Was machen Barnaby und Co. anders als deutsche Kommissare?

Die Briten wissen, wie man richtig gute Krimis macht – zum Beispiel “Inspektor Barnaby”. Das Bild zeigt DC Ben Jones (Jason Hughes), DCI Tom Barnaby (John Nettles), Joyce Barnaby (Jane Wymark) Foto: obs/ZDF

Seit in deutschen Krimis nur noch spektakuläre Fälle wie internationaler Menschen-, Drogen- und Waffenhandel, Terror und Fremdenfeindlichkeit oder organisierte Kriminalität thematisiert werden, steigen englische Krimis, allen voran Inspector Barnaby, unaufhaltsam in der Zuschauergunst. Warum ist das so? Das liegt in erster Linie sicher an den durchdachten Storys, meist düstere Familiengeheimnisse oder skurrile Verbrechen, die ihren Ursprung in der Vergangenheit haben. Kontrollsüchtige Ehemänner mit gelangweilten Frauen in düsteren Herrenhäusern schaffen eben den idealen Rahmen für menschliche Abgründe. Das kommt an. Denn aktuelle Themen beherrschen Tag ein Tag aus die Schlagzeilen, wer will sich das auch noch nach Feierabend antun?

Zum anderen liegt der Erfolg britischer Krimis in der Beständigkeit: Barnaby, Lewis, Banks, Linlay und Co. sind feste Seriengrößen, auch wenn die Sergeants – ganz Abbild der Wirklichkeit – quasi wegbefördert werden und damit alle paar Jahre neue Gesichter neben den Detective Chief Inspectors (DCI) auftauchen. Selbst die Pathologen tun Dienst bis zur Pensionierung. In Deutschland haben neuerdings die Kommissare die Lebensdauer von Eintagsfliegen und sind zudem viel zu häufig privat problembeladen. Sie sind gerne mehr mit sich selbst, als mit ihren Fällen immer gleicher Machart beschäftigt. Da helfen auch wilde Schießereien und spektakuläre Explosionen nicht, sie machen eben noch lange keinen guten Krimi. Manchmal hat man fast den Eindruck, die erzählte Geschichte reicht nicht, um 90 Minuten Sendezeit zu füllen. Also bläst man die Story mit mehr oder minder tiefen Einblicken in das immer kaputte Privatleben der Ermittler auf.

Und dann haben die Briten, was die Deutschen nicht haben, einen unvergleichlichen, wenn auch recht morbiden Humor.  Und den bringen sie in ihre Serien ein. Ihre Helden sind typisch britisch und zwar so sehr „dass es fast schon wieder weh tut“, wie Tom Barnaby-Darsteller John Nettles in einem Interview über seine Rolle gesagt haben soll. Barnaby ist denn auch das Abbild eines DCI: Immer korrekt gekleidet mit Anzug und Krawatte, stets ausgesprochen höflich und selbst dann noch souverän, wenn die Delinquenten ihrem Zorn freien Lauf lassen. Eine Waffe braucht er nicht. Er ist präsent, das reicht!

John Nettles (Biografie) war in der Rolle des Tom Barnaby in über 80 Folgen zu sehen, 15 Jahre lang löste er die grausigen Mordfälle in Midsomer County, eine fiktive Grafschaft. An seiner Seite standen außer Ehefrau Joyce und Tochter Cully in all den Jahren nur drei Sergeants, die er obendrein auch immer noch mit dem Rüstzeug fürs Lebens ausstattete, Gavin Troy, Daniel Scott und Ben Jones, der auch noch unter Barnabys Nachfolger John Barnaby zu dienen hatte. Denn nach 15 Jahren kamen die Macher nicht etwa auf die Idee, die Serie in irgendeiner Form zu modernisieren, wie es deutsche Krimientwickler nur allzu gerne tun. Sie etablierten einen würdigen Nachfolger, Toms Cousin John Barnaby (Neil Dudgeon) mit ebenso sympathischer Ehefrau und einem niedlichen Hund. Überhaupt sind die Familienverhältnisse der britischen Ermittler sehr beständig und die Ehefrauen sind sich stets der Tatsache bewusst, dass es für einen Chief Inspector eben keinen Feierabend gibt. Kein Wunder also, dass die Serie in über 200 Ländern erfolgreich läuft. Welcher neuere Tatort hat das je geschafft?

Neben der durchweg ländlichen Gegend überzeugen die einzelnen Folgen durch fantasievolle Drehorte in typisch englischen Dörfern mit den roten Backstein-Herrenhäusern. Inspector Robert „Robbie“ Lewis (Kevin Whately) löst seine Fälle gar im altehrwürdigen Oxford und mit Detective Sergeant James Hathaway (Laurence Fox) an seiner Seite gibt es englische Geschichte ganz dezent nebenbei. Und so lernt auch der nicht-britische Zuschauer viel über Land und Leute, über Tradition und Kultur und die gerne mystisch angehauchte Vergangenheit des Inselvölkchens.

So geht Krimi! /sis

2 Gedanken zu „Was machen Barnaby und Co. anders als deutsche Kommissare?

  • 15. Juni 2019 um 13:56 Uhr
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    “Wir” meine Gattin Leni und ich(Jo) sehen uns alle englischen Serien – die es im deutschen Fernsehen gibt an. Außerdem besitzen wir auch eine – mittlerweile – stattlich angewachsene Sammlung von DVD/CD. Somit können wir uns – wenn wir wollen – tagtäglich “Gute Unterhaltung” gönnen und zeitlich unabhängig sind wir auch noch. Ansonsten nehmen wir täglich die Soko’s auf und entscheiden nach 5 Minuten anschauen ob’s langweilig oder nicht ist !!!

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  • 7. Juni 2019 um 8:41 Uhr
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    Auch bei anderen englischen Krimiserien geht es eigentlich vordergründig um die Personen. DI Richard Poole, DI Humphrie Goodman aus „Death in Paradise“ oder „Vera“. Man kann es auch auf andere Serien erweitern. Spontan fällt mir dazu „Doc Martin“ ein. Bei unseren Serien sticht eigentlich nur „Mord mit Aussicht“ heraus.

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