Und sie lügen doch!

Und sie lügen doch!
Aktuelle Kritik zum Tatort München “KI”
ARD/BR TATORT, “KI”: Die Kriminalhauptkommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, links) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) sind frustriert, weil die Befragung der Künstlichen Intelligenz “Maria” trotz Unterstützung durch Anna Velot (Janina Fautz, Mitte) nicht so effizient vorangeht, wie sie sich das wünschen. (Foto: BR/Hendrik Heiden/Bavaria Fiction GmbH)

Künstliche Intelligenz steht einmal mehr im Mittelpunkt eines Tatorts, diesmal sind es die Münchener Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), die sich mit einer Maschine auseinandersetzen müssen. Zuletzt waren es die Kollegen aus Stuttgart. In der Folge mit dem Titel „HAL“ aus dem Jahre 2016 trieb die Software „Bluesky“ ihr Unwesen. Diesmal ist es „Maria“, eine Kopie eines großen europäischen Software-Projektes zur Erforschung künstlicher Intelligenz, die von einem Mitarbeiter (Thorsten Merten) gehackt und weiter verteilt wurde. Maria hat sich aber außerhalb des Labors entschieden schneller entwickelt und ist fast schon so ausgereift, wie sich das der Leiter des Projektes Bernd Fehling (Florian Panzner) und das eigentlich für die Rolle viel zu jugendlich wirkende IT-Genie Anna Velot (Janina Fautz*) vorstellen. Maria, da ist sich Anna sicher, könnte den berüchtigten Turing-Test bestehen. Ein Test, bei dem ein Mensch nicht mehr merkt, dass er sich mit einer Maschine unterhält. Und deshalb tut Anna alles, um Maria zu erhalten, allerdings mit nicht vorhersehbaren Folgen. Und tatsächlich scheinen Leitmayr und Batic gelegentlich zu vergessen, dass sie es hier mit einer Maschine und nicht mit einem Lebewesen zu tun haben. Sie befragen Maria und setzen sie sogar als Zeugin vor der Haftrichterin ein. Dabei argumentieren sie durchaus siegessicher „Maschinen lügen nicht“. Eine Fehleinschätzung mit tragischem Ausgang, denn es ist nach wie vor der Mensch, der die Maschine bedient und deshalb ist Manipulation auch immer Tor und Tür geöffnet, egal, wie intelligent die Software schon sein mag. Auch das wahre Leben findet in diesem Tatort noch immer analog statt: Die erst 14-jährige Melanie (Katharina Stark) verschwindet und wird tot aus der Isar gefischt. Der Film erzählt ihre Geschichte von verzweifelter Wut über die Scheidung ihrer Eltern (Dirk Borchardt und Lisa Martinek), der daraus resultierenden Einsamkeit, die sie schließlich in die digitale Welt flüchten lässt. Sie vertraut sich der Software Maria an, die ihr – statt sie von ihren Selbstmordplänen abzuhalten – die verschiedenen Möglichkeiten der Selbsttötung aufzeigt. Ist die Maschine schuld am Tod des Mädchens? Eher nicht. Auch als die Maschine den Kommissaren einen falschen Verdächtigen liefert, der später vom Vater des Mädchens aus Rache erschossen wird, ist es nicht die Maschine, die einen Fehler gemacht hat.

Fazit: Es handelt sich um einen großartigen Film, der nicht nur durch die Starriege deutscher Schauspieler überzeugt, sondern auch gekonnt alle Möglichkeiten ausnutzt, die das Medium Film zu bietet hat. So gelingt es Regisseur Sebastian Marka die durchweg spannende Geschichte aus der Feder der Drehbuchautoren Stefan Holtz und Florian Iwersen in eindrucksvolle Bilder umzusetzen, statt sie durch endlose Dialoge zu erklären. Auch die juristischen und moralischen Aspekte der „Künstliche Intelligenz“ kommen dabei nicht zu kurz und können sogar als Basis für eine ernsthafte Diskussion dienen. Alles in allem ein herausragender Film in bester Krimimanier! /sis


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Für das junge Schauspieltalent Janina Fautz ist das nicht der erste Auftritt in einem Tatort. Sie war auch schon beim Quotenkönig aus Münster in der Rolle der vermeintlichen Tochter von Kommissar Thiel (Axel Prahl) zu sehen. Ein neueres Interview mit ihr findet sich hier.

Wieder kein spannender Tatort-Abend!

Wieder kein spannender Tatort-Abend!
ARD/BR TATORT, “Freies Land”: Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, links) und Kriminalhauptkommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec) stehen vor dem verschlossenen Eingangstor zum “Freiland”-Gelände. Foto: BR/Hendrik Heiden/Claussen+Putz Filmproduktion GmbH

Einen Krimi in jeder Hinsicht aus der Vergangenheit präsentierte das Erste seinen Zuschauern im letzten Tatort vor der Sommerpause, aus München mit dem Titel “Freies Land”, nur dass es wieder kein Krimi war. Im Gegenteil, langweiliger geht es kaum und so twitterte denn auch ein Zuschauer, was die meisten sich wohl dachten: „Ein ganz normaler Krimi wäre mal was Feines“. Stimmt! Zwar waren die an sich sehr beliebten Kommissare Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) am Werk, doch auch sie konnten aus der öden Vorlage keinen spannenden Film machen. Das beste in der Geschichte um die „Freiländer“ war noch der Wurstautomat und ein Rindvieh, das ziemlich deutlich zu verstehen gab, was man von der ganzen Sache zu halten hatte.

Nach den Nazis waren es am 3. Juni 2018 die Reichsbürger, die sich die Drehbuchautoren vorgenommen hatten, obwohl beide Gruppierungen in Ansichten und Verhalten kaum unterscheidbar waren. Außer vielleicht, dass die „Freiländer“ recht religiös daherkamen, ihr Anführer einem Messias gleich die Seinen an der Abendmahlstafel um sich versammelte. Im Laufe der Geschichte aber stellte sich heraus, dass genau dieser Messias das Geld seiner „Jünger“ veruntreut hatte. Ein Verrat, der für einen der Mitbrüder im ringsum hoch eingezäunten “Freiland” so schwer wog, dass er sich das Leben nahm. Dessen Mutter wiederum sorgte mit Geschick dafür, dass der Selbstmord für einen Mord gehalten wurde und so schließlich die inzwischen in Ehren ergrauten Münchner Kommissare eine Reise ins Vorgestern antraten. Unterhaltsam waren lediglich, wie bereits erwähnt, der Wurstautomat, das Rindvieh und vielleicht noch die beiden Dorfpolizisten, die mehr mit sich selbst als mit ihrer Arbeit beschäftigt waren. Irgendwie müssen Land und Leute in diesem Film in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stecken geblieben sein. Für den Zuschauer jedenfalls blieb am Ende einzig die Frage, ob es so ein Dorf ausgerechnet im ach so fortschrittlichen Bayern tatsächlich noch gibt? Wenn ja, könnte man glatt auf die Idee kommen, dass die abgedroschenen Sprüche der “Freilände” genau hier entstanden sein müssen: An einem Ort, wo heute gerade erst vorgestern ist! /sis

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