Atemberaubende Spannung mit unnötigen Abwegen

Atemberaubende Spannung mit unnötigen Abwegen
Rezension Sebastian Fitzek „Achtnacht“

Es ist schon eine spannende Geschichte, die Sebastian Fitzek seinen Lesern mit “AchtNacht” vorlegt. Inspiriert von dem amerikanischen Horrorklassiker “The Purge”, lässt Fitzek in seinem Thriller einen durch eine Art Todeslotterie auserkorenen, verhassten und deshalb für die “AchtNacht” nominierten Menschen, eine Nacht lang – am 8.8. von acht Uhr abends bis acht Uhr in der Früh – durch Berlin hetzen. Wer diesen „Achtnächter“ egal wie zu Tode bringt, erhält eine satte Belohnung, vorausgesetzt er hat sich vorher auf der Internetseite der “AchtNacht” angemeldet und seinen Jagdobulus entrichtet.

In Fitzeks Thriller sind gleich zwei Menschen in der „AchtNacht“ vogelfrei: Benjamin Rühmann, ein gescheiterter Musiker und in jeder Hinsicht geborener Loser und Arezu Herzsprung, eine noch junge Psychologiestudentin. Es ist aber nicht nur der Mob, der außer Rand und Band hinter den beiden her ist, sondern auch noch zwei völlig durchgeknallte Gestalten auf der Suche nach den ultimativ-spektakulären Videos, die Klicks und damit Bares bringen. Die beiden schicken Ben und Arezu mit einer üblen Erpressung durch die nächtliche Hölle. Nicht nur ihr eigenes Leben steht auf dem Spiel, Bens Tochter wurde von einem der Irren vergiftet und Ben hängt einmal mehr in seinem Leben an der Strippe eines anderen, muss tun, was von ihm verlangt wird, anstatt eigenverantwortlich zu entscheiden und handeln. Er und – wie es lange Zeit scheint – in seinem Schlepptau auch Arezu haben keine Chance, in einem sicheren Versteck das Ende der “AchtNacht” abzuwarten. Stattdessen müssen sie sich dem Willen der verrückten Erpresser beugen und ein ums andere Mal der blutrünstigen Masse gegenübertreten. Doch der Urheber der “AchtNacht” ist überhaupt nicht damit einverstanden, dass plötzlich andere die Spielregeln bestimmen und schlägt zurück.

Über 400 Seiten atemberaubende Spannung erwartet den Leser, typisch Fitzek mit Höhen und Tiefen, aber manchmal leider auch mit einem völlig unnötigen Abdriften ins allzu Brutale und Perverse. Zwar spiegelt Fitzek menschliche Skrupellosigkeit in all ihren Facetten, aber ob man das unbedingt in dieser Deutlichkeit lesen möchte, bleibt fraglich. Und so ist man am Ende der Lektüre irgendwie unzufrieden, denkt aber noch lange über die Geschichte nach, die nur scheinbar mit dem Tod des „Achtnächters“ ihr Ende findet. /sis

Bibliographische Angaben:
Sebastian Fitzek: AchtNacht
Verlag Knaur Taschenbuch, 7. Auflage 2017, 416 Seiten
ISBN 978-3426521083

Psychothriller mit hohem Gruselfaktor

Psychothriller mit hohem Gruselfaktor
Kritik zum Tatort Dresden „Das Nest“
ARD/MDR Tatort “Das Nest”: Das neue Dresdner Tatort-Team v.l.: Karin Gorniak (Karin Hanczewski), Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) und Leonie “Leo” Winkler (Cornelia Gröschel), (Foto: MDR/Wiedemann und Berg/Daniela Incoronato)

Logisch geht es nicht zu in diesem Tatort aus Dresden mit dem Titel „Das Nest“ aus der Feder des erst kürzlich mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Drehbuchautors Erol Yesilkava. Gleich zum Auftakt passiert ein schwerer Unfall und die offenbar unverletzte Fahrerin läuft einfach weg, mitten in der Nacht auf einer Straße im Nirgendwo. Sie marschiert zufällig genau in das verlassene Hotel, in dem eine Anzahl präparierter Leichen als fröhliche Gästerunde drapiert ist. Menschen, die offenbar niemand vermisst in einer Umgebung, die nicht so leicht zu finden ist! Gleich anschließend versucht die Polizei den Mörder zu stellen, indem sie Oberkommissarin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) als neue und völlig unerfahrene Kollegin an der Seite von Oberkommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) ganz allein in besagtem Hotel auf den Massenmörder warten lässt. Gorniak wird bei dieser Aktion von dem Täter mit einem Messer schwer verletzt, das SEK schaut untätig zu und Kollegin Winkler wird statt suspendiert auch noch hoch gelobt. Damit nicht genug, zwei Monate nach diesen Ereignissen wird einem potenziell Verdächtigen das Messer mit dem Blut von Gorniak untergeschoben, zwei Monate, in denen der wahre Täter Christian Mertens (Benjamin Sadler), ein intelligenter Chirurg, besagte Tatwaffe nicht etwa gereinigt und entsorgt, sondern schlicht in einer Plastiktüte verpackt samt Blut aufbewahrt hat. Wozu? In einer weiteren Szene trägt eben dieser Christian Mertens seine bereits erwachsene, schwer übergewichtige Tochter wie ein Fliegengewicht quer durchs Haus und auch seine Frau Nadine (Anja Schneider) kommt nicht auf die Idee, dass es mit ihrem wiederholt plötzlichen Tiefschlaf nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann. Und zu guter Letzt hat der Täter für all den Irrsinn nur eine Erklärung: Er will töten, das ist seine Natur. Komisch nur, dass er nicht schon früher aufgefallen ist. Ein schlüssiges Motiv fehlt ebenso wie die Erläuterung, warum er die Leichen konserviert und zur Schau stellt. Für wen?

Mit Logik hatte dieser Tatort also absolut gar nichts zu tun, dafür aber viel mit Psychoterror. Der Massenmörder kannte keine Gnade und machte aus seinen Mordgelüsten keinen Hehl. Auch die neue Kollegin legte leicht profilneurotische Züge an den Tag, war mehr darauf bedacht, ihrem Chef Peter Schnabel (Martin Brambach) und dem ehrgeizigen Vater Otto Winkler (Uwe Preuss) zu gefallen, statt ihrer Partnerin beizustehen. Und selbst Karin Gorniak war am Ende so von Hass und Abscheu erfüllt, dass sie den Täter am liebsten abgeschlachtet hätte. Kein Krimi also, sondern ein astreiner Psychothriller, der mit einem hohen Gruselfaktor die fehlende Spannung aber mehr als wett machte. Es bleibt zu hoffen, dass die „Neue“ sich noch ins Dresdner Team einfindet und nicht der Zickenkrieg zwischen Winkler und Gorniak künftig den Tatort aus Dresden bestimmt.  

Ganz nebenbei kann „Das Nest“ aber wunderbar als Lehrstück für angehende Drehbuchautoren dienen, enthält dieser Tatort doch den kompletten Bauplan für einen gelungenen Film. Sämtliche Wendepunkte sitzen genau da, wo sie zu sitzen haben, der Höhepunkt in der Mitte wird schön herausgearbeitet mit der Enttarnung des Täters und von da an geht es lehrbuchmäßig bergab bis zum unvermeidlichen Showdown am Ende. So klar erkennbar sind die einzelnen Bestandteile, aus denen ein Film gestrickt wird, nur sehr selten. /sis

Karin Gorniak ist voller Hass und Abscheu für den Täter. Das Ende des Films bleibt offen, ob Gorniak und ihre neue Partnerin Leonie Winkler den gestellten Massenmörder aus Notwehr erschießen oder ihn doch gezielt hinrichten. (Foto: MDR/Wiedemann und Berg)
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