprochen zu bekommen? War es die Zeit für Annas Bruder, seiner Eifersucht freien Lauf zu lassen oder die Zeit für das bis an die Zähne bewaffnete Sondereinsatzkommando, die Geiseln nach langem Zögern doch mit Gewalt aus den Händen der Geiselnehmer zu befreien? Wer weiß?

Die vielen kleinen und großen Nachlässigkeiten jedenfalls reduzierten die grundsätzlich interessante Geschichte leider nur auf Mittelmaß. Dazu kamen einige Längen und wieder einmal viel zu viel Brutalität, die leicht hätte vermieden werden können. /sis

Während der Großteil der Heimkinder in Sicherheit gebracht wird, nähern sich Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) dem Ort der Geiselnahme – einige Kinder befinden sich noch im Gebäude. (Foto: MDR/W&B Television/Michael Kotschi)

Ein Fall für Verschwörungstheoretiker

Ein Fall für Verschwörungstheoretiker
Kritik zum Tatort „Krieg im Kopf“
ARD/NDR Tatort “Krieg im Kopf”: War Roman (Anton Hüsgen) Zeuge eines Verbrechens? (mit Maria Furtwängler und Florence Kasumba) (Foto: NDR/Manju Sawhney)
Was hat Professor Bloch (Joachim Bißmeier) mit den Vorfällen zu tun? Anais (Florence Kasumba) und Charlotte (Maria Furtwängler) tappen noch im Dunkeln. (Foto: NDR/Manju Sawhney)

„Krieg im Kopf“ ist der Titel des neuen Tatorts aus Göttingen mit dem ungleichen Kommissarinnen-Duo Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) und Anais Schmitz (Florence Kasumba). Krieg herrschte indes nicht nur in den Köpfen der von Drehbuchautor Christian Jeltsch erdachten Figuren, sondern auch zwischen den Ermittlerinnen, die jede für sich und nur selten gemeinsam den Mörder der Ehefrau von Bundeswehrsoldat Benno Vegener (Matthias Lier) suchten. Der Fall führte die beiden gleich am Anfang in eine bedrohliche Situation, in der Anais Vegener erschießen muss, um Charlotte zu retten. Vegener stammelte von Stimmen in seinem Kopf, die ihn jagten. Tatsächlich waren Vegener und neun Kameraden Opfer eines bei einem Einsatz in Mali fehlgeschlagenen Experimentes der Waffenindustrie. Durch Manipulation über einen Spezialhelm starben sechs der Soldaten, von den vier Rückkehrern brachten sich zwei gleich um, die einzige Soldatin überlebte ihren Selbstmordversuch nur knapp. Mit Vegeners Tod schien auch der letzte Zeuge des missglückten Einsatzes und vermeintliche Mörder seiner Frau beseitigt. Nur Charlotte ließ sich nicht beirren und ermittelte trotz massiver Gegenwehr des Militärischen Abschirmdienstes weiter. Wie nicht anders zu erwarten, löste sie am Ende den Fall, keine Frage, und es gelang ihr sogar die Machenschaften des Militärs publik zu machen.

Soweit die recht wirre Story mit starkem Hang zu düsteren Zukunftsvisionen. Zu viel Science Fiction, zu viel Chaos in den Köpfen, zu viel Zickenkrieg und dann auch noch Anais’ Ehemann, der seine Finger nicht von Charlotte lassen konnte, machten diesen Tatort zu einer Herausforderung für den Zuschauer. Spannend war nur der Beginn, der Rest war doch eher was für Science-Fiction-Liebhaber und Verschwörungstheoretiker als für wahre Krimifans. Mit Wehmut denkt man an alte Fälle der LKA-Ermittlerin wie „Wegwerfmädchen“ und „Das goldene Band“, „Mord in der ersten Liga“ oder auch „Pauline“ zurück. Das waren starke Geschichten, rätselhaft und spannend zugleich, mit dem großartigen Ingo Naujoks als Mitbewohner und Freund Martin Felser an der Seite der taffen und doch verletzlichen Charlotte Lindholm. Die neueren Tatorte können da ganz einfach nicht mithalten. /sis

Eine emotionale Berg- und Talfahrt

Eine emotionale Berg- und Talfahrt
Kritik zum Tatort Köln „Niemals ohne mich“
ARD/WDR Tatort “Niemals ohne mich”: Unter einem Bahnbogen wurde die Leiche von Monika Fellner (Melanie Straub) gefunden. Rechtsmediziner Dr. Joseph Roth (Joe Bausch, rechts) stellt noch am Tatort ein schweres Schädel-Hirn-Trauma fest. So viel kann er Freddy Schenk (Dietmar Bär, Mitte) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, links) zum jetzigen Zeitpunkt schon sagen. (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)
Norbert Jütte (Roland Riebeling, rechts) soll im Jugendamt Akten überprüfen.Die freundliche Ingrid Kugelmeier (Anna Böger) bietet ihm Unterstützung an. (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

Ja, die beiden alternden Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) aus Köln lassen es inzwischen ganz schön gemächlich angehen, auch wenn der Fall sehr bewegt. Und Assistent Norbert Jüttes (Roland Riebeling) Work-Life-Balance ist noch nie großartig in Richtung Arbeit ausgeschlagen und Multitasking zählt auch nicht gerade zu seinen bevorzugten Fähigkeiten. Heimlicher Star der Folge mit dem Titel „Niemals ohne mich“ aus der Feder von Jürgen Werner war denn auch Jüttes selbstgebastelte „Tageslichtdusche“, die ihm bei einem Außeneinsatz im Jugendamt weit mehr Kopfzerbrechen bereitete als die Manipulationsversuche der Mitarbeiterin der Unterhaltsvorschusskasse Ingrid Kugelmaier (Anna Böger) und deren Chef Markus Breitenbach (Christian Erdmann). Derweilen bemühten sich Ballauf und Schenk durch viel Fußarbeit aber fast schon empathielos den Mord an der Jugendamtsmitarbeiterin Monika Fellner aufzuklären, die zahlreichen säumigen Unterhaltsverweigerern mehr als einmal ziemlich heftig auf die Füße getreten war. Dabei lernten die Zuschauer einige bis aufs Blut zerstrittene Paare kennen, die die gemeinsamen Kinder als Waffen zur Durchsetzung ihrer persönlichen Interessen missbrauchten und gar nicht merkten, wie sehr sie diesen armen Würmchen und letztlich auch sich selbst damit schadeten. Ein heikles Thema, dessen Kernproblematik aber in diesem Tatort sehr gut herausgearbeitet wurde, auch wenn er sich nicht unbedingt durch viel Spannung und Dynamik auszeichnete. Die Auswirkungen der fehlenden Unterhaltszahlungen, die Probleme mit dem Amt, um einen Unterhaltsvorschuss zu bekommen, die finanzielle Not, in die Alleinerziehende mit säumigen Unterhaltszahlern nur allzu schnell geraten, die übermäßige Wut auf alles und jeden, die sich unaufhaltsam entwickelt und wie sehr all diese Probleme auch den Alltag der Jugendamtsmitarbeiter selbst beeinflussen, waren gut nachfühlbar dargestellt. Fast schon aus der Zeit gefallen wirkt indes Freddy Schenks nach wie vor ungebrochene Leidenschaft für große, schwere Autos. Was Kölns Radfahrer die ganze Woche über an Feinstaub einsparen, bläst Freddy Schenk in einer einzigen Tatortnacht locker aus dem Auspuff seiner Protzschlitten. Hier wäre endlich ein Umdenken der Figur angebracht, schließlich kann man auch in höherem Alter noch ganz gut dazulernen. /sis

Beste deutsche Krimiunterhaltung

Beste deutsche Krimiunterhaltung
Kritik zum Tatort Berlin „Das perfekte Verbrechen“
ARD/rbb Tatort “Das perfekte Verbrechen”: Ein belebter Platz mitten in der Stadt, 12 Uhr mittags. Gerade winkt die Studentin Mina Jiang (Yun Huang) noch ihrer Kommilitonin Luise (Paula Kroh) von weitem zu, als sie plötzlich tot zusammenbricht. Ein Schuss in den Hinterkopf führt die Kommissare Rubin (Meret Becker) und Karow (Mark Waschke) in die historische Mitte Berlins. – Karow (Mark Waschke) und Rubin (Meret Becker) mit den Kollegen der Spurensicherung. (Foto: rbb/Volker Roloff)
Die Colloqiumsmitglieder Max Krause, Johannes Scheidweiler, Anton von Lucke, Lukas Walcher und Franz Pätzold (v.l.n.r.) sind sich mit der Anwältin Sander (Odine Jonen) sicher, dass sie wasserdichte Alibis haben. (Foto: rbb/die film gmbh/Volker Roloff)

Die Geschichte an sich war nicht neu, schon oft haben elitäre Studentenverbindungen in ihrer unermesslichen Arroganz versucht, das perfekte Verbrechen zu begehen. Filmisch wurde das Thema bereits häufig umgesetzt. Dennoch erwies sich diese Spannung garantierende Story auch in der Fassung als Berliner Tatort mit den Kommissaren Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) als beste deutsche Krimiunterhaltung. Ein echter, ehrlicher, in diesem Fall deutscher Krimi ist Drehbuchautor Michael Comtesse mit „Das perfekte Verbrechen“ gelungen, und das ganz ohne private Scharmützel der Kommissare. Die Beschreibung der unverhohlenen Überheblichkeit, mit der Juristen die Ermittlungsarbeit der Polizei torpedieren können, war schon beeindruckend. Auch das elitäre Gehabe der vier reichen, verwöhnten Jungjuristen und ihres weniger begüterten Primaners machte betroffen, meinten die fünf doch die Wahrheit nach ihrem Gutdünken gestalten zu können. Mit Hilfe der Staranwälte des großspurigen Professor Dr. Richard Liere (Peter Kurth) und dessen direkte Intervention als Vater einer der Jungs, gelang es den fünf Jurastudenten mit starkem Hang zur Selbstüberschätzung lange Zeit, die Polizei an der Nase herumzuführen. Letztlich stolperte der Täter aber dann doch über seinen Hochmut und machte einen dümmlichen Fehler. Nicht “das perfekte Verbrechen” war sein Motiv, sondern die verschmähte Gunst seines Vaters. Man hätte sich gewünscht, dass Rubin und Karow den fünf Verdächtigen mit legalen Mitteln beikommen. Stattdessen ließen sie sich dazu hinreißen, die wortgewandten Gegner mit ihren eigenen, unlauteren Waffen zu schlagen. Allerdings erreichten sie mit ihren gefälschten Beweisen und illegalen Abhör- und Überwachungsmethoden gar nichts. Hätte der Täter sich am Ende nicht einfach nur verplappert, er wäre ungeschoren davon gekommen und hätte es begangen, das perfekte Verbrechen.

„Das perfekte Verbrechen“ war endlich wieder einmal der perfekte Tatort mit einer spannenden Geschichte und großartigen Schauspielern, die es verstanden, die Zuschauer, wenn auch nur für kurze Zeit, von ihrem derzeit nicht gerade sorglosen Alltag abzulenken. /sis

Zähe Geschichte mit dramatischem Ende

Zähe Geschichte mit dramatischem Ende
Kritik zum Tatort Ludwigshafen „Leonessa“
ARD/SWR Tatort “Leonessa”: Die Ludwigshafener Tatort-Kommissarinnen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter). (Foto: SWR/Jacqueline Krause-Burberg)
Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Peter Becker (Peter Espeloer) rekonstruieren vor Samirs (Mohamed Issa) Augen den wahrscheinlichen Tathergang. (Foto: SWR/Jacqueline Krause-Burberg)

Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) zeigt sich recht dünnhäutig in ihrem neuesten Fall „Leonessa“ aus der Feder von Drehbuchautor Wolfgang Stauch. Alles andere als dünnhäutig aber waren die Protagonisten, Vanessa Michel (Lena Urzendowsky), Leon Grimminger (Michelangelo Fortuzzi) und Samir Tahan (Mohammed Issa), drei Jugendliche, die mit sich und der Welt nichts anzufangen wissen. Von den völlig hilflosen Eltern, die sich selbst kaum versorgen können, im Stich gelassen, versuchen die Teenager ihr Taschengeld durch Prostitution aufzubessern und können sich trotz gefüllter Kassen nicht aus dem allgegenwärtigen Sumpf aus Alkohol, Drogen und Missbrauch befreien, so sehr sie sich auch bemühen. Zudem bringt der Wirt ihrer Stammkneipe sie in Bedrängnis, so dass ihnen am Ende nichts weiter übrigbleibt, als ihn zu ermorden. Lena Odenthal und Johanna Stern (Lisa Bitter) kümmern sich aber weniger um die Mordermittlung, als vielmehr um die Jugendlichen, die sie meinen vor einem nicht auszumachenden Zuhälter beschützen zu müssen, auch wenn Vanessa und ihre beiden Bewunderer das gar nicht wollen. Der Titel “Leonessa” soll eine Kombination aus Leon und Vanessa sein, quasi Brangelina für Arme. Lena bringt die Aussichtslosigkeit ihrer Bemühungen so in Rage, dass sie mit einem Apfel nach der eher nüchtern agierenden Johanna Stern wirft. Und am Ende, nachdem es Lena nicht gelingt, den jugendlichen Täter von seinem Selbstmord abzuhalten, bricht sie gar in Tränen aus.

Dramatisch das Ende, viel zu lang und zäh die Geschichte. Das ist das Fazit dieses Tatorts, bei dem man einmal mehr gegen den Schlaf ankämpfen musste: Eine gelungene Sozialstudie, aber von Spannung keine Spur, nicht immer nachvollziehbar die Handlungen und Emotionen – und das alles vor der Kulisse einer grauen, menschenunwürdigen Satelitensiedlung am Rande von Ludwigshafen. Kein schönes Bild der Chemiestadt am Rhein, das da gezeichnet wurde – und auch nicht unbedingt zutreffend. /sis

Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) ist erstaunt, wie wenig Cornelia (Camilla Nowogrodziki) und Kay (Konstantin-Philippe Benedikt) sich für das interessieren, was ihre minderjährige Tochter treibt. (Foto: SWR/Jacqueline Krause-Burberg)

Solide Unterhaltung mit einigen Mängeln

Solide Unterhaltung mit einigen Mängeln
Kritik zum Tatort Franken „Die Nacht gehört dir”
ARD/BR Tatort “Die Nacht gehört dir”: Die Kriminalhauptkommissare Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) am Tatort. (Foto: BR/Hager Moss Film/Hendrik Heiden)

Da war er also, der Tatort-Sonntag nach dem ganz großen Absturz der Reihe mit dem Tatort aus dem Schwarzwald “Ich hab im Traum geweinet”. Die Franken sollten es richten, allen voran die Kommissare Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Felix Voss (Fabian Hinrichs). Sie hatten in ihrem neuesten Fall den Tod der Grundstücksmaklerin Barbara Sprenger (Anna Tenta) zu klären, die an ihrem Geburtstag mit einem Sushimesser erstochen wurde. Das taten sie denn auch in ihrer gewohnt gemächlichen Art. Gemächlich trifft in diesem Fall nicht nur auf die Arbeitsweise der Kommissare zu, sondern auch auf die Geschichte. Zwar waren Ringelhahn und Voss unentwegt von einem Schauplatz zum nächsten unterwegs, die Hintergründe der Geschichte ergaben sich aber nicht aus den Ermittlungen der beiden, sondern aus sehr langatmigen Rückblenden. Der Grundsatz aus jedem Lehrbuch fürs Drehbuchschreiben – so spät wie möglich rein und so früh wie möglich wieder raus aus einer Szene – wurde in sträflicher Weise vernachlässigt und so gerieten die Einblendungen viel zu lang, erzählten weit mehr als für das Verständnis der Story erforderlich gewesen wäre und sorgten damit für unnötige Langeweile. Grundsätze haben eben doch meistens einen guten Grund. Schade, denn die Geschichte an sich war durchaus interessant und auch die Charaktere – der stets plappernde Voss, der nie so recht weiß, was er eigentlich sagen will, die ruhige, zurückhaltende Ringelhahn, die ihre Altersweisheit gerne zur Schau trägt in Verbindung mit der Kollegin der Ermordeten, Theresa Hein (Anja Schneider), eine graue Maus, die wohl einmal in ihrem Leben im Mittelpunkt stehen wollte und deshalb den Mord gestand – bildeten genug Kontrast für einen wahrhaft spannenden Krimi. Das Ende war dafür Übertreibung pur, der wahre Täter, Anton Steiner (Lukas B. Amberger), ein schmächtiges, vom Leben enttäuschtes, bedauernswertes Bürschen um die 20, der in der Ermordeten seine wenn auch doppelt so alte wahre Liebe gefunden zu haben glaubte, wurde mit einem bis an die Zähne bewaffneten Großaufgebot an SEK-Leuten zur Strecke gebracht. Das war dann doch etwas dick aufgetragen.

Trotz der Längen war der Tatort „Die Nacht gehört dir“ solide Unterhaltung, aus der Regisseur Max Färberbäck, der zusammen mit Catharina Schuchmann auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, so viel mehr hätte machen können. Daran konnte auch das amüsante Liebesgeplänkel zwischen Voss und seiner „Honigfrau“ (Maja Beckmann) zu Beginn des Films nicht viel ändern. /sis

Der schlechteste Tatort aller Zeiten

Der schlechteste Tatort aller Zeiten
Kritik zum Tatort „Ich hab im Traum geweinet“
ARD/SWR Tatort “Ich hab im Traum geweinet”:
Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) lassen sich durch die tollen Tage treiben. (Foto: SWR/Benoît Linder)

Was hat sich Drehbuchautor Jan Eichberg bei dieser Geschichte wohl gedacht? Was wollte er den Zuschauern sagen? Dass Fasnacht und Alkohol eine gefährliche Mischung sind, die zu unüberlegten Exzessen führen? Durchaus ein brauchbares Filmthema, keine Frage, aber hat er die Ereignisse rund um die „Fasnet im Schwarzwald” wirklich nur in Form von Sexspielchen der aggressiven Art erzählen können? Einen wahrhaftigen Porno bekamen die Zuschauer zu sehen, die Hälfte des Films fand in unterschiedlichen Betten statt. Selbst die Kommissare Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) suchten ein gemeinsames Abenteuer und präsentierten sich dabei in fast unerträglicher Lächerlichkeit. Peinlich! Nur gut, dass die beiden anschließend mit dem Konflikt über die Bedeutung ihres alkoholbedingten Ausrutschers beschäftigt waren und den Zuschauern weitere Nacktszenen der Hauptkommissare erspart blieben, bis auf eine erneut heruntergelassene Hose, als Berg in eine Gruppe junger Mädchen geriet – wie er dahin kam und warum wurde nicht klar. Tatsächlich gab es dann nach 45 Minuten doch noch einen Mord an einem ehemaligen Freier von Edel-Hure Romy Schindler (Darja Mahotkin), die ihm eigentlich nicht länger zu Diensten sein wollte, andererseits aber auch die Finger nicht von ihm lassen konnte. Da der Freier bei seinen Sexspielchen ohnehin auf harte Schläge auf den Kopf bestand, starb er stilecht, Romy hatte zu oft und zu häufig zugeschlagen. Für Berg und Tobler gab es nichts zu ermitteln. Die Täterin kam geständig ins Präsidium.

Wie können sich so renommierte Schauspieler wie Löbau und Wagner nur für einen derartigen Schund hergeben? Das war mit Abstand der schlechteste Tatort aller Zeiten, finanziert aus den Beiträgen der Zuschauer! Man sollte die Mitglieder der Rundfunkkommission zwingen, sich diesen Tatort anzusehen – ohne die Möglichkeit, sich den ebenso endlosen wie erbärmlichen und mit abscheulicher Musik unterlegten Nacktszenen zu entziehen -, und dann sollen sie noch einmal über die geplante Erhöhung der Beiträge beraten. „Ich hab im Traum geweinet“ – das kann man wohl sagen!  /sis

Kommissarin Brasch jetzt ganz im Alleingang

Kommissarin Brasch jetzt ganz im Alleingang
Kritik zum Polizeiruf 110 Magdeburg „Totes Rennen“
ARD/MDR Polizeiruf 110 “Totes Rennen”: Beim Gespräch im Restaurant erfahren Martina Rössler (Therese Hämer), Doreen Brasch (Claudia Michelsen) und Uwe Lemp (Felix Vörtler) von Hannes Kehr (Michael Maertens), dass das Mordopfer sein Informant war. (v.l.) (Foto: MDR/Stefan Erhard)
Micky (Martin Semmelrogge) hat Brasch (Claudia Michelsen) unter Drogen gesetzt.
(Foto: MDR/Stefan Erhard)

Gleich zum Auftakt des neuen Polizeiruf 110 aus Magdeburg stellte Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) ihrem Chef Uwe Lemp (Felix Vörtler) die Frage aller Fragen: Bin ich schuld, dass uns alle Kollegen weglaufen? Ein lautes “Ja” der Zuschauer hallte gewiss zu diesem Zeitpunkt durchs Land. Die sonst so darstellungsfreudige Claudia Michelsen zeigt in der Rolle der „Brasch“ nur minimalinvasives Mienenspiel, drückt damit unentwegt ihr Missfallen aus gegenüber sich selbst, ihre Arbeit, ihre Umgebung. Dieses Missfallen überträgt sich nicht nur auf die ständig wechselnden Partner an ihrer Seite, sondern leider auch auf die Zuschauer. „Braschs“ schlechte Laune steckt an, nicht nur in ihrem neuesten Fall „Totes Rennen“, in dem es außer um Wettmanipulation und Spielsucht auch noch um Visionen ging. Brasch erschien schon vor dem Mord der spätere Täter im Traum. Es dauerte indes bis zur letzten Minute, bis das falsche Spiel des LKA-Kollegen Hannes Kehr (Michael Maertens) aufflog. Dazwischen herrschte gähnende Langeweile, in der aber Brasch dem Publikum wieder einmal klar machte, warum die Polizei immer mindestens im Duett auftritt. Aus Sicherheitsgründen nämlich, die Brasch aber allzu gerne außer Acht lässt. So auch in diesem Fall, in dem sie erneut im Alleingang auf den Verdächtigen Micky Puhle (großartiger Martin Semmelrogge) traf, der sie auch prompt mit Drogen außer Gefecht setzte und offensichtlich Schlimmeres mit ihr vorhatte. Wenigstens entlockte der Rausch der missmutigen Kommissarin ein zartes Lächeln. Kehr kam der “Kollegin Brasch” unentwegt zur Hilfe, allerdings nur, um den Verdacht in eine falsche Richtung zu lenken und so sich und seine Machenschaften zu decken. Eine wirre Geschichte, die nur einen wahren Höhepunkt kannte, nämlich als Kriminalrat Lemp seine Gitarre in die Hand nahm und eine ungemein gefühlvolle Version von „Forever young“ durch die Nacht schmetterte.

So sehr sich die Schauspieler auch bemühten, die Geschichte aus der Feder von Stefan Dähnert und Lion H. Lau wollte nicht so recht in Gang kommen. Es ist eben nicht immer ein Garant für Spannung, wenn ein Polizist und an und für sich sympathischer Kollege in die kriminellen Machenschaften verwickelt ist, im Gegenteil, es wirft ein zunehmend schlechtes Licht auf die Ordnungshüter – was sie eigentlich nicht verdient haben. Für den Polizeiruf aus Magdeburg wünscht man sich nach dem Weggang von Matthias Matschke nun einen starken Partner für Brasch, der sie vielleicht endlich ein bisschen aufheitern kann!

Die Haustür zu Mickys Wohnhaus wird durch SEK-Beamte geöffnet. Brasch (Claudia Michelsen) und Kehr (Michael Maertens) nähern sich vorsichtig dem Einsatzort. (MDR/Stefan Erhard)

Merkwürdig blasser Tatort aus Hamburg

Merkwürdig blasser Tatort aus Hamburg
Kritik zum Tatort „Die goldene Zeit“
ARD/NDR Tatort “Die goldene Zeit”: Falke (W.W Möhring, 2.v.l.) und Grosz (F. 2.v.r.) müssen Egon Pohl (Christian Redl) eine traurige Nachricht überbringen (mit D. Kaufmann, r.) (Foto: NDR/Christine Schroeder)

An den beiden Bundespolizisten Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) lag es eher nicht, dass der neue Tatort aus Hamburg mit dem Titel „Die goldene Zeit“ nicht so richtig begeistern wollte. Wenig Spannung kam auf, obwohl der Tatort-Fangemeinde diesmal ein blutjunger Auftragskiller präsentiert wurde, ein armes zitterndes Etwas, dessen Motiv doch mehr als dürftig war: Matei Dimenscu (Bogdan Iancu) war eigens aus Rumänien angereist, um im Hamburger Rotlicht-Milieu einen störenden Puff-Erben zu beseitigen, nur um für seinen Vater einen Fernseher kaufen zu können. Wenn es tatsächlich so einfach ist, junge Menschen für einen Mord zu gewinnen, dann dürfen wir uns alle vor einer recht ungewissen Zukunft fürchten. Nur gut, dass sich eine wahre Kiezgröße trotz aller Verbundenheit zu seinem ehemaligen Herrn nicht dazu entschließen konnte, den „Kleinen“ zu bestrafen. Thorsten Falkes Freund Michael Lübke (Michael Thomas) nahm sich des Jungen an, nachdem es ihm mehrfach nicht gelungen war, Rache zu üben. Dabei führte er Falke und seine Partnerin gehörig an der Nase herum. Die beiden Kommissare waren aber neben der Suche nach dem jugendlichen Mörder vor allem mit der Frage beschäftigt, wer dem Jungen denn den Auftrag erteilt hatte. Und so tauchten sie ein ins Hamburger Rotlicht-Milieu mit seinem ausgesprochen hässlichen Gesicht, mit missbrauchten Mädchen aus aller Herren Länder, mit größenwahnsinnigen Luden und brutalen Banden. Die Auflösung schließlich konnte den bis dahin doch recht gelangweilten Zuschauer dann doch noch überraschen.

Abgesehen von zahlreichen Klischees hatte dieser Tatort nicht viel zu bieten, auch wenn die Schauspieler durchweg eine gute Leistung zeigten. Von einer “goldenen Zeit”aber war trotz des Ausflugs in Falkes Jugendjahre weit und breit nichts zu sehen. /sis

Unterstützt Julia Grosz (Franziska Weisz) und Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) bei den Ermittlungen: LKA-Mitarbeiter Thomas Okonjo (Jonathan Kwesi Aikins, (rechts)) (Foto: NDR/Christine Schroeder)

 

An Brutalität kaum zu überbieten

An Brutalität kaum zu überbieten
Kritik zum Tatort Dortmund „Monster“
ARD/WDR Tatort “Monster”: Mit dem sichergestellten Messer (in einer Schutzhülle) wurde Klaus Kaczmarek getötet. Die Kommissare Martina Bönisch (Anna Schudt) und Peter Faber (Jörg Hartmann) schauen sich den Tatort im Partykeller seines unscheinbaren Wohnhauses an. (Foto: WDR/Thomas Kost)
Peter Faber (Jörg Hartmann) hat seine Waffe auf Markus Graf (Florian Bartholomäi) gerichtet – der hat die Familie des Kommissars auf dem Gewissen. (Foto: WDR/Thomas Kost)

In hohem Maße brutal war der neue Tatort aus Dortmund mit dem Titel „Monster“ – und tatsächlich ging es um Monster im wahrsten Wortsinn. Monster, die Kinder zum Missbrauch verkaufen, Monster, die ohne Skrupel andere zum Morden anstiften, Monster, die hemmungslos auf andere einstechen. Viel zu viele Monster waren das für nur einen Tatort, und warum das Geschehen in dieser Brutalität gezeigt wurde, darf angesichts der Diskussion um die Verrohung der Gesellschaft nicht unkritisiert bleiben.

Spannung erzeugte Drehbuchautor Jürgen Werner, indem er die sechsjährige Tochter von Kommissar Jan Pawlak (Rick Okon) durch Peter Fabers (Jörg Hartmann) persönlichen Erzfeind Markus Graf (Florian Bartholomäi) entführen ließ mit der Drohung, sie meistbietend an pädophile Monster zu verkaufen und Faber so zum Selbstmord zu zwingen. Obendrein manipulierte Graf Evelyn Kohnai (Luisa-Céline Gaffron), selbst als Kind verkauft und missbraucht, einen ihrer Peiniger auf übelste Art zu ermorden und dann am Tatort auf Faber zu warten, um so den Druck auf Faber weiter zu erhöhen. Nur ein paar Stunden Zeit blieben Faber, Martina Bönisch (Anna Schudt) und Nora Dalay (Aylin Tezel), um Mia zu finden und damit Fabers Leben zu retten, der selbst in diesem Fall auffallend mitleidslos agierte. Natürlich gelang den Kommissaren das scheinbar Unmögliche. Und nachdem der Zuschauer mit dem armen Kind und seinen verzweifelten Eltern eifrig mitgelitten hatte, floss am Ende noch einmal kräftig Blut: Martina Bönisch erschoss sehr zu Fabers Leidwesen den offensichtlich irren Markus Graf und Evelyn Kohnai schnitt einem weiteren durch die Ermittlungen gefassten Peiniger im Polizeipräsidium die Kehle durch.

Das Thema abscheulich, die Umsetzung brutal, tiefes Mitleid erzeugt durch die persönliche Verstrickung der Protagonisten – das ist nur auf den ersten Blick spannend, in Wahrheit aber einfach nur abstoßend. Gut ist in diesem Fall nur, dass Graf nun für immer verschwunden ist und künftige Tatorte aus Dortmund und damit die Hauptfigur Peter Faber nicht weiter beinträchtigen kann. Das ist die Chance für Darsteller Jörg Hartmann, Peter Faber in eine ganz andere Richtung weiterzuentwickeln, hoffentlich weg von Aggressivität, Dauerhass und Mordgelüsten. /sis

Was hat das Verschwinden von Jan Pawlaks (Rick Okon, Mitte) Tochter mit Peter Faber (Jörg Hartmann, rechts) zu tun? Nora Dalay (Aylin Tezel) versucht, ihren Kollegen zurückzuhalten. (Foto: WDR/Thomas Kost)

Spannender Thriller statt klassischer Krimi

Spannender Thriller statt klassischer Krimi
Kritik zum Tatort München „Unklare Lage“
ARD/BR Tatort “Unklare Lage”. Die Kriminalhauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) warten angespannt den SEK-Einsatz ab. (Foto: BR/Hagen Keller)

Die Stadt abgeriegelt, der Verkehr steht still, Blaulicht und schwer bewaffnete Sondereinsatzkommandos beherrschen das Bild. So zeigte sich München im Jahre 2016. Diese Situation stellte der neue Tatort aus München „Unklare Lage“ aus der Feder von Drehbuchautor Holger Joos unter der Regie von Pia Strietmann nach. Unklar war indes nicht nur die Lage, sondern auch die Taktik der Polizei mit einer solchen Gefahrenlage umzugehen. „Wir ermitteln in alle Richtungen“ hieß in diesem Fall nur „Wir haben auch keine Ahnung“. Tatsächlich wussten weder Einsatzleitung noch die Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) was vor sich ging. Gab es einen zweiten Täter oder nicht? Hatte er eine Nagelbombe in seinem Rucksack? Mühsam tasteten sich die Kommissare an die Wahrheit heran, hetzten mit den SEKs von einem Einsatzort zum nächsten, ohne wirklichen Durchblick. Durch Zufall waren Batic und Leitmayr am Ende dann aber doch zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und mit einem gezielten Schuss konnte Batic den zweiten Täter außer Gefecht setzen. Ob er aber einen Sprengsatz bei sich hatte, blieb genauso ungewiss, wie die Vorstellung der Zuschauer, was sie denn nun in einer solchen unklaren Lage in der Realität zu erwarten hätten. Für alle Betroffenen des Anschlags im Film jedenfalls dürfte das Geschehen selbst leichter zu verdauen gewesen sein, als das harsche und ziemlich planlos wirkende Vorgehen der SEKs.

Spannend war dieser Tatort, keine Frage, und damit wesentlich besser als so manch andere Folge dieser Reihe. Es handelte sich aber eher um einen Thriller als einen klassischen Krimi. Warum ausgerechnet die in Ehrfurcht ergrauten Hauptkommissare hinter den vermeintlichen Tätern herhetzen mussten, statt die wesentlich jüngeren Kollegen des Einsatzkommandos, war nur eine weitere der Fragen, die am Ende offenblieben. Unverkennbar aber ist Kalle Hammermanns (Ferdinand Hofer) unaufhaltsamer Aufstieg. Diesmal durfte er gar das Bindeglied zwischen Einsatzzentrale und den Ermittlern spielen und das tat er wieder mit beeindruckendem Engagement. Wenn die altehrwürdigen Kommissare eines nicht mehr fernen Tages abtreten, dürfte ein Nachfolger schon feststehen! /sis

Was wird aus König und Bukow?

Was wird aus König und Bukow?
Kritik zum Polizeiruf 110 „Söhne Rostocks“
ARD/NDR Polizeiruf 110 “Söhne Rostocks”: Anton Pöschel (Andreas Guenther), Alexander Bukow (Charly Hübner), Volker Thiesler (Josef Heynert), Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Henning Röder (Uwe Preuss) erörtern die bisherigen Ermittlungsergebnisse. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Alexander genannt „Sascha“ Bukow (Charly Hübner) und seine Kollegin vom LKA Katrin König (Anneke Kim Sarnau) jagen im neuesten Polizeiruf aus Rostock einen aufstrebenden Jungunternehmer, der sich nach dem Mord an seinem Freund Frank Fischer auf der Flucht befindet. Was dahintersteckt, bleibt bis zum Schluss geheim und schickt das Ermittlerduo quer durchs schöne Rostock, nicht etwa weil sie in Michael Norden (Tilman Strauß) den Mörder vermuten, sehr wohl aber weil er bei den schon bald zwei Morden seine Finger im Spiel zu haben scheint. Letztlich geht es um Betrug unter Freunden, der mit viel Aggressivität gerächt wird.

Eine interessante Story aus der Feder von Drehbuchautor Markus Busch, geschickt umgesetzt von Christian von Castelberg, der Regie führte. Der Titel ist Programm und so stellt der Film Söhne Rostocks vor, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten – auch wenn sie ebenso gut aus jeder anderen Stadt Deutschlands hätten kommen können. Da ist Jungunternehmer Michael Norden, der sich von seiner Familie losgesagt hat, dessen Sohn Jon Hövermann (Oskar Belton), den er erst überhaupt nicht gebrauchen kann, sich am Ende aber doch – etwas zu schnell – zu ihm bekennt. Und da ist Bukow, der wahre Sohn Rostocks, der entgegen seiner sonst so ruppigen Art diesmal recht gefühlvoll agiert – und natürlich seine kleine aber feine Liebelei mit Kollegin König weiterspinnt. Gut, dass es die Macher bei dezenten Anspielungen belassen und die beiden nicht in eine wirklich Affäre schreiben. Das würde dem Polizeiruf aus Rostock viel von seiner prickelnden Spannung rauben. Leider scheint Bukow und König aber ihre unrühmliche Vergangenheit einzuholen und man darf gespannt sein, wie diese Geschichte dann weitergeht. Stellt sich König ihrer Schuld, ist das definitiv das Aus für die beiden beliebten Ermittler, was man nicht wirklich wollen kann! Man darf also gespannt sein. /sis

Bukow (Charly Hübner) und König (Anneke Kim Sarnau) machen auf der Suche nach Michael Norden einen grausigen Fund (Stefan Becker) (Foto: NDR/Christine Schroeder).

Unaufgeregt bis in die Haarspitzen

Unaufgeregt bis in die Haarspitzen
Kritik zum Tatort Köln „Kein Mitleid, keine Gnade“
ARD/WDR Tatort “Kein Mitleid, keine Gnade”: Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, r), Freddy Schenk (Dietmar Bär, m) und ihr Assistent Norbert Jütte (Roland Riebeling, l) im Polizeipräsidium. (Foto: WDR/Thomas Kost)

Unaufgeregt bis in die Haarspitzen, ganz so wie man es für einen erholsamen Sonntagabend braucht, präsentierte sich der neue Tatort aus Köln mit dem Titel „Kein Mitleid, keine Gnade“. Nicht langweilig, aber eben auch nicht besonders spannend. Dabei war das Thema durchaus größere Aufregung wert. Ging es doch um nichts Geringeres als Homophobie, glaubt man der Darstellung noch immer ein äußerst brisantes Thema. So aufgeklärt und überaus tolerant, wie junge Menschen heute gerne sein wollen, kamen sie in dieser Geschichte nicht gut weg. Ganz im Gegenteil, die homosexuellen Jungs mussten in der Story von Drehbuchauto Johann Rotter allesamt um ihr Leben fürchten, wurden gemobbt und verfolgt, geprügelt und am Ende gar getötet von Mitschülern oder gleich der eigenen Familie, um der Ehre willen. Das war dann doch streckenweise etwa übertrieben. Die mitunter langatmigen Kameraeinstellungen, die nicht unbedingt immer die Stimmung spiegelten, zogen die Geschichte obendrein unnötig in die Länge und unterstrichen damit die wenig dynamische Handlung nur. Gut dargestellt wurde indes die Ambivalenz jugendlicher Verhaltensweisen in der intriganten Schülerin Nadine Wilcke (Emma Drogunova). Ebenfalls leicht nachvollziehbar und ungemein erschreckend kam auch die Nebengeschichte daher: Freddy Schenk (Dietmar Bär) wird Opfer von Cybermobbing und muss am eigenen Leib erfahren, wie schnell Freunde und Kollegen sich abwenden, selbst Assistent Norbert Jütte (Roland Riebeling), sonst ein immerwährender Quell der Gelassenheit, wusste sich nicht recht zu entscheiden, ob er Freddy nun glauben sollte oder nicht. Einzig Partner Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) hielt ihm unerschütterlich die Treue.

Ballauf und Schenk sind auch dann immer noch sehenswert, wenn die Geschichte an sich nicht gerade Begeisterungsstürme auslöst. Die beiden sind Garant für gute Unterhaltung und das macht letztlich auch die Anziehungskraft des Tatorts aus: Das Team muss passen, dann ist der Rest nicht mehr ganz so wichtig. Und inzwischen, das muss man entgegen der anfänglichen Skepsis zugeben, hat sich auch Jütte prima in das Team eingefügt. /sis

Freddy Schenk (Dietmar Bär, hinten Mitte) muss sich rechtfertigen. Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, hinten rechts) sieht zu, wie sein Kollege beschuldigt wird, Nadine Wilcke (Emma Drogunova, vorne) auf dem Schulhof belästigt zu haben. Ihr Freund Lennart (Moritz Jahn) nimmt sie in Schutz, während andere Schüler mit den Handys filmen. (Foto: WDR/Thomas Kost)

Ein empathischer Nick Tschiller ist auch nicht besser

Ein empathischer Nick Tschiller ist auch nicht besser
Kritik zum Tatort „Tschill out“
ARD/NDR Tatort “Tschill Out”: Yalcin Gümer (Fahri Yardim) bringt seinen Kronzeugen Tom Nix (Ben Münchow) zu Nick Tschiller (Til Schweiger), der auf Neuwerk auf sein Disziplinarverfahren wartet. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Wer auf wilde Ballerei und gewaltige Explosionen gehofft hatte, wurde enttäuscht: Nick Tschiller (Til Schweiger) hat in seinem neuesten Tatort mit dem Titel “Tschill Out” (der Titel war Programm) zwar auch einmal geschossen, aber nur mit einem Paintball-Geschütz, dafür enorm treffsicher genau zwischen die Augen des Angreifers. Überhaupt war dieser Tatort mit dem bekannten Schauspieler eher moderat. Das galt auch für die Ermittlungstätigkeit seines Partners Yalcin Gümer (Fahri Yardim) und dessen junge Assistentin Bonnie (Mascha Paul). Gümer sollte eigentlich zwei Kronzeugen in Sicherheit bringen, verlor den einen bei einer Schießerei und lud den anderen, Tom Nix (Ben Münchow), kurzerhand bei Nick Tschiller ab, der auf Neuwerk auf den Ausgang seines Disziplinarverfahrens wartete und dabei Patty Schmidt (Laura Tonke) bei der Betreuung von schwererziehbaren Jugendlichen half. Natürlich konnten der angeheuerte Killer und sein Auftraggeber den Kronzeugen ausfindig machen und am Ende gar auf Neuwerk stellen, doch da kam ihm wie gesagt Nick Tschiller mit seinen Paintball-Künsten in die Quere.

Das war es auch schon. Recht langatmig, wenig bis gar nicht spannend, plätscherte die Geschichte so vor sich hin. Ob Nick Tschiller nun den Superhelden mit Maschinengewehr und Panzerfaust mimt, oder ganz gediegen und überaus empathisch daherkommt, macht keinen großen Unterschied. So erfahren Til Schweiger als Schauspieler auch sein mag, den Kommissar in heikler Mission kauft man ihm einfach nicht ab! /sis

Yalcin (Fahri Yardim) und Nick (Til Schweiger) müssen Patti (Laura Tonke) überzeugen, dass Tom (Ben Münchow) ein paar Tage auf Neuwerk bleiben darf. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Nichts als wirres Theater

Nichts als wirres Theater
Kritik zum Tatort „Das Team“
ARD/WDR Tatort “Das Team”: V.l.n.r.: Franz Mitschowski (Nicholas Ofczarek), Peter Faber (Jörg Hartmann), Martin Scholz (Bjarne Mädel), Martina Bönisch (Anna Schudt), Marcus Rettenbach (Ben Becker), Sascha Ziesing (Friedrich Mücke), Christoph Scholz (Charly Hübner), Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter), Nadine Möller (Elena Uhlig) (Foto: WDR/Tom Trambow)
Ministerpräsident Armin Laschet (m) begrüßt die Dortmunder Kommissarin Martina Bönisch (Anna Schudt). Zwei Coaches (Bjarne Mädel, Charly Hübner, hinten, v.l.) sollen aus sieben Ermittlern ein Team formen, das einen Serienmörder endlich stoppt. Aus Aachen gehört Franz Mitschowski (Nicholas Ofczarek, r) zum Team. (Foto: WDR/Tom Trambow)

Ein Tatort ohne Drehbuch, die Schauspieler erhalten nur die Grundelemente der Story, agieren intuitiv und reden, was sie wollen. Das nennt man gemeinhin „Improvisationstheater“ und nichts anderes war der Tatort „Das Team“ aus Nordrhein-Westfalen. Eine bunt zusammengewürfelte Truppe von Kommissaren aus dem ganzen Land war in einem riesigen, leerstehenden Tagungshotel zusammengekommen, um – nach der kühlen Begrüßung durch Ministerpräsident Armin Laschet – von zwei Coaches zu einem Team zusammengeschweißt zu werden, das den Mörder von vier bestialisch getöteten Kommissaren dingfest machen sollte. Mit dabei waren die Dortmunder Kommissare Martina Bönisch (Anna Schudt) und Peter Faber (Jörg Hartmann) sowie Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) aus Münster und einige andere Kommissare, die bislang aber noch nicht als solche in Erscheinung getreten sind, außer Ben Becker, der zwei Mal als Dorfpolizist in Rheinland-Pfalz beim Tatort mitgespielt hat und Friedrich Mücke, für gewöhnlich Kommissar Henry Funck in Erfurt. Ebenfalls als Kommissar bekannt, nicht aber als Coach und schon gar nicht in NRW, ist natürlich Charly Hübner alias Alexander Bukow, der bei der Konkurrenz vom Polizeiruf 110 in Rostock tätig ist.

Gut die Hälfte des Films wirkte „das Team“ wie ein Klassentreffen mit Anwesenheitspflicht ehemals verfeindeter Mitschüler. Die Kommissare zickten sich an, allen voran Martina Bönisch, die nicht mit Nadeshda Krusenstern konnte und Marcus Rettenbach (Ben Becker), der sich als gänzlich teamunfähig erwies. Alles ging kreuz und quer durcheinander, angestachelt von einem völlig empathielosen Coach Christoph Scholz (Charly Hübner), der aus unerfindlichen Gründen das kindische Gehabe der Kommissare mit einem Dauergrinsen begleitete. Der zweite Coach Martin Scholz (Bjarne Mädel) spielte nur eine unbedeutende Nebenrolle und trat so gut wie gar nicht in Erscheinung. Man war versucht, abzuschalten, wäre da nicht der plötzliche Mord an Nadeshda Krusenstern gewesen, der ab etwa Mitte des Films vorrübergehend für Spannung sorgte. Man wollte schlicht wissen, wer für den Tod der beliebten Kommissarin aus Münster verantwortlich war. Bis zum Schluss aber wurden weder die Gründe für ihre Ermordung klar, noch erfuhr man, wer die Tote überhaupt aufgefunden und dann auch noch das SEK informiert haben soll, denn außer den Kommissaren und den Coaches war das Tagungshotel bis dahin ja menschenleer. Aber es blieben ohnehin sehr viele Fragen offen in diesem Fall, der – unter der Regie von Jan Georg Schütte – wohl eher wieder nicht für das Publikum, sondern mit Blick auf hochgelobte Preise gedreht wurde. Man merkte den Schauspielern an, dass man ihnen keinen Text vorgegeben hatte. Alle redeten durcheinander, kaum ein Satz war vollständig und dazu oft genug schon akustisch unverständlich. Dazu kam die fehlende Logik: Der Täter, der nach dem Mord an Nadeshda in den eigenen Reihen zu suchen war (warum eigentlich? Es hätte jederzeit eine weitere Person von außen das weitläufige Tagungshotel betreten können) war von den Verantwortlichen als einer der fähigen Kommissare eingeladen worden, die man als Team auf die Jagd nach dem Polizistenmörder schicken wollte. Sein Motiv: Er wollte befördert werden und weg aus seinem Einsatzort Paderborn – doch die vier ermordeten Kollegen standen seinem beruflichen Fortkommen gar nicht im Weg! Auch die arme Nadeshda nicht, die einen ganz anderen Kollegen als Täter im Visier hatte. Fragen über Fragen, die der Tatort ohne Drehbuch nicht beantworten konnte oder wollte. Vielleicht hätte man vorher doch aufschreiben sollen, was man eigentlich erzählen will!

Friederike Kempter hatte schon kurz nach der Ausstrahlung des Tatorts „Väterchen Frost“ am 22. Dezember 2019 ihren Ausstieg als Kommissarin Nadeshda Krusenstern in Münster erklärt. Warum man sie gleich umbringen musste, statt sie einfach mit einer zünftigen Abschiedsparty wegzubefördern, bleibt wieder einmal das Geheimnis der Macher. Friederike Kempter und den Zuschauern jedenfalls hätte man ein anderes Ende ihrer Laufbahn als Kommissarin an der Seite von Frank Thiel (Axel Prahl) gewünscht. /sis

Sie sollen ein Team werden: In einem alten, leerstehenden Hotel sind Ermittler aus NRW zusammengezogen worden, u.a. (v.l.n.r.) Nadine Möller (Elena Uhlig), Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempte), Peter Faber (Jörg Hartmann) und Markus Rettenbach (Ben Becker). Coach Christoph Scholz (Charly Hübner, r) hat sie im Hotel-Pool versammelt. Hier soll jeder der Kommissare mal auf dem “heißen Stuhl” im leeren Schwimmbecken Platz nehmen. (Foto: WDR/Tom Trambow)

Kluge Story spannend umgesetzt

Kluge Story spannend umgesetzt
Kritik zum Polizeiruf 110 „Tod einer Journalistin“
ARD/rbb Polizeiruf 110 “Tod einer Journalistin”: Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski (Maria Simon) und Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) am Tatort. (Foto: rbb/Degeto/Oliver Feist)
Polizeihauptmeister Wolfgang Neumann (Fritz Roth, r.) hat neue Hinweise für Olga Lensk und Adam Raczek (Foto: rbb/Degeto/Oliver Feist)

Mit dem Polizeiruf 110 „Tod einer Journalistin“ ist den Drehbuchautoren Silja Clemens, Stephan Rick und Thorsten Wettcke zum Abschluss des Krimijahres 2019 noch einmal ein ganz großer Wurf gelungen. Obwohl die Kerngeschichte – Journalistin deckt Riesenskandal auf und wird ermordet, bevor sie ihn veröffentlichen kann – mehr als einmal verfilmt wurde, kam dieser Film mit einer ganz neuen Variante daher: Ein Mordopfer, zwei Täter, dazu eine ehemalige Umweltaktivistin, die dem Angebot eines Energiekonzers, 50 Millionen Euro Provision für die Baugenehmigung eines Atomkraftwerkes zu bekommen, einfach nicht widerstehen kann, die Seiten wechselt und bei der Durchsetzung ihrer eigenen Interessen jedes Maß verliert, erpresst, entführt und bedroht, wer immer ihr in die Quere kommt. Und dieser Polizeiruf hatte endlich einmal eine Kommissarin zu bieten, die die Schusswaffe nicht nur zur Zierde trägt, sondern sie auch einsetzt als es sein muss, gezielt und treffsicher. Das ist nicht unbedingt immer der Fall in Krimis deutscher Machart.

Dennoch wussten die Kommissare Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) auch in dieser Folge des deutsch-polnischen Polizeirufs aus Frankfurt an der Oder nicht unbedingt zu begeistern. Wieder wirkten die beiden eher gelangweilt und desinteressiert. Trotzdem war „Tod einer Journalistin“ eine ausgesprochen kluge Story, spannend umgesetzt mit großartigen Schauspielern wie Julika Jenkins als polnischer Richter und zugleich Geliebter des Mordopfers, Markus Gertken als brutaler Killer und Max Herbrechter als Vater der Ermordeten, selbst Journalist und den Ermittlern immer einen Schritt voraus. Davon möchte man mehr sehen! /sis

Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski (Maria Simon) verfolgt den Prozess um die Baugenehmigung des ersten polnischen Atomkraftwerks. (Foto: rbb/Degeto/Oliver Feist.

Alt, gebrechlich, kriminell

Alt, gebrechlich, kriminell
Kritik zum Tatort München „One Way Ticket”
Tatort “One Way Ticket”: Die Kriminalhauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) müssen gleich zwei Todesfälle aufklären, auf den ersten Blick Autounfälle, die sich aber beide als brutale Morde entpuppen. (Foto: BR/Roxy Film/Marco Nagel)

Altersarmut treibt seltsame Blüten, das war das Kernthema des neuesten Münchner Tatorts mit dem Titel „One Way Ticket“ mit den Hauptkommissaren Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) aus der Feder von Rupert Henning, der zugleich auch Regie führte. Wobei nicht unbedingt mehr die beiden Hauptkommissare den Ton im Münchner Kommissariat angeben. Kriminalkommissar Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) läuft den in Ehrfurcht ergrauten Kommissaren langsam, aber sicher den Rang ab, man hat fast den Eindruck, der junge Kommissar wird von den Tatort-Machern schon mal in Stellung gebracht. Leitmayr und Batic sind schließlich selbst der Rente nah. Umso komischer wirkte der Satz, den Batic beim Verhör der Senioren abließ: „Wir haben Zeit, Sie nicht!“ Das dürfte beim Publikum für Erheiterung gesorgt haben.

Ansonsten war aber nichts Erheiterndes an diesem Tatort, im Gegenteil, er war überfrachtet mit allfälligen Problemen von der bereits erwähnten Altersarmut über die Zustände in afrikanischen Gefängnissen, Drogen, Geldwäsche bis hin zu den immer wieder gerne hervorgeholten Stasi-Ablegern und deren rigide Methoden und das alles unter dem Deckmantel einer gemeinnützigen Organisation, einer sogenannten NGO (Non-Governmental Organisation). In der Tat alles drückende Probleme unserer Zeit, die aber in einen einzigen Krimi gequetscht einfach zu viel des Guten waren. Und so entpuppte sich die Geschichte, in der sich sechs vom Leben gebeutelte Rentner mit viel zu wenig Geld zum Leben als Drogen- und Geldkuriere missbrauchen ließen, auch als ein Wirrwarr von Erzählsträngen, die sich am Ende nicht richtig in einander fügen wollten. Da halfen auch die durchweg guten schauspielerischen Leistungen nicht, allen voran Siemen Rühaak als gescheiterter Kleinunternehmer und frisch verliebter Gockel, der sich von einer blutjungen Afrikanerin in den Sumpf des Verbrechens hatte entführen lassen mit katastrophalen Folgen für ihn selbst und seine Rentner-Freunde. Ein guter Ansatz also, der für sich alleine erzählt einen unterhaltsamen und spannenden Krimi hätte ergeben können, so aber im Wust der Einzelthemen schlicht unterging. Schade drum! /sis

Nicht der beste Tatort aus Münster!

Nicht der beste Tatort aus Münster!
Kritik zum Tatort Münster „Väterchen Frost“
ARD/WDR Tatort “Väterchen Frost”: Die Heldin dieser Tatort-Folge aus Münster war zweifelsohne Kommissarin Nadeshda Krustenstern (Friederike Kempter, links) hier mit der wie immer recht herrischen Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann, rechts). (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)
Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl, links), Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, Mitte) und Silke Haller (ChrisTine Urspruch, rechts) hoffen auf dem Friedhof neue Erkenntnisse zu gewinnen. (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

Das war sicher nicht der beste Tatort aus Münster, obwohl auch diesmal das beste aller Autorenteams – nämlich Jan Hinter und Stephan Cantz – für das Drehbuch verantwortlich zeichnen. Woran lag es? Die Geschichte an sich war gut, keine Frage. Spannung fehlte aber ganz, auch wenn Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) in Hochform waren. Ursache für die Schwäche war wohl die Tatsache, dass Thiel und Boerne genauso wie Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann), Boernes Assistentin Silke Haller (ChrisTine Urspruch) und Herbert Thiel (Claus D. Clausnitzer) allesamt eher eine untergeordnete Nebenrolle spielten. Die wahre Heldin der Geschichte war Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter). Das ist an sich natürlich durchaus in Ordnung, doch genau hier begingen die Autoren den Fehler, die romantische Schwärmerei zwischen Nadeshda und ihrem Entführer Artjom Sascha (Alexander Gersak) viel zu früh beginnen zu lassen. Das nahm dem Fall die Dynamik, dem Zuschauer das Mitfiebern um die entführte Kommissarin und dann recht rasch auch noch den Spaß am Mitraten. Viel zu schnell waren die Hintergründe um den eigentlichen Killer Jörn Weig (großartiger David Bennent) und die Juwelierin Frau Lang (Heike Trinker) zu erahnen. Wenig überzeugend war dann auch noch der wegen Grippewelle unterbrochene Prozess, wobei die Grippewelle fortan in der gesamten Geschichte nicht mehr vorkam. So überschwänglich eingeführt, hätte man mehr aus diesem Umstand erwartet.

Wie immer beim Münsteraner Tatort waren einige Pointen gut gesetzt, das Zusammenspiel zwischen Thiel und Boerne wirkte perfekt, auch wenn von den sonst üblichen Kappeleien diesmal kaum etwas zu spüren war. Weihnachtsharmonie? Vielleicht! Aber gewiss nicht nötig! /sis

Auf zum Weihnachtsmarkt: Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann, Mitte) überredet Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl, links) und Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, rechts) noch zu einem Glas Glühwein – oder besser: Sie befiehlt es ihnen. (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

Ohne Spannung, aber dennoch unterhaltsam

Ohne Spannung, aber dennoch unterhaltsam
Kritik zum Tatort Kiel „Borowski und das Haus am Meer“
ARD/NDR Tatort “Borowski und das Haus am Meer”: Fall gelöst: Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik) (Foto: NDR/Sandra Hoever)
Kinderpsychologin Karen Matthiesen (Ute Hannig) befragt Simon (Anton Peltier, mit Axel Milberg) (Foto: NDR/Sandra Hoever)

In und um Kiel haben allerlei gestörte Mitbürger Unterschlupf gefunden. Das jedenfalls könnte man meinen, schaut man sich die Kieler Tatorte mit Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) an. Immer wieder bekommt er es mit Psychopathen der unterschiedlichsten Art zu tun, so auch in seinem neuesten Fall „Borowski und das Haus am Meer“. Jeder der Beteiligten hatte sein Päckchen Wahnsinn zu tragen: Großvater und Mordopfer Heinrich (Reiner Schöne) leidet an Alzheimer, ist aggressiv und möchte mit seinem Sohn Johann (Martin Lindow) und dessen Frau Nadja (Tatiana Nekrasov) nichts zu tun haben. Johann ist Pastor, als solcher aber recht eigensinnig in seiner Interpretation von Nächstenliebe, seine Frau Nadja erträgt geduldig seine Macken. Einzig Enkel Simon (Anton Peltier) hat einen Draht zu Opa Heinrich. Er bekommt mit, wie sich Johann und Heinrich streiten und der Großvater schließlich in einem Bachbett landet und nicht mehr aufsteht. Simon läuft weg, direkt vor das Auto von Borowski und dessen Assistentin Mila Sahin (Almila Bagriacik), erzählt von einem Hund, der den Großvater angegriffen und einem Indianer, der ihn beschützt hat. Am nächsten Morgen wird Großvater Heinrich tot an der Seite eines Hundeskeletts oberflächlich am Strand vergraben aufgefunden. Zu den Verdächtigen zählen außer Johann und seiner Familie auch die ehemalige dänische Lebensgefährtin von Heinrich, deren Tochter und ein von Heinrich und seinen rigiden Erziehungsmethoden misshandelter und seither stummer und behinderter Indianer.

Drehbuchautor und Regisseur Niki Stein hat den an sich guten Kriminalfall überfrachtet mit all den kranken Ansichten seiner Figuren, die von massiv übertriebener, religiös verwurzelter Vergebung bis hin zu fanatischer Ablehnung aller Nazinachkommen reichten. Mittendrin ein traumatisiertes Kind, Borowski mit seinen zum Teil recht eigenwilligen Verhörmethoden und schließlich eine Assistentin, die über den Status einer ungeordneten Hilfsarbeiterin nicht hinauskam. Spannung kam bei so vielen menschlichen Abgründen natürlich keine auf, kurzweilig war der Tatort aber dennoch, nicht zuletzt wegen des wie immer großartigen Axel Milberg. Bleibt nur noch anzumerken, dass Almila Bagriacik ihre Vorgängerin Sibel Kekilli auch in dieser Folge noch nicht vergessen machen konnte. Aber was nicht ist, kann ja noch werden! /sis

Mila Sahin (Almila Bagriacik), Borowski (Axel Milberg) mit Pastor Flemming (Martin Lindow) (Foto: NDR/Sandra Hoever)

Einfach unerträglich das Ganze!

Einfach unerträglich das Ganze!
Kritik zum Polizeiruf 110 „Die Lüge, die wir Zukunft nennen“
Polizeiruf 110 “Die Lüge, die wir Zukunft nennen”: Ob es ein Kindergeburtstag oder doch eine wilde Faschingsparty war, mit der der Polizeiruf aus München in den zweiten Fall startete, war für den Zuschauer nicht auszumachen. Der Trupp im Morgengrauen vorm Zabriskie (von links): Chouaki (Berivan Kaya), Teddy (Niklas Kearney), Elisabeth (Verena Altenberger) und Maurer (Andreas Bittl). (Foto: BR/maze pictures GmbH/Hendrik Heiden)

Langsam fragt man sich schon, ob die ARD mit den neueren Tatort-Folgen und insbesondere auch mit dem Polizeiruf 110 die Schmerzgrenze der Zuschauer ausloten möchte. Das jedenfalls ist die einzige Erklärung, warum man das Publikum mit experimentellen Filmen der Marke „besonders wertvoll“ nur eben nicht für die Zuschauer ein ums andere Mal verprellt. Der zweite Fall der neuen Polizeioberkommissarin Elisabeth Eyckhoff (Verena Altenberger) des Polizeirufs München jedenfalls war einfach nur zum Abgewöhnen. Bruchstückhafte, in keiner Phase nachvollziehbare Handlung auf unterschiedlichen, aber nicht klar abgegrenzten Zeitebenen, die von Musik und Nebengeräuschen größtenteils überlagerten Dialoge, die ein Verstehen weitgehend unmöglich machten und dazu äußerst verstörende Bilder mit Kindern lassen den Zuschauer völlig ratlos zurück. Dazu kamen wieder eine ungezügelte Brutalität, die man unter den Mitgliedern einer Polizeiwache keinesfalls vermuten würde und Figuren, deren Verhalten einzig von Gier und Willkür geprägt war. Überhaupt waren die handelnden Personen alles Ordnungshüter, die aber von Recht und Gesetz nicht das Geringste hielten, ausschließlich eigene Interessen durchzusetzen bemüht waren, sich gnadenlos bereicherten und schließlich bis aufs Blut bekämpften. Einfach unerträglich das Ganze.

Regisseur Dominik Graf ist bekannt für seine anspruchsvollen Filme und Drehbuchautor Günter Schütter hat schon so manche Polizeiruf-Geschichte geschrieben. Auch an der Qualität der Schauspieler, allen voran Verena Altenberger und Wolf Danny Homann, kann es ebenfalls nicht gelegen haben. Was also ist der Grund für ein derart schlechtes Ergebnis? Wissen deutsche Filmemacher nicht mehr, wie man gute Krimis macht? Schielen sie vielleicht einfach zu sehr auf die Meinungen von Jurymitgliedern, die den ein oder anderen renommierten Preis zu vergeben haben? Zählt der Zuschauer nicht mehr? Dem Publikum muss der Film gefallen, nicht der Kritik! Das und nur das sollte bei der Produktion ausschlaggebend sein! /sis

Eines guten Krimis durchaus würdig

Eines guten Krimis durchaus würdig
Kritik zum Tatort „Querschläger“
ARD/NDR Tatort “Querschläger”: Nehmen Spediteur Aksoy (Eray Egilmez, ganz links) unter die Lupe: Falke (Wotan Wilke Möhring) und Grosz (Franziska Weisz). Im Hintergrund: Aksoys Bruder Efe (Deniz Arora) (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Das hat man schon oft gesehen – ein Kind ist todkrank, helfen kann nur ganz viel Geld und das versuchen die Eltern zu bekommen, egal wie und egal was es kostet. Dieses sicher bedrückende Szenario war auch Kern des neuen Tatorts mit den Bundespolizisten Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) mit dem Titel „Querschläger“. Natürlich war die Geschichte mit dem großartigen Milan Pöschel in der Rolle des amoklaufenden Vaters Steffen Thewes sehr leicht durchschaubar und bot vor daher kaum Überraschendes. Interessant waren aber dennoch die vorgestellten Gegensätze: Der eine Vater tut alles, um an Geld zu kommen, das seine kranke Tochter retten soll, der anderer hingegen ist skrupellos bereit, seine gesamte Familie zu opfern, um das – natürlich unrechtmäßig erworbene – Geld nicht hergeben zu müssen. Die so erzeugte Spannung zwischen dem Zollbeamten Thewes und dem zwielichtigen Spediteur Cem Aksoy (Eray Egilmez) war eines Krimis durchaus würdig, auch wenn die Geschichte aus der Feder von Oke Stielow einige Längen und Logikbrüche aufwies. Das Ermittlerduo indes war durchaus entbehrlich und das Ende fiel dann doch recht unglaubwürdig aus: Der bis dahin stur an seinem Geld festhaltende Cem Aksoy gibt es freiwillig, um Sara Thewes (Charlotte Lorenzen) doch noch zu retten!

Abgesehen von der Krimistory warf die Geschichte wieder einmal die dringende Frage auf, wieso Krankenkassen lebensrettende Operationen für Kinder und Jugendliche nicht bezahlen, warum eben diese Operationen immer nur in den USA vorgenommen werde können und warum sie so unsagbar viel Geld kosten müssen. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das sich zudem rasch lösen ließe, wenn denn der politische Wille dazu vorhanden wäre. /sis

Philosophiestunde für Moritz Eisner

Philosophiestunde für Moritz Eisner
Kritik zum Tatort Wien „Baum fällt“
ARD/ORF Tatort “Baum fällt”: Ein Mordfall ohne Leiche – für Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) hat ihr Beruf immer noch Überraschungen parat. In der Bergwelt Kärntens muss das Wiener Tatortduo den Tod eines unbeliebten Holzbarons aufklären, der im eigenen Heizkessel verbrannt ist. (Foto: ARD Degeto/ORF/Graf Film/Helga Rader)
In dem Brennofen wurde die Leiche offenbar verbrannt. Übrig gelieben ist nur ein künstliches Schultergelenk. (Foto: ARD Degeto/ORF/Graf Film/Helga Rader)

Unterhaltsam war er, der neue Tatort „Baum fällt“ mit den Wiener Ermittlern Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser). Ein klassischer Kriminalfall, zwar ohne Leiche, aber mit einem Ermordeten, unzähligen Verdächtigen und einem alten Freund Eisners – Alois Feining, gespielt von Karl Fischer, einem sehr bekannten Krimigesicht. Als Sergente Vianello spielt Fischer seit vielen Jahren in den Donna Leon-Verfilmungen an der Seite von Commissario Brunetti in Venedig. Es ist immer schwierig, wenn ein so bekanntes Gesicht plötzlich in einem anderen Film auftaucht, aber Karl Fischer ist ein großartiger Schauspieler, der sehr schnell und überzeugend einen völlig anderen Charakter verkörpern kann. Das war es aber auch schon mit den Großartigkeiten dieses Tatorts. Geschichte und Charaktere waren eher durchschnittlich, zwar krimitauglich aber mit wenig Spannung erzählt. Abgesehen von der Philosophiestunde, die Moritz Eisner über sich ergehen lassen musste, hatte dieser Tatort nicht viel Überraschendes zu bieten, außer fantastischen Aufnahmen der Kärntner Bergwelt. Die Ermittlungen gestalteten sich eher zäh, Bibi Fellner spielte leider nur eine untergeordnete Rolle, was der sonst üblichen Spannung zwischen den beiden Ermittlern und der sich daraus ergebenden Komik doch recht abträglich war. Das Augenmerk lag auf dem Erinnerungsaustausch zwischen Eisner und Feining untermalt mit fetzigen Stones-Hits. Nicht schlecht, aber eben auch nicht umwerfend. Wie schon recht früh zu erahnen, nahm Polizeichef Feining eine weitaus bedeutendere Rolle im Geschehen um den Mord an dem Sägewerkinhaber Hubert Tribusser (Christoph von Friedl) ein, ein Mord, der eigentlich gar keiner war, sondern sich am Ende als Notwehr entpuppte. Warum der Polizeichef aus dieser eindeutigen Situation durch Vertuschen ein Verbrechen konstruierte, bleibt das Geheimnis der Drehbuchautorin Agnes Pluch. /sis

V. li. n. re.: Bibi (Adele Neuhauser), der Werksleiter (Vitus Wieser), Friedl Jantscher (Michael Glantschnig), Harald Krassnitzer (Moritz Eisner). (Foto: ARD Degeto/ORF/Graf Film/Helga Rader)

Am Ende bleibt ein großes Fragezeichen

Am Ende bleibt ein großes Fragezeichen
Kritik zum Tatort Ludwigshafen „Die Pfalz von oben“
ARD/SWR Tatort “Die Pfalz von oben”: Reminiszenz an 1991: Ben Becker als Stefan Tries, Polizist in Zarten in der Westpfalz, Ulrike Folkerts als Lena Odenthal, Hauptkommissarin aus Ludwigshafen, die in ihrem 70. Fall im Einsatz ist und 30 Jahre Tatort feiert. (Foto: SWR/Jacqueline Krause-Burberg)
1991: In ihrem dritten Fall „Tatort – Der Tod im Häcksler“ arbeitet Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) in Zarten in der Westpfalz mit dem jungen Ortspolizisten Stefan Tries (Ben Becker) zusammen. (Foto: SWR/Johannes Hollmann)

Lena Odenthals (Ulrike Folkerts) 30-jähriges Dienstjubiläum feierte die Tatort-Fangemeinde mit einem mehr oder minder gelungenen Rückblick auf die kurze Affäre der damals noch blutjungen Kommissarin mit dem Dorfpolizisten Stefan Tries (Ben Becker). Und genau das Wiederaufleben der vor 28 Jahren vielleicht noch prickelnden Liebesbeziehung zog den Tatort mit dem Titel „Die Pfalz von oben“ eher ins Lächerliche, von Spannung oder gar Funkensprühen zwischen Odenthal und Tries war nichts zu spüren. Einen ordinären Kiffer mag ein Ben Becker authentisch spielen, eine Ulrike Folkerts kann das nicht und einer sonst eher weichen, mehr dem weiblichen Geschlecht zugetanen Lena Odenthal steht das schon gar nicht.

Aber letztlich ging es in Jubiläums-Fall nicht um die einstige Liebelei von Odenthal und Tries, sondern um ein durch und durch korruptes Polizeirevier im fiktiven Dörfchen Zarten in der Westpfalz, in dem nachts noch immer die Bürgersteige hochgeklappt werden und auch sonst die Zeit stehen geblieben scheint – sieht man von der Alpaka-Herde ab, die da plötzlich durchs Bild wackelte. Wie nicht anders zu erwarten, wollte der jüngste und engagierteste Polizist der Polizeistation Zarten das sehr lukrative Spiel seiner durchweg übertrieben protzig dargestellten Kollegen nicht mehr mitmachen – und wurde erschossen. Ausgerechnet von der Nummer zwei der Wache, der sich anschickte, Revierleiter Tries vom Chefsessel zu schubsen und gleich auch als Oberhaupt der kriminellen Vereinigung abzulösen. Für die Ermittlungen hatte Lena Odenthal diesmal ein Heer von Hilfskräften, die der großen Zahl wegen in einer Kegelhalle untergebracht werden mussten und das Geschehen dennoch nicht voranbrachten. Ein durchweg schlecht gelaunter und nur widerwillig eingebundener interner Ermittler sorgte für zusätzlichen Ärger und Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) überzeugte auch nicht gerade durch Übereifer. Und so plätscherte die Geschichte vor sich hin, ohne Dynamik, ohne Überraschungen. Am Ende gab es den obligaten Showdown, in dem sich Tries und sein Stellvertreter Ludger Trump (Thomas Loibl) gegenseitig beschuldigten und schließlich liquidierten. Die Kommissarinnen standen nach all den Mühen mit leeren Händen da.

Einen Bezug zum Titel „Die Pfalz von oben“ bot der Film nicht wirklich, nur einmal warf Stefan Tries einen Blick von oben auf sein Dorf und beschwerte sich darüber, dass er dies in den zurückliegenden 28 Jahren nicht öfter getan hatte. Nun ja, da kann man ihm auch nicht helfen. Was am Ende von diesem Tatort bleibt, ist ein großes Fragezeichen – da hatte man sich doch mehr erhofft vom Jubiläum der dienstältesten Tatort-Kommissarin. /sis

Ulrike Folkerts und Johanna Stern beim Dreh. (Foto: SWR/Jacqueline Krause-Burberg)

 

Sämtliche Probleme der Gegenwart in einem Tatort

Sämtliche Probleme der Gegenwart in einem Tatort
Kritik zum Tatort Berlin „Das Leben nach dem Tod“
ARD/rbb Tatort “Das Leben nach dem Tod”: Robert Karow hat wochenlang neben einer Leiche gelebt und nichts bemerkt. Obwohl er nie Kontakt zu dem Mann hatte, betritt Karow spontan die Nachbarwohnung und erklärt sie zum Tatort. Über eine Einbruchserie von jungen Mädchen geraten Karow und Rubin an eines ihrer Opfer, den ehemaligen Richter a.D. Gerd Böhnke (Otto Mellies), der in der DDR die Todesstrafe verhängte. Gibt es von ihm zu dem Mord eine Verbindung? – Im Supermarkt hat sich Richter Gerd Böhnke verschanzt, wird Nina Rubin (Meret Becker) ihren Kollegen Karow (Mark Waschke) überzeugen dort hineinzugehen? (Foto: rbb/Marcus Glahn)
Staatsanwältin Jennifer Wieland (Lisa Hrdina) folgt Hauptkommissarin Nina Rubin (Meret Becker) zu einer Leichenschau. (Foto: rbb/Marcus Glahn)

Mit zwei Worten lässt sich der Tatort aus Berlin mit dem Titel „Das Leben nach dem Tod“ mit den Kommissaren Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) wohl am besten beschreiben: ekelhaft düster! Kein Sonnenstrahl erleuchtete diesen mit tausenden Fliegen und Maden beginnenden Krimi, der sich wieder einmal als wenig spannendes Psychodrama mit gehörigen Längen entpuppte. Zu viel Psycho, zu viel Drama, die Drehbuchautorin Sarah Schnier aus sämtlichen Alltags-Problemen der Gegenwart rekrutierte. Von Wohnungsnot über Vermieterwahnsinn reichte die Palette, von brutalen Jugendgangs und dem Wankelmut der Justiz bei ihrer Bestrafung, bis hin zur aktuellen Vereinsamung alter Menschen, die immer öfter wochenlang tot in ihrer Wohnung liegen und, nicht zu vergessen, die immer wieder gerne als Begründung für sämtliche Gräueltaten dieser Welt angeführte Biografie mit der besonderes schweren Kindheit. Alles wichtige Themen, keine Frage, jedes eine eigene Geschichte wert, aber viel zu viele, um sie alle in einen Tatort zu packen. Obendrein gab es noch eine gehörige Portion Geschichte aus den Bereichen Religion und DDR. Das Hauptthema, auf das sich auch der ungewöhnliche Titel bezieht, ging in diesem Wust naturgemäß nur grob angeschnittener Problemfelder völlig unter. Der Kern der Geschichte lag in einem nichtvollstreckten Todesurteil eines über 80-jährigen DDR-Richters (großartig gespielt von Otto Mellies) für einen Dreifachmörder. Der Täter nämlich lebte – nach einer Amnestie im Zuge der Wende – tatsächlich weiter, anonym und für Jahrzehnte unerkannt in einer Berliner Hochhaussiedlung – Tür an Tür mit Kommissar Karow.

Etwas unglaubwürdig war es schon, dass ein Hauptkommissar der Berliner Polizei in einem solchen Umfeld unmenschlicher Wohnmaschinen leben soll. Ebenfalls wenig glaubwürdig wurde dem Zuschauer eine blutjunge Staatsanwältin (Lisa Hrdina) auf der Durchreise vorgeführt, eine noch sehr mädchenhafte Frau, die wohl kaum bereits beide juristische Staatsexamen absolviert haben konnte, eine glatte Fehlbesetzung. Karow wiederum zeigte sich diesmal weniger impulsiv, dafür aber recht oberlehrerhaft mit leichtem Hang zur Theatralik, während seine Kollegin Rubin schon Ausschau nach neuen Ufern hielt, bekanntlich verlässt Meret Becker den Tatort. Und in diesem Zusammenhang bekam der Zuschauer zu guter Letzt auch noch ein bisschen Nachhilfe in Sachen Integration! Bildungsauftrag erfüllt, oberflächlich zwar, dafür aber allumfassend und äußerst gebührensparend in nur einem einzigen Tatort. Kann man mögen, muss man aber nicht! /sis  

Nina Rubin (Meret Becker) überrascht Karow (Mark Waschke) in einem Moment der Einsamkeit und Trauer. (Foto: rbb/Marcus Glahn)

 

Ein guter Krimi kommt auch ohne Gewalt aus

Ein guter Krimi kommt auch ohne Gewalt aus
Kritik zum Tatort Münster „Lakritz“
ARD/WDR Tatort “Lakritz”: Riecht verdächtig? Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, l) und Frank Thiel (Axel Prahl, r) untersuchen eine Dose Lakritz im Haus des Opfers. (Foto: WDR/Willi Weber)
Silke Haller (ChrisTine Urspruch, l) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers, r) sind sich einig: Das Todesopfer, Marktmeister Wagner riecht nach tödlicher Blausäure. (Foto: WDR/Willi Weber)

Das war endlich wieder ein Tatort, wie ihn sich Krimifreunde wünschen. Münster mit dem unvergleichlichen Ermittlerduo Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Gerichtsmediziner Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) ist in der Tatort-Reihe immer ein Garant für Erfolg und so enttäuschte auch die neueste Folge mit dem Titel „Lakritz“ nicht. Vielmehr verwob Drehbuchautor Thorsten Wettcke lehrbuchmäßig anfangs scheinbar zusammenhanglose Erzählstränge am Ende zu einer dichten, gut nachvollziehbaren Geschichte, die nur zwei Fragen offen ließ: Wie kam der Täter an das tödlich Gift und wie konnte er die Lakritze des Konkurrenten in der Wohnung des Opfers mit dem Gift präparieren? Das war die einzige Schwäche dieses Tatorts, der wie immer aus Münster mit sehr viel niveauvollem Humor daherkam. Es ging nur um die Geschichte, die keinerlei Spezialeffekte benötigte, keine Gewalt, keine Schießereien, ja sogar die sonst obligate Verfolgungsjagd konnte entfallen. Einfach großartig. Es gab zwar nicht viel Spannung, dafür aber konnte der Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute mitraten, wer denn nun den Marktmeister Wagner getötet hatte, wobei noch lobend zu erwähnen wäre, dass der wahre Täter bereits früh in die Geschichte eingeführt und bis zum Schluss geschickt getarnt wurde. Das ist Krimi, wie man ihn öfter sehen möchte. Auch ein paar Überraschungen hatte die Geschichte, die Teile aus Professor Boernes Jugend in Rückblenden erzählte, zu bieten. So kam Thiel plötzlich als Gesundheitsapostel daher, verbat sich sämtliche Schlemmereien und entwickelte sogar sportliche Ambitionen. Thiel war joggen – ob die Erdbebenwarte da wohl leichte bis mittelschwere Erschütterungen registriert hat? Natürlich hielt die Phase nicht lange an, am Ende des Films schwenkte Thiel wieder genüßlich eine Wurst und Boerne kam mit einer Flasche edlen Rotweins daher. Neu aber waren die teils innigen Freundschaftsbekundungen der sonst eher von einander genervten Paarung. Eine weitere Überraschung war Boernes plötzlicher Anfall von heftiger Zuneigung für seine „kleine“ Assistentin Alberich alias Silke Haller (ChrisTine Ursprung) und Staatsanwältin Klemms (Mechthild Großmanns) nicht ganz legales Verlangen, kompromittierendes Material namhafter Münsteraner Bürger in ihrem privaten Archiv aufzubewahren. Ausgerechnet die sonst so untadelige Staatsanwältin. Eine weitere angenehme Überraschung war die Rückkehr von Thiels Assistentin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter), die in der letzten Folge aus Münster schmerzlich vermisst worden war. Und zuguter letzt überraschte auch Thiels “Vaddern” Herbert (Claus D. Clausnitzer) in dieser Geschichte mit seiner persönlichen Weiterentwicklung vom gewöhnlichen “Kiffer” zum selbsternannten “Schamanen”. Köstlich!

Das Team aus Münster hat auch mit der neuesten Folge bewiesen, dass der Tatort gar keine filmischen Experimente braucht, dass Krimi und Humor durchaus zusammenpassen, solange die Komik in pointierte Dialoge eingebettet ist und nicht nur groben Klamauk referiert. Und dieser Tator unter der Regie von Randa Chahoud hat eindrucksvoll bewiesen, dass ein guter Krimi auch ganz ohne Gewalt auskommen kann. Weiter so! /sis

Stöbern im Keller nach Spuren aus Boernes Kinderheit: Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) und Frank Thiel (Axel Prahl) wühlen sich durch alte Kisten. (Foto: WDR/Willi Weber)

Aggressiver Flückiger wirkt fehl am Platz

Aggressiver Flückiger wirkt fehl am Platz
Kritik zum Tatort Luzern „Der Elefant im Raum“
ARD Degeto Tatort “Der Elefant im Raum”: Kein Ausweg für Reto Flückiger (Stefan Gubser)? (Foto: ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler)
Liz Ritschard (Delia Mayer) und das SEK im Einsatz. (Foto: ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler)

So ganz verständlich war er nicht, der letzte Tatort aus Luzern mit Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer). Was denn nun der „Elefant im Raum“ gewesen sein soll, wurde ebenso wenig klar, wie Flückigers plötzliche Aggressivität, von der in den bisherigen Tatorten aus Luzern nichts zu bemerken war. Im Gegenteil, Reto Flückiger zeigte sich bislang immer als ein eher ruhiger besonnener Kommissar. In seinem letzten Fall aber schlug er von Anfang an und nicht immer nachvollziehbar wild um sich, am liebsten auf den Pseudojournalisten Frédéric Roux (Fabian Krüger), der recht klischeehaft die Zunft der Schreiberlinge als wahre Schmeißfliegen repräsentierte. Schemenhaft ging es weiter, die üblen Verquickungen von Rüstungsindustrie und Politik kamen zur Sprache, die mögliche Beteiligung höchster Polizeikreise, die begründete Angst der kleinen Leute abgehängt zu werden und die bittere Erkenntnis, sowie nie eine Chance auf Aufstieg gehabt zu haben. Schlicht und einfach zu viel für 90 Minuten Film und so erlebte der Zuschauer eine nur grobe Skizzierung der angesprochenen Themen, die wenig bis gar nicht zu überzeugen wusste. Liz Ritschard ging diesmal recht verschnupft gleich ihre eigenen Wege in weiser Voraussicht auf das absehbare Finale, nämlich Flückigers Abgang in Verbindung mit ihrer Beförderung.

Abgesehen von ein paar schönen Bildern vom Vierwaldstättersee hatte dieser Tatort nichts zu bieten. Die Geschichte von Felix Benesch und Mats Frey plätscherte vor sich hin, ließ jedwede Höhe- und Tiefpunkte vermissen und wusste die Zuschauer in keiner Phase wirklich mitzureißen. Selbst Flückigers heldenhafter Einsatz zum Schluss mit der gewaltigen Explosion konnte den doch eher langweiligen Tatort nicht mehr retten. Und wie schon so oft litt auch der letzte Tatort aus Luzern wieder an einer erschreckend schlechten Synchronisierung. /sis

Reto Flückiger (Stefan Gubser, re.) unter steter Beobachtung von Frédéric Roux (Fabian Krüger), einem aggressiven News-Portal-Betreibers. (Foto: ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler)

Typisch “Murot” – alles, nur kein “Tatort”

Typisch “Murot” – alles, nur kein “Tatort”
Kritik zum Tatort „Angriff auf Wache 08“
ARD/HR Tatort “Angriff auf Wache 08”: (v.l.n.r.) Walter Brenner (Peter Kurth) und Felix Murot (Ulrich Tukur) sind alte Freunde. Bei ihrem Treffen in der “Wache 08” tauchen die Justizvollzugsbeamten Frank (Andreas Schröders) und Jörg (Jörn Hentschel) auf, die durch eine Panne ihres Gefangenentransporters zufällig in der Wache gestrandet sind. (Foto: HR/Bettina Müller)
Kurz nachdem Felix Murot (Ulrich Tukur) bei seinem Freund angekommen ist, bricht die Hölle los. (Foto: HR/Bettina Müller)

Ein Tatort mit dem eigentlich großartigen Ulrich Tukur in der Rolle des LKA-Hauptkommissars Felix Murot ist in der Regel alles, nur kein Tatort. Das weiß man inzwischen. Auch bekannt ist, dass gerne mal groß geballert wird mit und um Murot und, dass die Geschichten reine Fantasy-Erzählungen sind, die weder mit der Realität noch mit Logik etwas zu tun haben. Unter diesen Voraussetzungen kann man die Murot-Tatorte mögen oder aber auch nicht. Genauso verhält es sich auch mit der neuesten Murot-Geschichte mit dem Titel “Angriff auf Wache 08” aus der Feder von Clemens Meyer und Thomas Stuber, nur dass diesmal mehr als üblich übertrieben wurde, in jeder Hinsicht. Der ganze Film bestand aus eine einzigen Ballerei, ohne jeden Sinn und Verstand. Vier Familienmitglieder eines scheinbar kriminellen Clans begeben sich anfänglich auf einen Rachefeldzug, doch im Verlaufe der Geschichte werden es immer mehr bis an die Zähne bewaffnete Angreifer, deren Herkunft am Ende genauso fraglich bleibt, wie die Tatsache, dass ein Gefangenentransport mit Schwerstkriminellen von niemandem vermisst wurde und warum eigentlich der Eisverkäufer sterben musste. Was hatte das alles mit der Sonnenfinsternis zu tun und wieso hatten es die Angreifer auf eine Wache abgesehen, die nur noch als Museum diente? Überhaupt gab es viel zu viele Tote, aber keinen Mord, es gab endlose Schießereien aber keinen greifbaren Täter mit einem verständlichen Motiv. Selbst Murots Assistentin Magda Wächter (Barbara Philipp) war in dieser Folge nur Beiwerk, sie marschierte erst kurz vor Schluss mitten im Showdown ganz alleine in die unter schwerem Beschuss liegende Wache 08, die wenig später nach einer gigantischen Explosion in einem Flammenmeer versank, während Wächter wie von Geisterhand unversehrt neben Murot und den letzten Überlebenden – Verkehrspolizistin Cynthia Roth (Christina Große), Serienmörder Kermann (Thomas Schmauser) und die Tochter des wohl auch eher zufällig erschossenen Arztes, Jenny Sibelius (Paula Hartmann) – auf der grünen Wiese weit weg vom Ort des Geschehens wieder auftauchte.

Wie gesagt, alles nicht verständlich, die gesamte Story eigentlich nicht viel mehr als eine Aneinanderreihung von längst bekannten Filmszenen, eine wilde Mischung aus „Stirb langsam“, „MacGyver“ und einer gehörigen Portion Wilder Westen. Nicht unbedingt schlecht, aber eben kein Tatort und schon gar kein Krimi. Warum solche Filme im Rahmen der Tatort-Reihe laufen müssen, bleibt das Geheimnis der Macher. Wird hier der Klasseschauspieler Ulrich Tukur als Zugpferd missbraucht? Für Freunde ungezügelter Ballerei in Verbindung mit lockeren Sprüchen aus der Mottenkiste klassischer amerikanischer Thriller und Western mag der Film unterhaltsam gewesen sein, für Liebhaber klug konstruierter Kriminalfälle mit einer Prise gern morbiden Humors und ebenso cleveren wie sympathischen Kommissaren war es einfach nur wieder Zeitverschwendung. Und noch ein Gedanken bleibt nach diesem an Brutalität kaum zu überbietenden Tatort: Die gerade in den letzten Wochen vielbeschworene Radikalisierung vieler junger Menschen kann offenbar nicht nur an Ballerspielen festgemacht werden. Auch Filme wie dieser, die die kranke Lust am Schießen und Töten so hemmungslos zelebrieren, tragen ihren Teil dazu bei. Und das auch noch finanziert durch die Gebühren der Fernsehzuschauer. Übel, ganz übel! /sis

Felix Murot (Ulrich Tukur, li.) holt Jenny Sibelius (Paula Hartmann) weg vom Serienkiller Kermann (Thomas Schmauser). (Foto: HR/Bettina Müller)

Endlich wieder ein gelungener Krimiabend

Endlich wieder ein gelungener Krimiabend
Kritik zum Polizeiruf 110 aus Rostock „Dunkler Zwilling“
ARD/NDR Polizeiruf 110 “Dunkler Zwilling”: Die Kommissare König (Anneke Kim Sarnau) und Bukow (Charly Hübner) suchen einen Serienmörder. Sie gehen jeder Spur nach. (Foto: NDR/Christine Schroeder)
Alexander Bukow (Charly Hübner) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau) schauen sich einen Tatort an. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Das war endlich wieder einmal ein gelungener Krimiabend in der ARD. Die Polizeiruf 110-Folge mit dem Titel „Dunkler Zwilling“ war tatsächlich ein klassischer Krimi mit viel Spannung und Dynamik, so wie man sich das als echter Krimifreund wünscht. Die Rostocker Kommissare Alexander Bukow (Charly Hübner) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau) zogen die Zuschauer aber nicht nur mit ihrem außergewöhnlichen Fall einer Mordserie in ihren Bann, sondern auch mit der unausgesprochenen Anziehungskraft, die zwischen den beiden herrscht. Bleibt zu hoffen, dass die Macher des Rostocker Polizeirufs diese Kraft nicht durch eine billige Romanze zerstören. Denn es ist gerade die offensichtliche Zuneigung, die das Duo so interessant macht. Ständig steht die Frage im Raum, was denn wohl als nächstes passiert, wenn die beiden sich begegnen. Drehbuchautor und Regisseur Damir Lukacevic hat in der Folge „Dunkler Zwilling“ geschickt mit dieser Anziehungskraft gespielt, etwa wenn er Bukow klar zum Ausdruck bringen lässt, dass er König nicht mehr trauen kann, er ihr aber dennoch bei jeder Gelegenheit seine starke Schulter zum Anlehnen bietet oder ihre Nähe sucht. Zu dunkel ist aber die gemeinsame Vergangenheit.

Recht dunkel war auch die Vergangenheit eines der beiden Verdächtigen. Sechs Morde soll der Unternehmer Kern (Simon Schwarz) begangenen haben, sechs grausige Morde verbunden mit kranken Ritualen. Geschickt führte er Bukow und König an der Nase herum, die sich auf Kerns Tochter Marla (Emilia Nöth) konzentrierten und ihr eine Mitschuld einräumten, sollte sie tatsächlich ihren Vater decken. Neben der spannenden Geschichte um die Morde und deren Aufklärung war es genau der Aspekt der Mitschuld, den dieser Polizeiruf geschickt in den Mittelpunkt rückte. Was heißt es wirklich für eine Familie, wenn der Vater sich als Monster entpuppt, wie trifft es das persönliche Umfeld und den Alltag? Das alles wurde in diesem Polizeiruf thematisiert und großartig in Szene gesetzt.  

Und doch gibt es auch kleinere Kritikpunkte. So war das Motiv für den Serienmörder etwas dürftig. Auch wurde nicht hinreichend geklärt, was es mit den grausigen Ritualen auf sich hatte. Und auch Katrin Königs anfängliche Wortfindungsstörungen erfuhren am Ende leider keine plausible Aufklärung. Das sind aber vergleichsweise unbedeutende Mängel angesichts der außergewöhnlichen Geschichte, die den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute in Atem hielt und der durchweg großartigen Leistung der Schauspieler, allen voran Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner. /sis

Zwischen Alexander Bukow (Charly Hübner) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau) knistert es gewaltig. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Unglaubliche Zumutung für die Zuschauer

Unglaubliche Zumutung für die Zuschauer
Kritik zum Tatort Stuttgart „Hüter der Schwelle“
ARD/SWR Tatort “Hüter der Schwelle: Sebastian Bootz (Felix Klare, li.) und Thorsten Lannert (Richy Müller) treffen am hoch gelegenen Tatort ein. (Foto: SWR/Benoît Lindner)
Lannert und Bootz  wissen nicht, was sie im Keller ihres Hauptverdächtigen erwartet. (Foto: SWR/Benoît Lindner)

Wirr, unverständlich, lächerlich, unsinnig, man findet gar keine passenden Worte, um den neuen Tatort aus Stuttgart mit dem Titel „Hüter der Schwelle“ hinreichend zu beschreiben. Schwachsinn trifft es – leider einmal mehr – am ehesten. Opfer und sämtliche potenziellen Täter waren reif für die Klapsmühle, der Film eine einzige Zumutung für die Zuschauer. Keine Dynamik, keine Spannung, keine nachvollziehbare Handlung, einfach sinnlos aneinander gereihte Szenen dafür aber von einer ungeheuren Brutalität. Tatsächlich gab es auch für die an sich sehr beliebten Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) nichts zu ermitteln, sie stolperten durch die Geschichte, ohne irgendwelche Erkenntnisse zu gewinnen, unterbrochen von zwischen den Szenen aufblitzenden Bildern aus längst vergessenen Zeiten. Die letzte Viertelstunde war denn auch nötig, um die Geschehnisse rund um das Opfer Marcel Richter (Max Breitschneider, eine schöne Leiche!), dessen ziemlich gestörte Mutter Heide Richter (Victoria Trauttmansdorff, sonst eher als Serien-Pathologin bekannt), den „Hüter der Schwelle“ und besessenen Magier Emil Luxinger (André M. Hennicke) und die von Bootz umschwärmte selbsternannte Hexe Diana Jäger (Saskia Rosendahl) aufzuklären. Aber selbst mit den am Ende in viel zu ausführlichen Rückblenden erzählten Ereignissen, die zum Tod von Marcel Richter geführt hatten, ergab die Geschichte keinen Sinn. Und dann entpuppte sich der Mord auch noch als makabre Selbsthinrichtung. Die Kommissare standen mit leeren Händen da. Ein Unding für einen guten Krimi!

Aber als Krimi lässt sich dieser Streifen ohnehin nicht einordnen, nicht einmal als Horrorfilm oder Psychothriller. Das war ganz einfach gar nichts. Natürlich gibt es mehr zwischen Himmel und Erde als der Mensch gemeinhin annimmt. Und natürlich existieren die gezeigten und andere okkulte Kreise in unserer Gesellschaft. Auch sind dem Wahnsinn sicher keine Grenzen gesetzt. Was Drehbuchautor Michael Glasauer und Regisseur Piotr J. Lewandowski dem Publikum mit diesem Film unter der Marke „Tatort“ allerdings zumuteten, war an Absurdität kaum zu überbieten. Einmal ganz abgesehen davon, dass der Zuschauer mit seinen Gebühren die Produktion solcher Filme finanzieren muss, fragt man sich doch, wie lange so renommierte Schauspieler wie Richy Müller und Sebastian Bootz sich noch für einer derartigen Unsinn hergeben! /sis

Bootz lässt sich auf einen für den Fortgang der Geschichte völlig unnötigen, ungemein brutalen Kampf ein. (Foto: SWR/Benoît Lindner)

Überraschend anders

Überraschend anders
Kritik zum Tatort Weimar „Die harte Kern“
ARD/MDR Tatort Weimar “Die harte Kern”: Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner) sind tatverdächtig und müssen vor ihren Kollegen fliehen. (Foto: MDR/Wiedemann&Berg/Stephanie Kulbach)
Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner) können nicht fassen, dass Stich (Thorsten Merten) zu Eva Kern (Nina Proll) hält. (Foto: MDR/Wiedemann&Berg/Stephanie Kulbach)

Überraschend anders präsentierte sich der Tatort Weimar mit dem Titel „Die harte Kern“. Statt der zu erwartenden Slapstickkomödie mit den Kriminalhauptkommissaren Kira Dorn (Nora Tschirner) und dem immer noch vornamenlosen Lessing (Christian Ulmen) war die Folge ein spannender Krimi mit einer außergewöhnlichen Geschichte und klugem Humor. Es gibt ihn also doch noch, den Tatort, der Spannung mit Spaß zu vereinen weiß. Zum ersten Mal nahmen Dorn und Lessing einen Fall ernst, vielleicht auch nur, weil sie persönlich betroffen waren. Irgendwer versuchte Lessing den Mord an dem Schrotthändler Harald Knopp (Heiko Pinkowski) und Kira Dorn einen Mordversuch an Rainer Falk (Jan Messutat), der Knopp in einem Mordprozess völlig überraschend ein Alibi gegeben hatte und damit einen Schuldspruch verhinderte, anzuhängen. Hier kam dann auch die Sonderermittlerin Eva Kern (Nina Proll) ins Spiel, die sich als beinharte Karrierefrau nicht von Lessings Unschuld überzeugen lassen wollte und ihn unter Mordverdacht in Untersuchungshaft steckte – zwar in einer Ausnüchterungszelle, aber immerhin. Lessing saß ein, Dorn musste den Fall weitgehend alleine aufklären, im eigenen Interesse, wollte sie ihren Ehemann doch bei der Geburtstagsparty des gemeinsamen Sohnes an ihrer Seite wissen und sei es auch nur zum Aufräumen. Grund genug also, die Ermittlungen etwas ernsthafter als für den Weimarer Tatort üblich anzugehen. Ein spannendes Katz- und Mausspiel rund um die verschwundene, millionenschwere Statue der “Göttin des Unheils” begann, in dem sich Kommissariatsleiter Kurt Stich (Thorsten Merten) im Zweifel hinter die Sonderermittlerin und nicht seine Kommissare stellte und Streifenhörnchen Lupo (Arndt Schwering-Sohnrey) mehr mit seiner neuen großen Liebe als mit dem Fall beschäftigt war. Die Auflösung kam etwas plötzlich und die Täterin war wieder Katharina Marie Schubert in diesem Fall in der Rolle der Hannah Knopp, der geldgierigen Schwägerin des Opfers. Nach Schuberts Auftritten als mörderische Altenpflegerin im Tatort Stuttgart und schussfeste Unternehmergattin im Tatort Frankfurt spielte sie in diesem Tatort zum dritten Mal in diesem Jahr die Täterin – etwas zu viel des Guten, zumal die drei Täterfiguren sich nicht wirklich von einander unterschieden.

Abgesehen davon war das der erste Tatort aus Weimar, der den Namen Krimi verdient. Die kurzweilige und von Regisseurin Helena Hufnagel durchdacht in Szene gesetzte Geschichte aus der Feder der Drehbuchautoren Sebastian Kutscher und Deniz Yildizr wusste durchweg zu überzeugen. Und die neue Ernsthaftigkeit steht dem sonst so komödiantischen Ermittlerduo Dorn und Lessing ausgesprochen gut. So darf es im Tatort aus Weimar gerne weitergehen! /sis

Kira Dorn (Nora Tschirner) verspricht Lessing (Christian Ulmen) aus der U-Haft zu holen. (Foto: MDR/Wiedemann&Berg/Stephanie Kulbach)

Jetzt ermittelt Bessie mit Dick und Doof

Jetzt ermittelt Bessie mit Dick und Doof
Kritik zum Polizeiruf 110 München „Der Ort, von dem die Wolken kommen“
Polizeiruf 110 “Der Ort, von dem die Wolken kommen”: Polou (Dennis Doms) wird verwahrlost am Isarufer aufgefunden. (Foto:  BR/Roxy Film/Hendrik Heiden)

Ein neues Team war dem Publikum nach dem Ausstieg von Matthias Brandt als Hanns von Meuffels versprochen worden. Ein neues Team, von dem man sich neuen Elan, neue Ideen und neue Impulse für den Polizeiruf aus München erhofft hatte. Doch was die Zuschauer in der Auftaktfolge über sich ergehen lassen mussten, war an Schwachsinn nicht zu überbieten. Die neue „Ermittlerin“ des Polizeirufs aus München ist eine unreife Streifenpolizistin namens Elisabeth genannt Bessie Eyckhoff (Verena Altenberger), zwar mit viel Herz, aber wenig Verstand. Ihr zur Seite stehen der dauergeile Wolfgang „Wolfi“ Maurer (Andreas Bittl) und Cem Halac (Cam Lukas Yeginer), Bessies verfressener Halbbruder mit einer gehörigen Portion Übergewicht, die im Streifendienst wohl eher hinderlich sein dürfte. Angeleitet werden Bessie und “Dick und Doof” von Kriminalhauptkommissar Christian Strasser (Norman Hacker), der aber mehr an Bessies Beförderung interessiert ist, als an der Aufklärung des Falles. Ein zugegeben außergewöhnlicher, aber dennoch nicht neuer Fall: Wo kommt der verwahrlost an der Isar aufgefundene Junge Polou (großartiger Dennis Doms) her, was hat er erlebt und sind noch mehr Kinder in Gefahr? Einen Mord gibt es nur am Rande, das Motiv für die Isolation und Misshandlungen der Kinder wird ebenso wenig klar, wie der Fortgang der Ermittlungen. Denn Bessie löst ihren Fall ganz allein vom bequemen Sessel aus – in Doppelhypnose marschiert sie zusammen mit Polou in das Horrorhaus und rettet zwei weitere Kinder und das alles, ohne den leerstehenden, eher gruseligen Krankenhausflügel auch nur zu verlassen. Für Polou nimmt die von der ehrgeizigen Psychologin Dr. Kutay (Katja Bürkle) rücksichtslos durchgeführte Hypnosetherapie ein dramatisches Ende. Und auch die beteiligte Jugendbeamtin hat eher ihre eigenen Interessen als das Wohl der Kinder im Sinn.

Mit Krimi hatte dieser Polizeiruf der Drehbuchautoren Thomas Korte und Michael Proehl unter der Regie von Florian Schwarz wieder einmal gar nichts zu tun. Als Psychothriller könnte er gerade noch durchgehen, wäre da nicht so viel Unrealistisches im Spiel. Polizeioberkommissarin Bessie ermittelt in Trance, immer zwischen Wirklichkeit und Traum. Das mag für Freunde dieses Genres interessant sein, für echte Krimifreunde aber war es verlorene Zeit. /sis

Unterhaltsame Geschichte mit albernem Ende

Unterhaltsame Geschichte mit albernem Ende
Kritik zum Tatort Ludwigshafen “Maleficius”
ARD/SWR Tatort “Maleficius”: In der Autowerkstatt erhoffen sich Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) Auskünfte über den verschwundenen Rollstuhlfahrer. (Foto: SWR/Sabine Hackenberg)
Zum zweiten Mal in kurzer Zeit sammeln Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) Spuren am Rhein. Diesmal hat der Fluss die Leiche der Ärztin Marie Anzell (Jana Voosen) angeschwemmt. (Foto: SWR/Sabine Hackenberg)

„Maleficus“ kommt aus dem Lateinischen und heißt „bösartig, gottlos“ – und genau das sollte der neue Tatort aus Ludwigshafen dem Publikum wohl vorstellen, wie gottlos und bösartig Menschen sein können. Im konkreten Fall war es ein Wissenschaftler, der in Menschenversuchen eine Verbindung von Künstlicher Intelligenz und menschlichem Gehirn erprobte, dabei aber kläglich scheiterte. Denn das Ergebnis seiner Bemühungen, das dem Zuschauer am Ende des Films „Maleficius“ mit den Kommissarinnen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) vorgestellt wurde, war nicht mehr als ein äußerst lächerlicher Terminatorverschnitt, eine jämmerlich-wackelige Figur, die sich dank überdimensionierter Maschinenteile gerade mal so auf den Beinen halten konnte. Ob das den besonderen Humor dieses Tatorts unterstreichen sollte, darf bezweifelt werden. Es raubte der an sich guten Geschichte mit einem sehr interessanten, weil ethisch und moralisch äußerst umstrittenen Thema, die Glaubwürdigkeit. Es war ganz einfach albern, wie auch Professor Bordauer selbst, denn anders als man von einem ernsthaften Wissenschaftler mit Nobelpreis-Ambitionen erwarten sollte, präsentierte sich Sebastian Bezzel, ehedem Kai Perlmann im Konstanzer Tatort, schlicht als Witzfigur mit Dreitage-Bart im abgetragenen T-Shirt. Bezzel war hier definitiv die falsche Besetzung. Ihm und seiner eiskalten Assistentin standen am Ende nicht nur die Kommissarinnen gegenüber, sondern eine intellektuell minderbemittelte Gruppe passionierter Autoschrauber unter Führung von Ali Kaymaz (Gregor Bloéb), die mit schierer Muskelkraft den Professor und seine monströse Maschine zu Fall brachten. Herrlich! Wenig professionell aber verhielt sich die doch so diensterfahrene Lena Odenthal am Fundort der toten Ärztin: Sie zieht Handschuhe über, fasst sich dann an die Nase und greift anschließend nach der Hand der Leiche! Wieder der besondere Humor der Folge, oder Test der Aufmerksamkeit der Zuschauer? Oder doch einfach nur Oberflächlichkeit von Ulrike Folkerts und Regisseur Tom Bohn?

Unterhaltsam war dieser Tatort, daran besteht kein Zweifel. Die wissenschaftlichen Aspekte und vor allen Dingen den Professor hätte man sich seriöser gewünscht. Das Ende war leider völlig daneben. Dafür entschädigten aber die religiösen Anregungen, die der großartige Heinz Hoenig in der Rolle des Pfarrers Ellig den Zuschauern mit in die Nacht gab. Er verlangte mehr Demut vor der Schöpfung und kämpfte geschickt gegen den Teufel. Das brachte sogar die so taffe Lena Odenthal ins Grübeln. /sis

Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) will auf keinen Fall von Profesoor Bordauer (Sebastian Bezzel) und seiner Assistentin Malina (Dominique Chiout) beim Spionieren ertappt werden. (Foto: SWR/Sabine Hackenberg)

Auf der Jagd nach “Lachern”

Auf der Jagd nach “Lachern”
Kritik zum Tatort Frankfurt „Falscher Hase“
ARD/HR Tatort “Falscher Hase”: Paul Brix (Wolfram Koch, li.), Anna Janneke (Margarita Broich) und Staatsanwalt Bachmann (Werner Wölbern), der, wie die Kommissare auch, nichts zum Fortgang der Geschichte beizutragen hatte, sondern seinerseits mit merkwürdigem Humor auf der Jagd nach “Lachern” war. (Foto: HR)
Paul Brix (Wolfram Koch) ärgert sich über die vorlaute Kriminaltechnikerin (Eva Meckbach) (Foto: HR/Bettina Müller)

Wer sich auf einen spannenden Tatort-Abend aus Frankfurt gefreut hatte, wurde einmal mehr enttäuscht. Der „Falsche Hase“ mit den Kommissaren Paul Brix (Wolfram Koch) und Anna Janneke (Margarita Broich) entpuppte sich als völlig überzeichnete Komödie mit im Mittelmaß stecken gebliebenen Kleinganoven, die sich gegenseitig die Beute eines Versicherungsbetruges abjagen wollten und bis auf die Haupttäterin alle mit einem schönen runden Loch im Kopf endeten. Die ohne Zusammenhang zur Geschichte aufgezeigte Brutalität – einem nicht im geringsten in die Geschehnisse verstrickten Mitarbeiter einer Feinkostfirma wurde der kleine Finger abgehakt (tricktechnisch sehr gut gemacht) –  ließ sich genauso wenig nachvollziehen, wie die überraschenden Schlussfolgerungen der Kommissare, die eigentlich nur eine bedeutungslose Nebenrolle spielten und wenig zum Fortgang der Geschichte beitrugen. Sogar einen Zeitsprung in der Videoaufzeichnung entdeckten sie erst am Ende der Geschichte, schlossen dann aber messerscharf auf die richtige Täterin, Revolver-Biggi, eine ebenfalls in jeder Hinsicht mittelmäßige Unternehmergattin  (Katharina Marie Schubert) mit einem einzigen Talent: als ehemalige Schützenkönigin legte sie jeden mit einem gezielten Schuss zwischen die Augen um, der sich ihr und ihrem Mann Hajo (Peter Trabner) bei dem Versuch, die Versicherung zu betrügen, in den Weg stellte. Natürlich waren die Kommissare Biggis besonderem Talent nicht auf die Spur gekommen, wie es eigentlich im Zuge engagierter Ermittlung zu erwarten gewesen wäre, nein, sie ließen sich von ihrer kleinbürgerlichen Fassade und ihrem besonders leckeren „falschen Hasen“ täuschen. So taff  und unerbittlich Biggi im Laufe der Geschichte auch gewesen sein mag, zum Schluss gestand sie völlig ohne Not, bereitete damit aber der gähnenden Langeweile ein erlösendes Ende. Schon rein optisch war die Geschichte in den 80er Jahren stecken geblieben und die Kommissare überzeugten nicht etwa durch kluge Ermittlungsarbeit, sondern sie stolperten einfach über die Leichen, ohne auch nur einen Schritt weiterzukommen.

Wenn der Täter schon von Anfang an bekannt ist, dann sollte wenigstens eine spannende Jagd im Mittelpunkt eines Krimis stehen. Aber davon war der neue Tatort aus Frankfurt aus der Feder von Emily Atef, die auch Regie führte, und Lars Hubrich meilenweit entfernt. Schwarzer Humor ist ganz gewiss nicht verkehrt in einem guten Krimi, das beweisen britische Krimis mehr als eindrucksvoll. Nur Klamauk indes ist einfach zur wenig! Schade für die Schauspieler, schade für die gelangweilten Zuschauer und besonders schade für die Marke “Tatort”, die immer mehr zu einer beliebigen Filmreihe mutiert. Mit Wehmut denkt man an frühere Zeiten, als jeder Tatort noch für atemlose Spannung von der ersten bis zur letzten Minute sorgte – und der Humor dabei trotzdem nicht zu kurz kam. /sis

Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) beobachten und warten, viel mehr hatten sie in diesem Tatort auch nicht zu tun. (Foto: HR/Bettina Müller)

Viel zu viel Hass im Spiel

Viel zu viel Hass im Spiel
Kritik zum Polizeiruf 110 “Heimatliebe”
ARD/RBB Polizeiruf 110 “Heimatliebe”: Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski (Maria Simon) und Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) durchsuchen das Haus eines verdächtigen polnischen Geschäftsmannes. (Foto: RBB/Oliver Feist)

Eine merkwürdige Form von Heimatliebe zeigte der Polizeiruf 110 aus dem deutsch-polnischen Grenzbereich um Frankfurt (Oder): Auf der einen Seite rechtsradikale Polen, die Deutsche abgrundtief hassen und alles tun, um den Verkauf von ihrem Land an wen auch immer zu verhindern. Und auf der anderen Seite eine Handvoll Deutsche, die sich keinesfalls in die bundesdeutsche Ordnung und deren Ländergrenzen einfügen wollen. Wieder einmal wurden also Reichsbürger thematisiert, man kann es fast schon nicht mehr hören! Das alles wurde in einer äußerst deftigen Sprache vorgetragen, die polnisch nicht besser klingt als deutsch. An dieser Stelle fällt einem der Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein verbunden mit der allseits beklagten „hate speech“ – die ARD machts vor! Auch das gnadenlose Geballer am Ende der an sich klugen Geschichte spiegelte den Zeitgeist. Leider! Die Story aus der Feder des Regisseurs und Drehbuchautors Christian Bach wäre auch mit weniger Hass gut ausgekommen.

Harsche Worte fielen sogar zwischen den beiden Kriminalhauptkommissaren Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz), die die Ermittlungen dafür aber gemächlicher angingen, ja sogar eine gewisse Unlust an den Tag legten. Sie gipfelte in Lenskis Bemerkung mitten im finalen Kugelhagel „einfach nach Hause zu gehen“. Und dass, obwohl ein alter Bekannter Lenskis, Roland Seedow (Hanns Zischler), aufgetaucht war und offensichtlich mit Reichsbürger Bernd Emil Jaschke (Waldemar Kobus) sympathisierte. Dazu gab es noch die deutsche Jenny Sekula (Anna König), die den polnischen Hofbesitzer Wojciech Sekula (Grzegorz Stosz) übers Internet kennengelernt und geheiratet hatte und gleich nach dessen Ermordung recht skrupellos ihr Erbe einforderte. Zwischen all diesen Fronten versuchte Sekulas Sohn Tomasz (Joshio Marlon) seine „Heimat“ verzweifelt zu erhalten, die ihm der ehemalige Besitzer Seedow durch einen Strohmann streitig machte. Und darum ging es im Kern, die ehemals adlige Großgrundbesitzerin Helena von Seedow-Winterfeld (Gudrun Ritter), nach dem Krieg enteignet, wollte ihren Besitz zurück und dafür war ihr, respektive ihrem Sohn Roland Seedow, jedes Mittel recht. Wie gesagt, eine an sich kluge Geschichte, die aber im Wirrwarr der Personen und politisch und menschlich gravierend unterschiedlichen Sichtweisen einfach unterging. Und wieder wurden am Ende zwar die Verantwortlichen benannt. Wer von den Reichsbürgern genau den Brand gelegt und Wojciech Sekula brutal erschlagen hatte, blieb indes der Fantasie der Zuschauer überlassen. /sis

Olga Lenski (Maria Simon) und Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz, re.) sichern Spuren nach dem tödlichen Übergriff auf den polnischen Bauern Wojciech Sekula (Grzegorz Stosz, li.). (Foto: RBB/Oliver Feist)

Kommissare auf Irrwegen

Kommissare auf Irrwegen
Kritik zum Tatort aus Dresden „Nemesis“
ARD/MDR Tatort “Nemesis”: Auf der Suche nach Nazarians Kreditkarte findet die Barkeeperin Lissy (Dena Abay) den ermordeten Joachim Benda in dessen Büro. Foto: MDR/W&B Television/Daniela Incoronato.
Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) haben den entscheidenden Beweis gefunden und sind auf dem Weg, um den Täter zu verhaften. Foto: MDR/W&B Television/Daniela Incoronato.

„Nemesis“ hieß der erste neue Tatort nach der Sommerpause mit dem ebenfalls noch neuen Dresdener Ermittlerduo Oberkommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczweski) und Oberkommissarin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel). Und der Titel war Programm, denn die Gattin des Mordopfers, Katharina Benda (Britta Hammelstein), entpuppte sich als wahre „Rachegöttin“. Nur leider verwies eben dieser Titel auch schon von Anfang an auf die Hintergründe der Tat und das nahm der Geschichte aus der Feder der Drehbuchautoren Mark Monheim und Stephan Wagner, der zugleich Regie führte, viel der möglichen Spannung. Und so zogen sich die Ermittlungen doch etwas in die Länge, die die Kommissarinnen erst einmal auf einen Irrweg ins Mafia-Milieu mit klassischer Schutzgelderpressung und Geldwäsche führten. Leider wurden in diesem Zusammenhang auch gleich wieder die alten Klischees von verdienten Polizisten bedient, die früher gerne einmal ein Auge zugedrückt haben. So soll Leonie Winklers Vater Otto Winkler (Uwe Preuß) eben solchen Geldwäschegeschäften einfach zugeschaut haben, was natürlich der Tochter überhaupt nicht schmecken wollte. Auch Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (großartiger Martin Brambach) hatte mit „Befangenheit“ zu kämpfen, entpuppte er sich doch als guter Freund und Vertrauter des Opfers und dessen rachsüchtiger Ehefrau. Dass sowohl Leonie Winkler als auch Chef Schnabel von den Ermittlungen hätten ausgeschlossen werden müssen, sei nur am Rande erwähnt. Spätestens als die Ermittlungen nur noch in Richtung Ehefrau des Opfers und deren beiden Söhne Valentin (Caspar Hoffmann) und Viktor (Juri Sam Winkler) wiesen, wäre das Aus für Schnabel angezeigt gewesen. Doch er glaubte hartnäckig an die Unschuld seiner Freundin Katharina Benda und legte seinem Team einige Steine in den Weg, bis es beim dann endlich auch spannenden, wenn auch etwas übertriebenen Finale keinen Zweifel mehr an ihrer Schuld gab.

Nicht hinweg sehen kann man über die Tatsache, dass Oberkommissarin Gorniak an der Seite ihrer neuen Kollegin eigentlich nur noch die zweite Geige spielt, ja fast schon zur Nebenfigur degradiert wird. Schade, mit Leonie Winklers Vorgängerin Hennie Sieland (Alwara Höfels) gab es zwar gelegentliche Reibereien, aber sie arbeiteten doch zumindest auf Augenhöhe. Bleibt zu hoffen, dass sich in den nächsten Folgen aus Dresden das Niveau des neuen Ermittlerduos wieder angleicht. /sis

Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) und Peter Schnabel (Martin Brambach) koordinieren die Einsatzkräfte am Einsatzort. Schnabel beschreibt der Feuerwehr die Lage. Foto: MDR/W&B Television/Daniela Incoronato

Müder Auftakt in die Krimisaison

Müder Auftakt in die Krimisaison
Kritik zum Polizeiruf 110 Magdeburg – Mörderische Dorfgemeinschaft
ARD/MDR Polizeiruf 110 “Mörderische Dorfgemeinschaft”: Die Kollegen Lemp (Felix Vörtler), Brasch (Claudia Michelsen) und Köhler (Matthias Matschke) starren auf die Überreste einer Hand. Foto: MDR/filmpool fiction/Stefan Erhardt
Auf einer einsamen Waldlichtung wurde ein verlassenes Auto mit Unmengen an Blut im Kofferraum gefunden. Brasch (Claudia Michelsen) und Köhler (Matthias Matschke) inspizieren den Fundort. Foto: MDR/filmpool fiction/Stefan Erhardt

Wenn man während eines Krimis immer mal wieder kurz wegdämmert, dann ist das nicht unbedingt ein Zeichen für Spannung und Dynamik. Und so war denn auch der Auftakt in die neue ARD-Krimisaison mit dem Polizeiruf 110 „Mörderische Dorfgemeinschaft“ einfach nur langweilig. Daran änderten auch die recht unromantischen, harten Sexszenen nichts, die der Zuschauer über sich ergehen lassen musste. Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) und Hauptkommissar Dirk Köhler (Matthias Matschke) untersuchten einen Mord ohne Leiche in einem abgeschiedenen Dorf, dessen Bewohner, obwohl fast durchweg noch jüngeren Alters, irgendwo in grauer – oder besser gelber – Vergangenheit hängengeblieben waren. Ganz im Gegensatz zu Jurij Sergey Rehberg (Tambet Tuisk), der neu in diese skurrile Dorfgemeinschaft gekommen war und neben einem ausgeprägten Freiheitsdrang, was seine Liebschaften anbelangte, die Dorfbewohner auch geschickt auszunehmen wusste. Kein Mann zum Liebhaben – und so fand er auch ein grausiges Ende in diesem Dorf ohne hübsche Vorgärten und ganz ohne fröhlich spielende Kinder. Kein Ende fanden dagegen die Ermittlungen der beiden Magdeburger Hauptkommissare, die bis zum Schluss auch nicht den Hauch einer Ahnung hatten, wo denn nun die Leiche und wer als Jurijs Mörder zu verhaften war. Nur, dass das ganze Dorf dafür verantwortlich sein musste, war von Anfang an klar. Das verriet ja schon der Titel.

Selten hat man Doreen Brasch so unaufgeregt, fast schon gelangweilt gesehen. Bis auf eine Szene tat sie einfach ihre Arbeit, ohne laut zu werden, ohne anzuecken, ohne Konflikte mit Chef und Kollege Köhler. Eher seltsam mutete die Rolle von Matthias Matschke an, der das letzte Mal als Kommissar Köhler auf Mörderjagd ging. Auch sein Auftritt plätscherte so dahin, ohne große Höhepunkte, ohne würdigen Abschied. Schade, denn gerade er machte den Polizeiruf aus Magdeburg zu einer der besseren Krimis dieser Reihe. Man hätte ihm zum Ausstieg einen spektakulären Abgang gewünscht. /sis

Köhler (Matthias Matschke) befragt Werner (Hans-Uwe Bauer), dieser ist nicht gut auf Jurij zu sprechen. Seine Tochter Annette (Katharina Heyer) hört zu. Foto: MDR/filmpool fiction/Stefan Erhardt.

Zufrieden mit Mittelmaß?

Zufrieden mit Mittelmaß?
Kritik zum Tatort Luzern „Ausgezählt“
ARD Degeto Tatort “Ausgezählt”: Livebild vom Entführungsopfer: Delia Mayer als Liz Ritschard und Stefan Gubser als Reto Flückiger im Polizeirevier. Auf dem Monitor sieht man Tabea Buser als die entführte Martina Oberholzer. (Foto: ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler)
Verhaftung am Tatort: Der ehemalige Polizist Heinz Oberholzer (Peter Jecklin) lässt sich als Mörder verhaften. (Foto: ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler)

Als Krimifan bekommt man leicht den Eindruck, die Tatort-Macher geben sich neuerdings mit Mittelmaß zufrieden. Der neueste und zugleich vorletzte Tatort aus Luzern mit dem Titel „Ausgezählt“ jedenfalls war wiederum allenfalls Mittelmaß, sowohl von der Story als auch von der Ausführung her. Von der wirklich nervig schlechten Synchronisation ganz zu schweigen.

Dabei war die zugrunde liegende Geschichte der Drehbuchautoren Urs Bühler und Michael Herzig gar nicht so schlecht, auch wenn das Thema alles andere als neu war. Die Folgen von Doping, der schnellere körperliche Zerfall und die damit gesunkenen Überlebenschancen im Extremfall wurden sauber herausgearbeitet. Dann aber gab es – vermutlich um die 90 Minuten Sendezeit zu füllen – einfach zu viel Geschehen drum herum. Die Urkundenfälschung von Liz Ritschard (Delia Mayer), die einen Fehlversuch einfach gut sichtbar in einem Papierkorb entsorgt, damit das Corpus delicti auch ja von Partner Reto Flückiger (Stefan Gubser) gefunden wird, das Hinterherspionieren von Flückiger und das Aufdecken einer alten Geschichte, die Ritschard in Verbindung bringt mit dem vermeintlich Tatverdächtigen Heinz Oberholzer (Peter Jecklin). Das alles hätte man sich getrost schenken können, trug es doch nichts zum aktuellen Fall und der Suche nach der in einen Bunker eingesperrten Profiboxerin Martina Oberholzer (Tabea Buser) bei.

Überhaupt suchten die Ermittler eher im Schneckentempo nach der Entführten und das, obwohl das Opfer schon in kurzer Zeit zu verdursten drohte. Flückiger und Ritschard standen sehr viel vor dem großen Bildschirm, der Bilder vom Opfer in all seiner Pein live und ununterbrochen übertrug. Sie überlegten, planten, hinterfragten, spekulierten – mit Füßen auf dem Schreibtisch oder Zahnbürste im Mund. Die Brisanz der Suche konnten weder die beiden Ermittler noch der Rest des Teams an die Zuschauer weitergeben. Und selbst die Gefängnisszenen gestalteten sich eher langatmig. Für einen Drogenboss, der sein gesamtes Geschäft zu verlieren droht, gab sich Pius Küng (Pit-Arne Pietz) doch eher desinteressiert bis gelangweilt, da halfen auch die Prügelszenen nichts. Spannung wollte nicht aufkommen, nicht einmal Empathie für das Entführungsopfer und wer der wahre Täter war, konnte jeder Zuschauer ohnehin von Anfang an erahnen. Alles in allem eben einfach nur Mittelmaß! /sis

Belastender Fund in der Wohnung des Vaters der Boxerin: Reto Flückiger, Liz Ritschard (r.) Gerichtsmedizinerin Corinna Haas (Fabien Hardorn) und Ferdi Oberholzer (Ingo Ospelt). (Foto: ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler)

Das dramatische Ende entschädigt

Das dramatische Ende entschädigt
Kritik zum Tatort Köln „Kaputt“
ARD/WDR Tatort “Kaputt”: Als eine alltägliche Verkehrskontrolle aus dem Ruder läuft, greifen die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, l) und Freddy Schenk (Dietmar Bär, r) ein. (Foto: WDR/Thomas Kost)
Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, vorne) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) müssen in den eigenen Reihen ermitteln. (WDR/Thomas Kost)

Das war kein leichter Stoff, den sich der erfahrene Drehbuchautor Rainer Butt für den neuen Tatort aus Köln vorgenommen hatte: Mord an einem Polizisten und im weiteren Verlauf Ermittlungen in den Reihen der Polizei. Neu war das Thema gewiss nicht, es wurde schon in unzähligen Varianten in ebenso unzähligen Krimis verarbeitet. Die etwas andere Perspektive aber kann trotzdem aus jedem bereits bekannten Stoff dennoch eine interessante Erzählung machen. Das gelang Butt nur in Teilen, zu viel war längst bekanntes Geschehen. Und wieder erlag der Drehbuchautor in diesem Tatort der Versuchung, die brutalen Mörder entschuldigen zu wollen, zumindest einem der drei jugendlichen Täter gab er ein handfestes Motiv für den Mord an dem Polizisten mit auf den Weg, alle drei präsentierte er als einfach nur „kaputte“ Junkies. Mitleid oder gar Empathie für die drei wollte dennoch in keiner Phase der Geschichte aufkommen. Als dann zwei der drei Täter ebenfalls ermordet wurden, begannen auch interne Ermittlungen. Das wiederum kam naturgemäß innerhalb der betroffenen Polizeidienststelle überhaupt nicht gut an, die Kollegen jedenfalls konnten kein Mitleid mit den drei Jugendlichen empfinden, dafür aber ein gewisses Verständnis für einen eventuellen Racheakt aus den eigenen Reihen aufbringen. Insbesondere Assistent Norbert Jütte (Roland Riebeling) tat sich hier hervor und bediente heftig jedes Klischee, das sich in diesem Zusammenhang finden lässt. Einzig Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrend) wahrte die angemessene Neutralität und ließ sich nicht davon abhalten, unvoreingenommen nach den Tätern beider Verbrechen zu suchen. Selbst Partner Freddy Schenk (Dietmar Bär) neigte recht leichtfertig dazu, Verdächtige in den eigenen Reihen eher auszuschließen. Jütte fiel aber nicht nur durch seine vehemente Ablehnung eben dieser internen Ermittlungen auf. Vielmehr ging er in diesem Tatort erstmals mit viel Engagement einer anderen Betätigung als Essen nach: Er bewarb sich leidenschaftlich um einen Sitz im Personalrat. Dafür vergaß er dann seine sonst zur Schau getragene Trauer um den getöteten Kollegen. Von Arbeiten hielt er dafür wieder wenig bis nichts. Das war indes das einzig Erheiternde in diesem Tatort mit dem bezeichnenden Titel „Kaputt“.

So interessant die Geschichte auch klingen mag, in der Umsetzung durch Mitautorin und Regisseurin Christine Hartmann fehlte schlicht die Dynamik. Die Ermittlungen plätscherten dahin, viel zu viele Erkenntnisse waren dem Zufall geschuldet und die drei jugendlichen Täter machten für die grausame Tat, die sie im Drogenrausch begangen hatten, einen viel zu gleichgültigen Eindruck. Die fortgesetzte „Schwulenschelte“ durch den Leiter der Polizeidienststelle Bernd Schäfer (Götz Schubert) wirkte aufgesetzt und störte eigentlich nur den Ablauf des Geschehens. Und die Rachegelüste von Polizistin Melanie Sommer (Anne Brüggemann) standen im krassen Gegensatz zu dem Verhalten der Figur: Melanie Sommer stellte den ganzen Fall über ein bedauernswertes Mädchen dar, zeigte sich schüchtern und verloren, trauerte, weinte ununterbrochen und war nicht in der Lage, auch nur eine Frage der Kommissare vernünftig zu beantworten. So jemand geht nicht einfach los und knallt Täter ab. Das war doch eher unglaubwürdig. Das überaus dramatische Ende indes entschädigte die Zuschauer, die durchgehalten hatten, für derartige Nachlässigkeiten. Alles in allem war dieser Tatort zwar gefällige Unterhaltung, er hätte aber durchaus leicht besser sein können! /sis

Kurzweilige Unterhaltung mit viel subtilem Humor

Kurzweilige Unterhaltung mit viel subtilem Humor
ARD Degeto Tatort “Glück allein”: Von links: Raoul Ladurner (Cornelius Obonya), Julia Soraperra (Gerti Drassl), Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer). (Foto: ARD Degeto/ORF/Hubert Mican)
Kritik zum Tatort Wien „Glück allein“
Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) ziehen einen rätselhaften Fall an sich. (Foto: ARD Degeto/ORF/Hubert Mican)

Es ist schon eine ganz besondere Beziehung, die die beiden Wiener Tatort-Ermittler Oberstleutnant Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Major Bibi Fellner (Adele Neuhauser) im Laufe von inzwischen über 20 Fällen entwickelt haben. Sie geben sich gerne als kaputte Charaktertypen, für die sowieso alles schon längst zu spät ist. Und genau so ermitteln sie mittlerweile auch, kompromisslos, ohne Rücksicht auf Verluste und sehr gerne gegen alle Anweisungen von oben. Ihr Chef, Oberst Ernst „Ernstl“ Rauter (Hubert Kramar), hat dadurch oft genug seine liebe Mühe, die beiden BKA-Ermittler vor dem Unmut höherer Stellen zu bewahren. Denn nicht selten geht es in den Fällen aus Wien um politische Scharmützel, um Korruption und Filz bis in die höchsten Kreise der österreichischen Politik. So auch in ihrem neuesten Fall mit dem Titel „Glück allein“, in dem der Parlamentarier Raoul Ladurner (Cornelius Obonya) die verbrecherischen Machenschaften der ukrainischen Geschäftsfrau Natalia Petrenko (Dorka Gryllus) als Leiter eines Untersuchungsausschusses ans Licht der Öffentlichkeit bringen will. Doch dann liegen seine Frau und Tochter tot in ihrem Haus. Moritz Eisner und Bibi Fellner möchten gerne ermitteln, dürfen es aber erst einmal wieder nicht. Der Innenminister persönlich will, dass die Kollegin Julia Soraperra (Gerti Drassl) den Fall übernimmt und die findet nur allzu schnell einen Verdächtigen, einen Einbrecher, der bei seinem Raubzug von Ladurners Frau und der erst zehnjährigen Tochter überrascht worden ist und  die beiden dann in Panik erstochen haben soll. Ladurner selbst beschuldigt natürlich die ukrainische Geschäftsfrau. Als der Verdächtige, auch ein Ukrainer, schließlich selbst tot in seiner Zelle liegt, lassen Eisner und Fellner sich nicht mehr aufhalten und schnell führt ihre Spur zu Ladurner, der sich als alles andere als ein aufklärerischer Saubermann und unbescholtener Politiker und Familienvater entpuppt.

Die Geschichte von Drehbuchautor Uli Brée ist nicht ganz einfach zu durchschauen und durch den in dieser Folge recht breiten Dialekt zumindest für den bundesdeutschen Zuschauer nicht an jeder Stelle auf Anhieb zu verstehen. Und am Ende bleiben auch einige entscheidende Fragen offen, etwa warum Ladurner seine Tochter rauschgiftsüchtig gemacht hat. Dazu hat der von Catalina Molina in Szene gesetzte Tatort aus dem schönen Wien noch einige Längen. Dennoch handelt es sich um einen fantasievollen Krimi mit starken Charakteren gespielt von überzeugenden Darstellern. Insgesamt bietet der Streifen kurzweilige Unterhaltung mit einigen überraschenden Wendungen und viel subtilem Humor. Durchaus sehenswert und im Vergleich zu den letzten Tatort-Folgen eine echte Freude für Tatort-Fans. /sis

Das Wiener Ermittler-Duo Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) setzt sich gerne einmal über Anweisungen auch von ganz oben hinweg. (Foto: ARD Degeto/ORF/Hubert Mican)

Eine herbe Enttäuschung

Eine herbe Enttäuschung
ARD/BR Tatort “Die ewige Welle”: Die Kriminalhauptkommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) sind bei ihren Ermittlungen an der Eisbach-Welle nicht immer einer Meinung. (Foto:  BR/Hendrik Heiden/Wiedemann & Berg)
Kritik zum Tatort München „Die ewige Welle“

Es ist ein Fehler anzunehmen, irgendeine Geschichte könnte unter der „Marke“ Tatort zu einem Publikumsliebling avancieren. Auch dann nicht, wenn man das bei Tatort-Fans sehr beliebte Münchener Kommissars-Duo Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) bemüht. „Die ewige Welle“ jedenfalls mag als Experimentalfilm oder auch Milieustudie vielleicht ein paar interessierte Zuschauer gefunden haben, bei den Tatort-Freunden fiel die Folge gnadenlos durch. Und das zu Recht, hatte der Streifen aus der Feder von Alex Buresch und Matthias Pacht doch mit einem Krimi so gar nichts zu tun. Außer, dass die Kommissare ein paar in ihrer ganz eigenen Drogenwelt gefangenen, skurrilen Figuren mehr oder minder interessiert hinterhergejagt sind, spielten Batic und Leitmayr in diesem mühsam konstruierten Fall überhaupt keine Rolle und selbst Kalli (Ferdinand Hofer) tauchte nur das ein oder andere Mal bei den Hauptkommissaren auf und übermittelte Informationen, die auch nichts zur Entwicklung der Geschichte beitrugen. Ansonsten war Batic mit Rückenschmerzen und Chillen und Leitmayr mit Erinnerungen beschäftigt. Franz Leitmayrs Vergangenheit lieferte denn auch den einzigen Bezug zu einem der Beteiligten und musste als Motiv dafür herhalten, dass Leitmayr seinen nach einer Messerstecherei schwer verletzten Freund Mikesch Seifert (Andreas Lust) weiter in aller Ruhe seinen Drogengeschäften nachgehen ließ. Dann tauchte auch noch eine gemeinsame Freundin aus der Vergangenheit auf, die möglicherweise, könnte sein, vielleicht von Leitmayr schwanger war, in einer anderen Zeit und in einer anderen Welt. In loser Folge eingespielte Szenen aus dieser anderen Welt mit dem jungen Leitmayr hatten ebenfalls keinen Bezug zur aktuellen Geschichte um Mikeschs Drogengeschäfte, sondern erzählten einfach nur von einem Sommer an Portugals Küste in jugendlicher Unbekümmertheit. Und das alles hatte wiederum nichts mit den Surfern an der Eisbach-Welle zu tun. Letztlich wollte Leitmayrs Freund Mikesch durch den Verkauf von Schmerzpflastern einfach nur ein besseres Leben für seine Tochter Maya (Luise Aschenbrenner). Die Messerattacke auf ihn, die beiden Drogentoten, die Bedrohung durch andere Drogendealer, die bei ihren Geschäften nicht gestört werden wollten, all das war nur Beiwerk, um dem Stoff doch noch einen Hauch von Krimi zu geben, vielleicht auch nur, um ihn damit überhaupt erst als Tatort realisieren zu können. Und dennoch war die Geschichte als Tatort ein Totalausfall, als Tatort aus München gar eine herbe Enttäuschung. Wieder einmal! /sis

Ohne Punkt und ohne Komma!

Ohne Punkt und ohne Komma!
ARD/SWR Tatort “Anne und der Tod”: Die junge Hausärztin Maxi Scheller (Julia Schäfle) schaut ganz genau hin – ob ihr Verdacht nach dem Tod von Paul Fuchs (Harry Täschner) berechtigt ist oder nicht, müssen Sebastian Bootz (Felix Klare, li.) und Thorsten Lannert (Richy Müller) herausfinden. (Foto: SWR/Maor Waisburd)
Kritik zum Tatort Stuttgart “Anne und der Tod”
Anne Werner (Katharina Marie Schubert) ist Altenpflegerin und arbeitet in der häuslichen Pflege. Als zwei ihrer Patienten eines ungeklärten Todes sterben, wird sie von Sebastian Bootz und Thorsten Lannert als mögliche Täterin befragt. (Foto: SWR/Maor Waisburd)

Was war das wieder für ein Tatort? Mit Krimi hatte die Geschichte nichts zu tun. Von Spannung und überraschenden Wendungen keine Spur, stattdessen wurde geredet, ohne Punkt und ohne Komma! Dabei war bis zum bitteren Ende nicht klar, ob es sich bei den beiden Todesfällen tatsächlich um Morde handelte, die den Einsatz der Kriminalpolizei rechtfertigten. Der zentrale Verhörmarathon mit eingeblendeten, zeitlich völlig losgelösten Szenen, in denen auch wieder nur zu viel und dann auch noch in viel zu breitem Dialekt gesprochen wurde, war von Wiederholungen der immer gleichen Annahmen geprägt und damit nicht nur langatmig, sondern schlicht und ergreifend langweilig. Der allseits bekannte und beklagte Pflegenotstand wurde indes fast ausschließlich auf sexuelle Übergriffe heruntergebrochen, die Altenpflegerin als alleinerziehende Mutter präsentiert, die bei der Erziehung ihres Sohnes versagt hatte und, um den übertriebenen Ansprüchen ihres Sprösslings gerecht werden, bereit war alles zu tun, auch sich zu prostituieren. Dem Pflegeberuf hat dieser Tatort mit der einseitigen Fixierung auf die sexuellen Bedürfnisse der zu Pflegenden keinen Gefallen getan und den ohnehin physisch und psychisch überbeanspruchten Pflegekräften ganz gewiss auch nicht.

An der misslungenen Geschichte aus der Feder von Drehbuchautor Wolfgang Stauch in der wirren Umsetzung von Regisseur Jens Wischnewski konnten auch die  Stuttgarter Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare), sonst Garanten für spannende Tatort-Unterhaltung, nichts ändern. Auch sie hatten in „Anne und der Tod“ nichts weiter zu tun, als zu reden, die vermeintlich verdächtige Altenpflegerin Anne Werner (Katharina Marie Schubert) letztlich dazu zu überreden, zu gestehen – was genau, war nicht klar. Und die Altenpflegerin spielte ohne zu murren mit, beschrieb freimütig die immer gleichen Ereignisse in einer jeweils anderen Version. Was nun wirklich passiert war, blieb im Dunkeln. Jedenfalls gestand sie am Ende, was die Kommissare hatten hören wollen und die glaubten ihr plötzlich, obwohl Anne Werner im Verlaufe der Geschichte so viel gelogen hatte, dass man ihr eigentlich gar nichts mehr glauben konnte. Immerhin hatte die Verdächtige zwei Telefonjoker, die hätte man dem Zuschauer auch gewünscht! /sis  

Sebastian Bootz (Felix Klare) und Thorsten Lannert (Richy Müller) wollen sicher gehen, dass beim Tod zweier alter, pflegebedürftiger Männer nicht nachgeholfen wurde. (Foto: SWR/Maor Waisburd)

Einfach nur schwach!

Einfach nur schwach!
Kritik zum Tatort „Das Monster von Kassel“
ARD/HR Tatort “Das Monster von Kassel”: Gerichtsmedizinerin (Barbara Stollhans, li.), Constanze Lauritzer (Christina Große) und Paul Brix (Wolfram Koch) begutachten einen Plastiksack mit Leichenteilen. (Foto: HR/Degeto/Bettina Müller)
Paul Brix (Wolfram Koch), Anna Janneke (Margarita Broich, Mitte) und ihre Kasseler Kollegin Constanze Lauritzen (Christina Große) geben den Stand der Ermittlungen nach Frankfurt durch. (Foto: HR/Degeto)

Der Titel “Das Monster von Kassel” ließ auf den ersten Blick vermuten, dass der neue Tatort aus Frankfurt mit dem Ermittlerduo Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) erneut einen Ausflug in die Welt der Psychopathen unternehmen würde. Doch es ging diesmal nur nach hessisch-Sibirien, ins nordhessische Kassel. Und der Täter Maarten Jansen (Barry Atsma), der sich selbst als Monster von Kassel bezeichnete, war auch nichts weiter als ein alberner Profilneurotiker. Als Talkmaster mit eigener Fernsehshow war er um Quote bemüht, nahm die Ermordung seines Stiefsohnes als willkommene Gelegenheit, sich als armes Opfer zu inszenieren und legte eine Oscar reife Trauerrede an sein Publikum hin. Und das, obwohl er selbst die Gräueltat begangen, mit einer Axt die Leiche zerstückelt und in Plastiksäcken verpackt so abgestellt hatte, dass sie auf jeden Fall gefunden wurde. Ziel der umständlichen Aktion war es, die Tat einem anderen Täter mit ähnlichem Tathergang unterzuschieben. All das war dem Zuschauer von Anfang an bekannt, was dem Fall komplett die Spannung raubte. Da half es auch nicht, dass das Verhör des Täters in einzelnen Etappen eingestreut wurde. Den Ermittlern dabei zuzuschauen, wie sie einen dem Zuschauer längst bekannten Täter suchen, ist nun einmal wenig erquicklich. Da bedarf es schon richtiger Überraschungen. Die aber fehlten in der Geschichte der Drehbuchautoren Stephan Brüggenthies und Andrea Heller, die mit dem smarten Promi lediglich ein Klischee bedienten. Nicht einmal das Motiv für den Mord war stark genug. Jansens Stiefsohn war ihm hinter seine Verhältnisse mit zahlreichen Frauen gekommen, die sich mehr oder minder freiwillig auf seine Sexspielchen eingelassen hatte, darunter eine Nachbarstochter und Freundin seines Stiefsohnes. Nur musste der Täter gar nicht mit Konsequenzen rechnen, die einen Mord mit dieser bestialischen Leichenbeseitigung begründet hätten. Die Frauen schwiegen oder litten stumm. Und selbst wenn das Stiefsöhnchen seine Mutter und Ehefrau des Täters eingeweiht hätte, wäre allenfalls seine Ehe gefährdet gewesen, nicht aber sein Leben auf der Überholspur. Am Ende konnte das selbsternannte Monster nicht einmal überführt werden, lagen doch einfach keine handfesten Beweise gegen ihn vor.

Eine schlüssige Geschichte spannend erzählt benötigt keine langatmigen Erläuterungen, etwa welche Zahnbürstenfarbe wer in der Familie bevorzugt oder einen Kommissariatsleiter, der seine Leute mit poetischen Lebensweisheiten beglückt oder sie als Tanzpartner bemüht. Etliche Szenen waren schlicht überflüssig und hätten getrost gestrichen werden können, wie am besten gleich der ganze Film! /sis

Constanze Lauritzen (Christina Große, li.), Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) finden die Zunge des Mordopfers. (Foto: HR/Degeto)

Erneuter Ausflug in die Welt der Psychopathen

Erneuter Ausflug in die Welt der Psychopathen
Kritik zum Tatort Berlin „Der gute Weg“
ARD/rbb Tatort “Der gute Weg”: Nina Rubins (Meret Becker) Sohn Tolja (Jonas Hämmerle) wurde bei einem Einsatz der Streife angeschossen, traumatisiert sitzt der Praktikant mit seiner Mutter und dem ermittelnden Kommissar Karow (Mark Waschke) im Notarztwagen. (Foto: rbb/Stefan Erhard)

Auf einem guten Weg war Streifenpolizist Harald Stracke (Peter Trabner) gewiss nicht, sah er doch die Lösung seines Problems in der Ermordung seiner blutjungen Kollegin Sandra und später auch noch des beauftragten Killers, der Drogendealer und zugleich V-Mann Yakut Yavas (Raunand Taleb), der im Gegenzug „sein“ Problem mit einem Cousin zeitgleich von Stracke lösen ließ. Eine Win-Winn-Situation also. Dumm nur, dass bei diesem sorgfältig geplanten Mörderstelldichein unverhofft ein Praktikant ins Spiel kam, ein ehemaliger Drogenabnehmer Yakuts: Tolja Rubin (Jonas Hämmerle), der Sohn von Kommissarin Nina Rubin (Meret Becker). Klingt das schon ziemlich konstruiert, kam es im Verlaufe der Geschichte noch dicker, jedenfalls war es nicht leicht, die in der Vergangenheit liegenden Verwicklungen zu durchschauen.

Rubin (Meret Becker) und Karow (Mark Waschke) studieren die Akten zum Fall.
(Foto: rbb/Oliver Vaccaro).

Letztlich ging es Stracke aber nur darum, seine Frau Verena (Nina Vorbrodt) nicht zu enttäuschen. Ein erneuter Ausflug des Tatorts in die Welt der Psychopathen also, den Drehbuchautor Christoph Darnstädt hier mit seinem Publikum unternahm. Im Kern nachvollziehbar war die Handlung der Geschichte, aber an vielen Stellen blieb sie flach und unglaubwürdig. So kann eine von einem Fall persönlich betroffene Kommissarin nicht ermitteln. Warum das zurecht so ist, machte das gelegentlich schon grenzwertige Verhalten Nina Rubins mehr als deutlich. Als Mutter hatte sie ausschließlich die Interessen ihres Sohnes im Sinn, ermittelte also nicht mehr ergebnisoffen und in alle Richtungen. Es war leider viel zu früh erkennbar, dass sie diesen Fall am Ende mit der Waffe lösen würde. Zwar bemühte sich Rubins Partner Robert Karow (Mark Waschke) um eine gewisse Neutralität. Doch der war diesmal mehr mit seinem Liebesleben als mit seiner Arbeit beschäftigt. Er kam etwas lustlos daher, wirkte wenig engagiert, fast schon desinteressiert. Auch blieben viele Fragen offen, etwa wieso der Praktikant als einziger eine kugelsichere Weste trug? Wieso Stracke just mit dem Drogendealer, der den Tod seines eignen Sohnes verursacht hatte, eine Verabredung zum Doppelmord getroffen hatte? Warum Stracke am Ende auch noch seine Frau ermordete und warum er ausgerechnet Nina Rubin dazu bringen musste, ihn zu erschießen? Das hätte er schließlich auch selbst tun können. Dazu präsentierten die Macher dieses Tatorts aus Berlin dem Zuschauer ein Bild der bundesdeutschen Hauptstadt, das einen erschaudern ließ. Es war das Bild einer Stadt, in der die Polizei offensichtlich aufgegeben hat gegen das Verbrechen zu kämpfen, eine Stadt, in der an jeder Ecke Menschen aus aller Herren Länder ganz offen ihre Drogengeschäfte abwickeln, ein Heer von merkwürdigen Gestalten, denen man ungern im Dunkeln begegnen möchte. Doch genau dazu passte dann dieser desillusionierte Streifenpolizist Harald Stracke, der letztlich weder mit sich selbst, noch mit seinen Opfern, ja am Ende nicht einmal mit seiner Frau, für die er all die Morde begangen hatte, Mitgefühl aufbringen konnte. /sis

Nina Rubin (Meret Becker) kommt aufgelöst und voller Sorge um ihren Sohn Tolja am Tatort an. (Foto: rbb/Stefan Erhard)

Psychothriller mit hohem Gruselfaktor

Psychothriller mit hohem Gruselfaktor
Kritik zum Tatort Dresden „Das Nest“
ARD/MDR Tatort “Das Nest”: Das neue Dresdner Tatort-Team v.l.: Karin Gorniak (Karin Hanczewski), Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) und Leonie “Leo” Winkler (Cornelia Gröschel), (Foto: MDR/Wiedemann und Berg/Daniela Incoronato)

Logisch geht es nicht zu in diesem Tatort aus Dresden mit dem Titel „Das Nest“ aus der Feder des erst kürzlich mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Drehbuchautors Erol Yesilkava. Gleich zum Auftakt passiert ein schwerer Unfall und die offenbar unverletzte Fahrerin läuft einfach weg, mitten in der Nacht auf einer Straße im Nirgendwo. Sie marschiert zufällig genau in das verlassene Hotel, in dem eine Anzahl präparierter Leichen als fröhliche Gästerunde drapiert ist. Menschen, die offenbar niemand vermisst in einer Umgebung, die nicht so leicht zu finden ist! Gleich anschließend versucht die Polizei den Mörder zu stellen, indem sie Oberkommissarin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) als neue und völlig unerfahrene Kollegin an der Seite von Oberkommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) ganz allein in besagtem Hotel auf den Massenmörder warten lässt. Gorniak wird bei dieser Aktion von dem Täter mit einem Messer schwer verletzt, das SEK schaut untätig zu und Kollegin Winkler wird statt suspendiert auch noch hoch gelobt. Damit nicht genug, zwei Monate nach diesen Ereignissen wird einem potenziell Verdächtigen das Messer mit dem Blut von Gorniak untergeschoben, zwei Monate, in denen der wahre Täter Christian Mertens (Benjamin Sadler), ein intelligenter Chirurg, besagte Tatwaffe nicht etwa gereinigt und entsorgt, sondern schlicht in einer Plastiktüte verpackt samt Blut aufbewahrt hat. Wozu? In einer weiteren Szene trägt eben dieser Christian Mertens seine bereits erwachsene, schwer übergewichtige Tochter wie ein Fliegengewicht quer durchs Haus und auch seine Frau Nadine (Anja Schneider) kommt nicht auf die Idee, dass es mit ihrem wiederholt plötzlichen Tiefschlaf nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann. Und zu guter Letzt hat der Täter für all den Irrsinn nur eine Erklärung: Er will töten, das ist seine Natur. Komisch nur, dass er nicht schon früher aufgefallen ist. Ein schlüssiges Motiv fehlt ebenso wie die Erläuterung, warum er die Leichen konserviert und zur Schau stellt. Für wen?

Mit Logik hatte dieser Tatort also absolut gar nichts zu tun, dafür aber viel mit Psychoterror. Der Massenmörder kannte keine Gnade und machte aus seinen Mordgelüsten keinen Hehl. Auch die neue Kollegin legte leicht profilneurotische Züge an den Tag, war mehr darauf bedacht, ihrem Chef Peter Schnabel (Martin Brambach) und dem ehrgeizigen Vater Otto Winkler (Uwe Preuss) zu gefallen, statt ihrer Partnerin beizustehen. Und selbst Karin Gorniak war am Ende so von Hass und Abscheu erfüllt, dass sie den Täter am liebsten abgeschlachtet hätte. Kein Krimi also, sondern ein astreiner Psychothriller, der mit einem hohen Gruselfaktor die fehlende Spannung aber mehr als wett machte. Es bleibt zu hoffen, dass die „Neue“ sich noch ins Dresdner Team einfindet und nicht der Zickenkrieg zwischen Winkler und Gorniak künftig den Tatort aus Dresden bestimmt.  

Ganz nebenbei kann „Das Nest“ aber wunderbar als Lehrstück für angehende Drehbuchautoren dienen, enthält dieser Tatort doch den kompletten Bauplan für einen gelungenen Film. Sämtliche Wendepunkte sitzen genau da, wo sie zu sitzen haben, der Höhepunkt in der Mitte wird schön herausgearbeitet mit der Enttarnung des Täters und von da an geht es lehrbuchmäßig bergab bis zum unvermeidlichen Showdown am Ende. So klar erkennbar sind die einzelnen Bestandteile, aus denen ein Film gestrickt wird, nur sehr selten. /sis

Karin Gorniak ist voller Hass und Abscheu für den Täter. Das Ende des Films bleibt offen, ob Gorniak und ihre neue Partnerin Leonie Winkler den gestellten Massenmörder aus Notwehr erschießen oder ihn doch gezielt hinrichten. (Foto: MDR/Wiedemann und Berg)

Dramatischer Abgang in Bremen

Dramatischer Abgang in Bremen
Kritik zum Tatort Bremen „Wo ist nur mein Schatz geblieben“
ARD/RB Tatort “Wo ist nur mein Schatz geblieben”: Durch Zufall entdecken Bauarbeiter die unter einer Straße verborgene Leiche einer Frau. Bei den Mordermittlungen stechen die Bremer Ermittler Inga Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) in ein feingewebtes Netz aus Korruption und illegalen Geldgeschäften. Nach einem heimlichen Treffen mit den BKA-Kollegen stellt Inga Lürsen Kollege Stedefreund zur Rede. (Foto: Radio Bremen/ARD Degeto/Christine Schroeder)

 

Die BKA-Ermittlerin Linda Selb (links Luise Wolfram) wird von  Inga Lürsen ins Vertrauen gezogen. (Foto: Radio Bremen/ARD Degeto/Christine Schroeder)

Zugegeben, etwas konstruiert war Nils Stedefreunds (Oliver Mommsen) Abgang im letzten Tatort aus Bremen schon. Zum einen blieb das Motiv für den grenzenlosen Hass des BKA-Mannes Wolfgang Kempf (Philipp Hochmair) auf Stedefreund doch zumindest fragwürdig. Jedenfalls war aus dem aktuellen Geschehen nicht erkennbar, warum er am Ende wie wild auf Stedefreund geballert hat – auch der exzessive Rauschgiftmissbrauch kann nicht als hinreichende Begründung dienen. Zum anderen fragt man sich schon, warum ein Heer von bis an die Zähne bewaffnete SEK-Mannen das Feuer nicht erwidert haben. Aber ansonsten war die Geschichte mit dem Titel „Wo ist nur mein Schatz gebliebenen“ von den Drehbuchautoren Florian Baxmeyer, Michael Comtesse und Stefanie Veith gut durchdacht und geschickt aufgebaut auf Stedefreunds angeblichem Afghanistan-Aufenthalt im Jahre 2013, der sich jetzt als verdeckter Ermittlereinsatz entpuppte, bei dem Stedefreund zwei Menschen in blinder Wut erschossen haben soll. Klar, Polizist konnte er nach der Enthüllung nicht mehr bleiben. Auch sein übertriebenes Verständnis für den in diesem Fall als verdeckter Ermittler agierenden Roger Stahl (Kostja Ullmann) erklärt sich aus den Erlebnissen. Warum er aber seiner Partnerin Inga Lürsen (Sabine Postel) und seiner Ex-Freundin Linda Selb (Luise Wolfram) die Wahrheit so lange schuldig blieb und die Ermittlungen im aktuellen Mordfall störrisch behinderte, war nur schwer verständlich. Stattdessen ließ er sich lieber mit den beiden dubiosen – und wie sich herausstellte wieder einmal korrupten – BKA-Beamten ein und deckte deren Machenschaften bis es nicht mehr ging. Der Nils Stedefreund, den die Zuschauer bis zu diesem letzten Fall kannten, hätte das ganz gewiss nicht getan.

Trotz der offenen Fragen war der letzte Tatort aus Bremen ein durchgängig spannender Krimi mit immer neuen Überraschungen und einem dramatischen Ende. Die Autoren spielten geschickt mit den Gefühlen der Zuschauer, die sich sicher einen anderen Abgang für die beiden Ermittler Inga Lürsen und Nils Stedefreund aus Bremen gewünscht hätten. Es ist schade, dass der Tatort mit Sabine Postel und Oliver Mommsen zwei Klasseschauspieler verliert, die über viele Jahre stets Garant für zufriedene Zuschauer – und damit natürlich auch gute Quoten waren. /sis

Ein gutes Team bis zum Schluss: Die Bremer Hauptkommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen). (Foto: Radio Bremen/ARD Degeto/Christine Schroeder)

Gefangen in einem Psychodrama

Gefangen in einem Psychodrama
Kritik zum Tatort Dortmund „Inferno“
ARD/WDR Tatort “Inferno”: Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann, mitte) besichtigt den Tatort, einen Ruheraum in der Notfallambulanz der Klinik. (Foto: WDR/Thomas Kost)
Tatort zentrale Notaufnahme v.l.n.r.: Anna Schudt als Martina Bönisch, Jörg Hartmann als Peter Faber, Aylin Tezel als Nora Dalay, Rick Okon als Jan Pawlak. (Foto: WDR/Thomas Kost)

Der Tatort aus Dortmund ist bekannt für seine – drücken wir es höflich aus – „schwierigen“ Ermittler. Doch in der neuen Folge mit dem Titel „Inferno“ drehen schließlich alle durch: Nora Dalay (Aylin Tezel) bekommt wieder eine Panikattacke als sie sich freiwillig eine Plastiktüte über den Kopf zieht. Nur Jan Pawlak (Rick Okon) erkennt die kritische Situation und eilt ihr gerade noch rechtzeitig zur Hilfe. Peter Faber (Jörg Hartmann) und Kollegin Martina Bönisch (Anna Schudt) schauen seelenruhig zu, wie die junge Kollegin fast erstickt. Faber stellt schließlich selbst mit Bönisch den Mord nach und bringt sie dabei ebenfalls fast um. Und zu guter Letzt lässt er sich auf einen Psychotrip mit Hilfe von vermeintlichem LSD ein, dreht dabei völlig durch und stellt in einem ultimativen Showdown den Täter in selbstmörderischer Absicht, in dem er mit seinem Auto mit Vollgas in die Luxuskarosse von Dr. Dr. Andreas Norstädter (Alex Brendemühl) donnert. Der Arzt, der keiner war, wird abgeführt und Faber schwer verletzt in das Krankenhaus gebracht, in dem er und seine Kollegen bis dahin mehr oder weniger erfolgreich ermittelt haben. Dabei bleibt offen, ob man den falschen Arzt nun anhand der Indizien tatsächlich überführen kann und natürlich, wie schwer Faber verletzt ist.

Bis zu diesem fulminanten Finale war aber schlicht Langeweile angesagt. Faber war wieder einmal mehr mit sich und seinen eigenen Problemen beschäftigt, machte dabei einen mehr als unaufgeräumten Eindruck, sowohl psychisch als auch optisch. Kein Polizeichef würde einen derart kaputten Typen auf die Menschheit loslassen, auch nicht auf ebenso kranke Täter, wie in diesem Fall einen vermeintlichen Arzt, der sich in maßloser Selbstüberschätzung durchaus für fähig hielt, als Arzt und Psychiater zu arbeiten. Ein Irrer trifft einen anderen, könnte man sagen, das konnte nur in der Katastrophe – einem Inferno eben – enden. Kein schlechter Ansatz des Drehbuchautors Markus Busch, aber letztlich doch wieder nichts weiter als das inzwischen hinreichend bekannte, persönliche Psychodrama der Dortmunder Ermittler. Der Fall an sich, der spektakuläre Tod einer Ärztin, war wieder nur Nebensache – wie leider viel zu oft im Tatort aus Dortmund. /sis

Das Mordopfer starb mit einer Plastiktüte über dem Kopf: Kommissarin Nora Dalay (Aylin Tezel, links) macht den Selbstversuch. Peter Faber (Jörg Hartmann, links), Martina Bönisch (Anna Schudt, Mitte) und Jan Pawlak (Rick Okon, rechts) schauen zu. (Foto: WDR/Thomas Kost)

Ein bedrückender Fall

Ein bedrückender Fall
Kritik zum Polizeiruf 110 aus Rostock „Kindeswohl“
ARD/NDR Polizeiruf 110 “Kinderwohl”: Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Alexander Bukow (Charly Hübner) suchen nach Keno und Bukows Sohn Samuel. (Foto: NDR/Christine Schroeder)
Was ist passiert? Bukow (Charly Hübner) und König (Anneke Kim Sarnau) verschaffen sich einen Überblick. (Foto: NDR/Christine Schroeder)

Ein brisantes Thema hatten sich die Drehbuchautoren Christian Sothmann, Elke Schuch und Regisseur Lars Jessen für den neuen Polizeiruf 110 aus Rostock mit dem Titel „Kindeswohl“ vorgenommen. Es ging um die Unterbringung von schwer erziehbaren Kindern und Jugendlichen in Heimen privater Träger. Wie sich im Verlaufe des Films herausstellte, geben diese Heime und andere private Pflegeeinrichtungen die Kinder und Jugendlichen für den Bruchteil der im Inland anfallenden Kosten an Pflegeeltern im europäischen Ausland, in diesem Fall konkret in Polen und das in einvernehmlicher Zusammenarbeit mit dem zuständigen Jugendamt. Nun sind polnische Pflegeeltern nicht besser oder schlechter als deutsche, aber für die Kinder und Jugendlichen muss der Wechsel in eine völlig fremde Welt ohne Freunde und mit einer Sprache, die sie nicht verstehen, einen ganz gewaltigen Eingriff in ihr Leben bedeuten. Für Otto (Niklas Post) war die Veränderung so drastisch, dass er einfach nicht mehr leben wollte und mehrfach Selbstmordversuche unternahm, bis es ihm schließlich gelang, kurz bevor sein „Bruder“ Keno (Junis Marlon) ihn aus seinem neuen Gefängnis befreien konnte. Keno kam zu spät, weil ihn der Heimleiter nach einem nächtlichen Gewaltausbruch kurzerhand eingesperrt hatte. Wieder in Freiheit machte er sich mit Alexander Bukows (Charly Hübner) Sohn Samuel (Jack Owen Berglund) auf den Weg nach Polen, wobei Keno wortwörtlich über Leichen ging. Er erschoss den Heimleiter ohne Zögern, als der ihm in die Quere kam. Ein Fall für Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und das Team aus Rostock, Anton Pöschel (Andreas Guenther) und Volker Thiesler (Josef Heynert). Es folgte ein Wettrennen auf Leben und Tod zwischen den Ermittlern und den beiden Jugendlichen, die schließlich Ottos Pflegeeltern auf einem ärmlichen Hof in Polen ausfindig machen konnten und den Pflegevater mit vorgehaltener Waffe dazu zwangen, den im Wald verscharrten toten Otto wieder auszugraben.

Wie schon in den Folgen zuvor waren König und Bukow mehr mit ihrem ständig schwelenden Scharmützel und zudem den eigenen Lebensbaustellen beschäftigt. Und obwohl in diesem Fall sein Sohn involviert war, hielt sich Bukow, der es sonst bekanntlich nicht so genau mit Recht und Gesetz nimmt, auffällig zurück. Er ging wohl dem ein oder anderen vermeintlichen Mitwisser unsanft an den Kragen und setzte auch seine Dienstwaffe in Polen ein, ansonsten aber hat man ihn beileibe schon aufgebrachter gesehen.

Alles in allem ist „Kindeswohl“ aber endlich wieder einmal ein spannender Krimi, der die dringend diskussionbedürftige Thematik gut nachvollziehbar und deshalb ungemein bedrückend herausarbeitet. Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner überzeugen mit ihrem leidenschaftlichen Spiel einmal mehr als ungleiches Paar, bei dem der nächste handgreifliche Wutausbruch nur eine Frage der Zeit scheint. Großartig! /sis

Der Fall der halben Gesichter

Der Fall der halben Gesichter
Kritik zum Tatort aus Köln „Bombengeschäft“
ARD/WDR Tatort “Bombengeschäft”: Schwierige Aufgabe für Rechtsmediziner Dr. Joseph Roth (Joe Bausch, 2.v.r.) sowie die Kommissare Freddy Schenk (Dietmar Bär, links) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, 2.v.l.): Nur ein Stück Unterkiefer konnte der Kollege der KTU vom Toten sicherstellen. (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

Wo Sprengstoff im Spiel ist, verliert man schnell ein paar Körperteile – war es das, was Regisseur und Drehbuchautor Thomas Stiller seinen Zuschauern durch die immer wieder nur halb zu sehenden Gesichter der Akteure im neuen Tatort aus Köln mit dem Titel “Bombengeschäft” vermitteln wollte? Eine andere Erklärung jedenfalls lässt sich nicht finden. Und hilfreich war dieses merkwürdige Stilmittel auch nicht: Das Mienenspiel der Figuren, die eigentliche Kunst jedes Schauspielers, ging dadurch zu einem großen Teil verloren und es nervte schlicht, Max Ballauf (Klaus J. Behrend) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) und alle anderen Schauspieler, darunter so namhafte Größen wie Ralph Herforth und Thomas Darchinger, bei nahezu jeder Großaufnahme nur mit halben Kopf zu sehen.

Der Begriff „halb“ zog sich indes wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte. Nur mit halber Kraft, ja fast schon saft- und kraftlos gingen Ballauf und Schenk an die Ermittlungen. Man hätte ihnen hin und wieder eine Currywurst gewünscht, vielleicht hätten sie dann mehr Dynamik entwickelt. Auch war das zugrunde liegende Motiv für den anfänglichen Mord an dem Sprengmeister Peter Krämer, den Überfall auf dessen nicht gerade trauernde Witwe Alena Krämer (Alessija Lause) und den Mordversuch an seinem Proleten-Freund Alexander Haug (Sascha Alexander Gersak) viel zu schnell erkennbar. Schließlich ist jedem sofort klar, warum ein Sprengmeister plötzlich vom Kauf eines Grundstücks zurücktritt, das kann nur mit einer Bombe irgendwo tief unter der Erde des Neubaugebiets zu tun haben. Und damit das nicht bekannt wird und womöglich die schönen Gewinnpläne des Immobilienmaklers zerstört, kann es auch nur zwei Täter geben: den Immobilienmakler selbst (Marco Hofschneider) und den in diesem Fall als Gutachter fungierenden Mitarbeiter einer Kampfmittelbeseitigungsfirma (Adrian Topol), der, durch Spielsucht hochverschuldet, für die entsprechende Menge Bares grünes Licht für den Bau der idyllischen Reihenhaussiedlung gibt, ein wahrhaft bombiges Geschäft. Nur macht es eben wenig Spaß, dabei zuzuschauen, wie die Kommissare lange weiter im Trüben fischen. Spannung wollte so erst gar nicht aufkommen.

Das war schlicht zu wenig für einen Tatort aus Köln, zu wenig für die im Grunde gute Geschichte, auch wenn sie alles andere als neu war. Belastete Grundstücke und daraus resultierende Erpressung waren eben doch schon viel zu oft Grund für Mord und Totschlag in einem Fernsehkrimi. Da hätte man sich zumindest für die handelnden Figuren und ihre Motive etwas mehr Fantasie gewünscht. Typisch Tatort Köln war in diesem Fall nur Assistent Norbert Jütte (Roland Riebeling), der wie gewohnt mehr mit seinen Pausen als mit Arbeit beschäftigt war – eine Art “Running Gag”, der aber nicht richtig zu zünden vermag – und Freddy Schenk, der wieder mit einem großen, spritfressenden Ami-Schlitten durch das Feinstaub geplagte Köln kutschieren durfte. Es lebe der Klimaschutz! /sis

ARD/WDR Tatort “Bombengeschäft”: Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, links) und Freddy Schenk (Dietmar Bär, hinten) befragen den Spielhallenbesitzer Sascha Feichdinger (Thomas Darchinger, rechts). (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)
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